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Schweden und andere Länder tun es, manch’ einer in Deutschland will es auch: käuflichen Sex verbieten. Eine entsprechende Forderung der FrauenUnion im Saarland geht aber womöglich selbst der CDU zu weit. Umstritten ist auch, was es bringen würde.
Sollte käuflicher Sex in Deutschland verboten werden? Ein entsprechender Vorstoß der Frauen-Union im Saarland hat bei den hiesigen Regierungsparteien CDU und SPD gemischte Reaktionen hervorgerufen. Während die Saar-SPD ein entsprechendes Gesetz auf Bundesebene strikt ablehnt, ist die CDU noch unentschieden. „Es gibt aktuell keine grundsätzliche Festlegung innerhalb der CDU Saar zu dieser Frage – eine Debatte über den von der Frauen Union Saar vorgetragenen Vorschlag steht noch aus“, teilte ein CDU-Sprecher mit. Offenbar war der Vorstoß der Frauen-Union mit der Parteiführung nicht abgestimmt. Mehr noch: Die CDU ließ auf SZ-Anfrage durchblicken, dass sie das derzeit geltende Prostituiertenschutzgesetz der schwarz-roten Bundesregierung von 2017 für einen „echten Durchbruch“, ja sogar für einen „Meilenstein“hält. Das klingt nicht eben so, als trage man sich mit dem Gedanken, es zu ändern – etwa zugunsten eines Sexkaufverbots.
„Die Beschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus bieten jetzt die Chance, im Bereich der Prostitution umzusteuern“, hatte die Landesvorsitzende der Frauen-Union und Finanz-Staatssekretärin Anja Wagner-Scheid (CDU) kürzlich gefordert. Die behördlich angeordnete Schließung der Bordelle müsse dauerhaft bestehen bleiben. Man dürfe nicht „sehenden Auges hinnehmen, dass insbesondere Prostituierte aus Ost- und Südosteuropa Opfer von Menschenhandel
sind“, erklärte Wagner-Scheid gegenüber unserer Zeitung.
Die Saar-SPD hält dagegen: „Wenn Prostitution pauschal verboten wird, leistet das Zwangsprostitution und Gewalt Vorschub“, meint die Parlamentarische Geschäftsführerin der Landtags-SPD, Petra Berg. Die Forderung von Wagner-Scheid sei „wenig durchdacht“. Mit dem bestehenden Prostitutionsschutzgesetz „gehen wir stattdessen den Weg einer genauen Reglementierung des Prostitutionsgewerbes und eines besseren Schutzes der Sexarbeiterinnen“, sagte Berg der SZ.
Im politischen Berlin wird ein Sexkaufverbot nach Vorbild des „Nordischen Modells“bereits kontrovers diskutiert. Nach diesem Modell wird der Kauf von Sex unter Strafe gestellt – aber nur die Freier, nicht die Prostituierten können belangt werden. Mehrere europäische Länder haben diese Regelung bereits eingeführt – zunächst Schweden 1999, gefolgt von Norwegen, Island, Finnland und in Abwandlung später auch England, Frankreich und Irland. Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten aus den Reihen der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD fordert nun auch hierzulande ein Sexkaufverbot sowie Ausstiegsprogramme für Prostituierte. Der während der Corona-Krise verhängte Shutdown für Prostitution dürfe nicht gelockert werden, verlangten sie kürzlich in einem Brief an die Regierungschefs der Bundesländer. Das Schreiben haben 16 Abgeordnete unterzeichnet, darunter die Gewerkschafterin Leni Breymaier, der Mediziner und Epidemiologe Karl Lauterbach (beide SPD) und der ehemalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe
(CDU). Doch ob das Nordische Modell tatsächlich den Prostituierten zugute kommt und zu einem Rückgang von Zwangsprostitution und Menschenhandel führt, ist umstritten.
In mehreren Ländern, die das Sexkaufverbot eingeführt haben, wurden Evaluationen durchgeführt, deren Ergebnisse kontrovers diskutiert werden. „Oft wird kritisiert dass die vorhandenen Studien auf angreifbaren Datengrundlagen basierten, keine eindeutigen Schlüsse zuließen und daher – je nach politischer Überzeugung – unterschiedlich gedeutet werden könnten“, stellte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in einer Auswertung Ende vergangenen Jahres fest. So hatte die schwedische
Regierung etwa 2008 eine Untersuchungskommission eingesetzt, um die Wirkung des Sexkaufverbots zu beurteilen. Der daraus resultierende „Skarhed“-Report kam zu einem durchweg positiven Ergebnis. Der Forschungsbericht von zwei skandinavischen Universitäten einige Jahre später kam jedoch zu dem Schluss: Der Report sei wenig belastbar, die präsentierten Kausalzusammenhänge ließen sich nicht seriös belegen. Bis heute geben die inzwischen zahlreichen Studien aus verschiedenen Ländern kein einheitliches Bild ab. Ob ein Sexkaufverbot tatsächlich zu einer geringeren Nachfrage, weniger Menschenhandel und Zuhälterei oder doch eher zu einem Abgleiten der Prostitution in den Untergrund führt, bleibt uneindeutig. Befürworter und Gegner haben zahlreiche Unterstützer. So sind beispielsweise christliche Streetworker vom sozialdiakonischen Verein „Neustart“
dafür, Amnesty International aber dagegen.
In einer Umfrage aus dem Jahr 2018 sprachen sich 49,3 Prozent der Bundesbürger gegen die Einführung eines Sexkaufverbots aus, 35,4 Prozent befürworteten es, 15,3 Prozent enthielten sich. In der Vergangenheit hatten sich auch Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und die ehemalige Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) für ein Sexkaufverbot ausgesprochen.
Die Saarbrücker Prostituiertenberatungsstelle Aldona erklärte: „Das geforderte – in Fachkreisen stark umstrittene – Nordische Modell bezieht sich zwar in erster Linie auf die Sanktion von Freiern, trifft aber hauptsächlich die Prostituierten selbst, da sie ihre Dienste dort anbieten müssen, wo ihre Kunden nicht sichtbar für die Behörden sind. Wenn Bordelle und andere Prostitutionsstätten geschlossen bleiben sollen, wird sich die Prostitutionsausübung wieder ins Verborgene verlagern. Dadurch entstehen Grauzonen, welche Menschenhandel und Ausbeuterei stark begünstigen.“Außerdem fordert Aldona, erst die für das Jahr 2022 vorgesehene Evaltuation des 2017 eingeführten Prostituiertenschutzgesetzes abzuwarten, bevor man über Gesetzesänderungen diskutiere.
„Wenn Prostitution pauschal verboten wird, leistet das Zwangsprostitution und Gewalt Vorschub.“Petra Berg, Parlamentarische Geschäftsführerin der Landtags-SPD