Urteil gegen Stadtrat aus St. Wendel wegen Volksverhetzung
Der Prozess wegen Volksverhetzung gegen den Ex-AfD-Politiker hatte absurde Züge. Nach ewigem Hin und Her rang er sich zu einem Geständnis durch.
(kir) Ein St. Wendeler Stadtratsmitglied ist wegen Volksverhetzung und des öffentlichen Aufrufs zu Straftaten verurteilt worden. Der Ex-AfD-Politiker hatte auf dem Twitter-Profil der AfD St. Wendel gefordert, „ausländische Triebtäter“solle man „kastrieren und ins Meer werfen“. Vor dem Amtsgericht Ottweiler bestritt er die Tat zunächst, legte schließlich aber ein Geständnis ab. Verurteilt wurde er zu 1800 Euro Geldstrafe auf Bewährung und einer Bewährungsauflage von 3000 Euro. Landespolitik
Richter Peter Meiers schien erleichtert, als er die Sitzung am Amtsgericht Ottweiler nach fast drei Stunden schließen konnte. Nur die richterliche Etikette hielt ihn vermutlich davon ab, zwischendurch seinen Kopf auf die Tischplatte zu knallen, angesichts der „tragikomischen Züge“, die der Verlauf der Verhandlung nach seinen Worten annahm – wegen eines Angeklagten, der nicht wusste, was er wollte.
Der St. Wendeler Stadtverordnete Carlos Mrosek musste sich am Dienstag wegen eines Twitter-Beitrags verantworten, den er am 10. Juli 2019 über die Twitter-Seite der AfD St. Wendel absetzte. Darin hatte er mit Blick auf „ausländische
Triebtäter“gefordert: „Kastrieren und ins Meer werfen, das gesparte Geld dann den Opfern oder echten Flüchtlingen zugutekommen lassen.“Kurz darauf verließ er die Partei, der Tweet wurde gelöscht. Im Stadtrat sitzt er immer noch.
Bei einer Hausdurchsuchung und später bei der Vernehmung gab er zu, dass der Tweet von ihm stammt. Doch einen Strafbefehl wegen Volksverhetzung und der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten akzeptierte er nicht. Denn in der Zwischenzeit hatte er es sich anders überlegt. Er bestritt, der Urheber des Tweets zu sein. In der Hauptverhandlung erklärte Mrosek, dass er die Tat nur deshalb zugegeben habe, um schnell wieder an seine beschlagnahmten Computer zu kommen. Denn an ihnen hänge seine Existenz als Netzwerkadministrator. Er gehe davon aus, dass der Tweet gefälscht sei, vermutlich von der Antifa oder von der SZ.
Mrosek sieht sich selbst so: im Volk beliebt, von der CDU politisch verfolgt. Er befürchtet, dass mit Hilfe der beschlagnahmten Daten seine „Wahlerfolge“ausgeforscht werden sollen. Von dem Inhalt des Tweets distanzierte er sich. Er habe auch nichts gegen Flüchtlinge.
Oberstaatsanwalt Wolfgang Lauer machte allerdings von Beginn an klar, dass er wenig von dem Sinneswandel hält. „Sie hatten die Zugangsdaten und waren der einzige, der den Account genutzt hat.“Er habe auch zwei Mal zugegeben, dass der Tweet von ihm stammt. „Warum soll ich Ihnen heute hier glauben?“
Dann begann das Hin und Her. Mrosek war unschlüssig, ob er sich auf eine Verständigung einlassen sollte. Das Angebot lautete: Geständnis,
dann bekommt er eine moderate Geldstrafe auf Bewährung und muss als Bewährungsauflage eine Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung leisten. Mal wollte der Angeklagte darauf eingehen, dann wieder nicht, dann doch, dann sagte er wieder, das sei ein „ganz blödes Angebot“, zwischendurch beriet er sich in mehreren Sitzungsunterbrechungen mit seinem Anwalt. Die Geldauflage wollte er zunächst nur an einen ihm bekannten Flüchtling zahlen, damit der sich eine Kamera davon kaufen kann. Das wiederum machte Richter Meiers nicht mit. Daraufhin stellte Mrosek die Verständigung erneut infrage: „Dann machen wir weiter.“Schließlich wollte Mrosek doch wieder ein Geständnis ablegen und zahlen, aber nicht an die Seenotrettung, wie zunächst angekündigt, sondern lieber an die Caritas. So kam es dann auch.
Der Oberstaatsanwalt sagte, Mrosek habe nach langem Hin und Her „wider Erwarten die Kurve gekriegt“. Am Ende blieb das Urteil mit 90 Tagessätzen à 20 Euro (plus Bewährungsauflage von 3000 Euro) am untersten Rand des rechtlich Möglichen. Der Richter sagte, er habe alle möglichen Strafmilderungsgründe berücksichtigt: das Fehlen einer Vorstrafe, die Belastung und die wirtschaftlichen Folgen des Verfahrens, das Geständnis und die Distanzierung von dem Inhalt des Tweet.