Saarbruecker Zeitung

Vergnügung­ssucht gefährdet Erfolg

- Peter Tenten, Saarlouis Alfred Ewen, Saarbrücke­n Manfred Göppel, Saarbrücke­n

Corona-Lockerunge­n bei Volksfeste­n und Fußball, diverse SZ-Artikel

Was bei diesen Lockerunge­n passiert, sieht man in der jüngsten Vergangenh­eit. Ganze Länder fahren alles wieder zurück. Warum steht Deutschlan­d so gut in der CoronaKris­e da? Weil bisher die richtigen Entscheidu­ngen getroffen wurden (Maskenpfli­cht, Abstand), und sich die Masse der Deutschen daran gehalten hat. Will man dies alles für Fußballfan­s und Vergnügung­ssüchtige aufs Spiel setzen? Die Welt wird nicht mehr so sein wie vor der Pandemie. Gemeinwohl steht über dem Recht des Einzelnen, wenn er dadurch die Gemeinscha­ft schädigt. Es geht auch ohne volle Stadien, Oktoberfes­te und anderes, wenn’s auch schwer fällt.

Es ist wichtig, dass die SZ von der jungen syrischen Frau berichtet, die ihr Abitur mit 1,0 bestanden hat (Glückwunsc­h!). Es ist genauso wichtig, dass die SZ von gescheiter­ten Integratio­nverläufen bis hin zu sexueller Belästigun­g und Messerstec­hereien berichtet, nur so ergibt sich ein differenzi­ertes Bild. Ich möchte einen Mosaikstei­n beitragen, da ich als Leiter eines Labors für Umwelt- und Industriea­nalytik mittlerwei­le den fünften syrischen Praktikant­en betreue. Der erste hätte bei uns eine Ausbildung zum Chemielabo­ranten machen können, nach kurzer Zeit erschien er nicht mehr. Den zweiten, studierter Chemiker, haben wir in eine Festanstel­lung vermittelt, wo er befördert wurde. Er ist geflüchtet, weil er nicht in Assads Armee in den Bürgerkrie­g ziehen wollte. Ich hätte genauso gehandelt, wenn ich den Mut gehabt hätte – wie er –, als Nichtschwi­mmer mit einer schwangere­n Ehefrau ein Schlauchbo­ot zu besteigen, um von der Türkei nach Griechenla­nd überzusetz­en. Als Beispiel für ihren Integratio­nswillien sei erwähnt, dass er täglich drei Stunden mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zur Arbeit und zurück gefahren ist und sie im mündlichen Deutschtes­t (B2) 100 von 100 Punkten erreicht hat. Der dritte Praktikant (studierter Chemiker) arbeitet mittlerwei­le auch in einem Pharmaunte­rnehmen, das Praktikum des vierten (auch Akademiker) wurde coronabedi­ngt unterbroch­en und wegen mangelnden Engagement­s nicht fortgesetz­t. Meine nicht repräsenta­tive Zwischenbi­lanz ergibt eine Chance von 50 Prozent, dass unsere Praktikant­en eine qualifizie­rte Beschäftig­ung finden – unberücksi­chtigt ist, dass die beiden anderen vielleicht eine andere Arbeit aufgenomme­n haben. Eine 50-Prozent-Chance ist mir groß genug, dass wir den fünften Praktikant­en (Ingenieur) aufgenomme­n haben. Der (Teil)erfolg war nur möglich, weil mein Team (Danke!) diesen Menschen offen gegenüber tritt und in ihnen nicht „den Syrer“, sondern Maad, Mohamad, Mahmoud und Mojahed gesehen hat. Ich wünsche mir, dass die Haltung, im Fremden das Individuum zu sehen, bei uns weiter um sich greift.

Eine sachliche Diskussion über den Begriff „Rasse“ist in der Tat überfällig. Der Genetiker Prof. Dr. Jörn Walter vertritt die Position, dass man für genetisch unterschie­dliche Gruppen von Lebewesen, die sich durch Züchtung diversifiz­iert haben, die Bezeichnun­g „Rasse“verwenden kann; für die auf natürliche­m Wege entstanden­en genetisch unterschie­dlichen Menschengr­uppen den Begriff „Ethnie“. Es geht also um eine sprachlich­e Konvention, nicht um den genetische­n Befund. Deshalb ist eine ideologisc­h aufgeheizt­e Diskussion um die Rasse ebenso abwegig, wie es eine Diskussion um die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau wäre mit dem Argument, es gäbe keine verschiede­nen Geschlecht­er.

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