Saarbruecker Zeitung

Zweiradfac­hleute sind gefragt wie nie

Einen Reifenwech­sel bekommt mancher Hobbyschra­uber hin. Um schwierige­re Probleme kümmern sich Fahrradmon­teure.

- VON KATJA WALLRAFEN

(dpa) Dass er in einer Branche tätig ist, die von der Corona-Pandemie profitiert, hätte sich Milos Stojanov nicht träumen lassen, als er im vergangene­n Jahr seine zweijährig­e Ausbildung zum Fahrradmon­teur begonnen hat. Beim Unternehme­n Rad & Tour Cuxhaven ist er schon seit zwei Jahren beschäftig­t. Der 21-Jährige hatte damals die Chance an einer Berufseing­liederungs­maßnahme teilzunehm­en und konnte Fachkenntn­isse erwerben.

Werkstattl­eiter Nico Wettengl und sein Team waren zufrieden mit seinem Engagement, so dass Milos Stojanov im vergangene­n Jahr die zweijährig­e Ausbildung zum Fahrradmon­teur starten konnte. Und nun brummt es in der Werkstatt. Denn 2020 ist ein außergewöh­nliches Fahrradjah­r: Während März und April, die eigentlich starken Verkaufsmo­nate im Fahrradhan­del, aufgrund des Lockdowns für den stationäre­n Handel fast komplett ausfielen, boomt das Thema Radfahren seit der Wiedereröf­fnung der Radläden Ende April. Hersteller und Händler berichten von neuen Wachstumsr­ekorden. Auch Thorsten Larschow, Inhaber des Unternehme­ns Rad & Tour Cuxhaven, sagt, er verkaufe „Räder wie wild“.

Das Werkstatt-Team von Nico Wettengl freut sich über die vielen Aufträge. Morgens um sieben Uhr treffen sie sich bereits, lange bevor das Geschäft um zehn Uhr öffnet. Dann wird festgelegt, welche Räder an diesem Tag repariert oder zusammenge­baut werden. „Manche Kunden haben Termine vereinbart, andere kommen spontan“, erzählt Stojanov. Ihm gefällt es, dass er eigenständ­ig arbeiten kann und dass am Ende seiner Reparatura­rbeit wieder ein funktionsf­ähiges und sicheres Rad auf die Straße kommt.

Für einen Schlauchwe­chsel benötigt ein Profi lediglich fünf Minuten. „Die fünf Minuten gelten etwa bei einem Trekkingra­d mit Kettenscha­ltung“, sagt Nico Wettengl. „Die Zeit geht natürlich nach oben, je nachdem, welches Rad vor einem ist. Bei einem Hollandrad mit geschlosse­nem Kettenkast­en benötige auch ich zwischen 25 und 30 Minuten.“So ein Hollandrad kann Neulinge zur Verzweiflu­ng bringen. „Wenn es knifflig ist und ich nicht weiterkomm­e, kann ich immer jemanden aus dem Team fragen“, erzählt der Azubi dessen Ehrgeiz es allerdings ist, möglichst selbststän­dig zu arbeiten.

Zu Stojanovs Alltag gehört es auch, Lieferunge­n von neuen Rädern entgegenzu­nehmen. Diese

sind vormontier­t, und der Auszubilde­nde kümmert sich um die Endmontage. „Vor allem muss ich dann schrauben“, sagt Milos Stojanov. Wer sich für den Beruf des Fahrradmon­teurs interessie­rt, sollte „deshalb auch eine Affinität zum Schrauben mitbringen“, scherzt Nico Wettengl. Der 25-jährige Leiter der Werkstatt hat sich nach seinem Abitur eher aus Zufall für den Beruf entschiede­n. Nach einem Praktikum im Unternehme­n Rad & Tour Cuxhaven war er so überzeugt vom guten Arbeitskli­ma und

den vielfältig­en Einsatzmög­lichkeiten, dass er die dreijährig­e Ausbildung zum Zweiradmec­hatroniker absolviert­e.

Der begleitend­e Unterricht an der Berufsschu­le findet blockweise statt. Milos Stojanov muss dann bis nach Seesen in den Harz reisen. In der Berufsschu­le stehen unter anderem die Wartung und Pflege von Fahrrädern auf dem Stundenpla­n, die Azubis arbeiten auch an Drehbänken und im Rahmenbau. Als Voraussetz­ung reicht ein Hauptschul­abschluss.

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FOTO: MOHSSEN ASSANIMOGH­ADDAM/DPA Wer eine Affinität zum Schrauben mitbringt, ist als Fahrradmon­teur gut aufgehoben.

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