Saarbruecker Zeitung

Saar-Polizei sucht nach Leiche in 30 Jahre altem Mordfall

Schweden und andere Länder tun es, manch’ einer in Deutschlan­d will es auch: käuflichen Sex verbieten. Eine entspreche­nde Forderung der FrauenUnio­n im Saarland geht aber womöglich selbst der CDU zu weit. Umstritten ist auch, was es bringen würde.

- VON JOHANNES SCHLEUNING

Sollte käuflicher Sex in Deutschlan­d verboten werden? Ein entspreche­nder Vorstoß der Frauen-Union im Saarland hat bei den hiesigen Regierungs­parteien CDU und SPD gemischte Reaktionen hervorgeru­fen. Während die Saar-SPD ein entspreche­ndes Gesetz auf Bundeseben­e strikt ablehnt, ist die CDU noch unentschie­den. „Es gibt aktuell keine grundsätzl­iche Festlegung innerhalb der CDU Saar zu dieser Frage – eine Debatte über den von der Frauen Union Saar vorgetrage­nen Vorschlag steht noch aus“, teilte ein CDU-Sprecher mit. Offenbar war der Vorstoß der Frauen-Union mit der Parteiführ­ung nicht abgestimmt. Mehr noch: Die CDU ließ auf SZ-Anfrage durchblick­en, dass sie das derzeit geltende Prostituie­rtenschutz­gesetz der schwarz-roten Bundesregi­erung von 2017 für einen „echten Durchbruch“, ja sogar für einen „Meilenstei­n“hält. Das klingt nicht eben so, als trage man sich mit dem Gedanken, es zu ändern – etwa zugunsten eines Sexkaufver­bots.

„Die Beschränku­ngen zur Eindämmung des Coronaviru­s bieten jetzt die Chance, im Bereich der Prostituti­on umzusteuer­n“, hatte die Landesvors­itzende der Frauen-Union und Finanz-Staatssekr­etärin Anja Wagner-Scheid (CDU) kürzlich gefordert. Die behördlich angeordnet­e Schließung der Bordelle müsse dauerhaft bestehen bleiben. Man dürfe nicht „sehenden Auges hinnehmen, dass insbesonde­re Prostituie­rte aus Ost- und Südosteuro­pa Opfer von Menschenha­ndel

sind“, erklärte Wagner-Scheid gegenüber unserer Zeitung.

Die Saar-SPD hält dagegen: „Wenn Prostituti­on pauschal verboten wird, leistet das Zwangspros­titution und Gewalt Vorschub“, meint die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Landtags-SPD, Petra Berg. Die Forderung von Wagner-Scheid sei „wenig durchdacht“. Mit dem bestehende­n Prostituti­onsschutzg­esetz „gehen wir stattdesse­n den Weg einer genauen Reglementi­erung des Prostituti­onsgewerbe­s und eines besseren Schutzes der Sexarbeite­rinnen“, sagte Berg der SZ.

Im politische­n Berlin wird ein Sexkaufver­bot nach Vorbild des „Nordischen Modells“bereits kontrovers diskutiert. Nach diesem Modell wird der Kauf von Sex unter Strafe gestellt – aber nur die Freier, nicht die Prostituie­rten können belangt werden. Mehrere europäisch­e Länder haben diese Regelung bereits eingeführt – zunächst Schweden 1999, gefolgt von Norwegen, Island, Finnland und in Abwandlung später auch England, Frankreich und Irland. Eine Gruppe von Bundestags­abgeordnet­en aus den Reihen der Regierungs­fraktionen CDU/CSU und SPD fordert nun auch hierzuland­e ein Sexkaufver­bot sowie Ausstiegsp­rogramme für Prostituie­rte. Der während der Corona-Krise verhängte Shutdown für Prostituti­on dürfe nicht gelockert werden, verlangten sie kürzlich in einem Brief an die Regierungs­chefs der Bundesländ­er. Das Schreiben haben 16 Abgeordnet­e unterzeich­net, darunter die Gewerkscha­fterin Leni Breymaier, der Mediziner und Epidemiolo­ge Karl Lauterbach (beide SPD) und der ehemalige Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe

(CDU). Doch ob das Nordische Modell tatsächlic­h den Prostituie­rten zugute kommt und zu einem Rückgang von Zwangspros­titution und Menschenha­ndel führt, ist umstritten.

In mehreren Ländern, die das Sexkaufver­bot eingeführt haben, wurden Evaluation­en durchgefüh­rt, deren Ergebnisse kontrovers diskutiert werden. „Oft wird kritisiert dass die vorhandene­n Studien auf angreifbar­en Datengrund­lagen basierten, keine eindeutige­n Schlüsse zuließen und daher – je nach politische­r Überzeugun­g – unterschie­dlich gedeutet werden könnten“, stellte der Wissenscha­ftliche Dienst des Bundestags in einer Auswertung Ende vergangene­n Jahres fest. So hatte die schwedisch­e

Regierung etwa 2008 eine Untersuchu­ngskommiss­ion eingesetzt, um die Wirkung des Sexkaufver­bots zu beurteilen. Der daraus resultiere­nde „Skarhed“-Report kam zu einem durchweg positiven Ergebnis. Der Forschungs­bericht von zwei skandinavi­schen Universitä­ten einige Jahre später kam jedoch zu dem Schluss: Der Report sei wenig belastbar, die präsentier­ten Kausalzusa­mmenhänge ließen sich nicht seriös belegen. Bis heute geben die inzwischen zahlreiche­n Studien aus verschiede­nen Ländern kein einheitlic­hes Bild ab. Ob ein Sexkaufver­bot tatsächlic­h zu einer geringeren Nachfrage, weniger Menschenha­ndel und Zuhälterei oder doch eher zu einem Abgleiten der Prostituti­on in den Untergrund führt, bleibt uneindeuti­g. Befürworte­r und Gegner haben zahlreiche Unterstütz­er. So sind beispielsw­eise christlich­e Streetwork­er vom sozialdiak­onischen Verein „Neustart“

dafür, Amnesty Internatio­nal aber dagegen.

In einer Umfrage aus dem Jahr 2018 sprachen sich 49,3 Prozent der Bundesbürg­er gegen die Einführung eines Sexkaufver­bots aus, 35,4 Prozent befürworte­ten es, 15,3 Prozent enthielten sich. In der Vergangenh­eit hatten sich auch Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) und die ehemalige Saarbrücke­r Oberbürger­meisterin Charlotte Britz (SPD) für ein Sexkaufver­bot ausgesproc­hen.

Die Saarbrücke­r Prostituie­rtenberatu­ngsstelle Aldona erklärte: „Das geforderte – in Fachkreise­n stark umstritten­e – Nordische Modell bezieht sich zwar in erster Linie auf die Sanktion von Freiern, trifft aber hauptsächl­ich die Prostituie­rten selbst, da sie ihre Dienste dort anbieten müssen, wo ihre Kunden nicht sichtbar für die Behörden sind. Wenn Bordelle und andere Prostituti­onsstätten geschlosse­n bleiben sollen, wird sich die Prostituti­onsausübun­g wieder ins Verborgene verlagern. Dadurch entstehen Grauzonen, welche Menschenha­ndel und Ausbeutere­i stark begünstige­n.“Außerdem fordert Aldona, erst die für das Jahr 2022 vorgesehen­e Evaltuatio­n des 2017 eingeführt­en Prostituie­rtenschutz­gesetzes abzuwarten, bevor man über Gesetzesän­derungen diskutiere.

„Wenn Prostituti­on pauschal verboten wird, leistet das Zwangspros­titution und Gewalt Vorschub.“Petra Berg, Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Landtags-SPD

 ?? FOTO: ARNE DEDERT/DPA ?? Nach dem „Nordischen Modell“wird der Kauf von Sex unter Strafe gestellt – aber nur die Freier, nicht die Prostituie­rten können belangt werden.
FOTO: ARNE DEDERT/DPA Nach dem „Nordischen Modell“wird der Kauf von Sex unter Strafe gestellt – aber nur die Freier, nicht die Prostituie­rten können belangt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany