Saarbruecker Zeitung

Urteil gegen Stadtrat aus St. Wendel wegen Volksverhe­tzung

Der Prozess wegen Volksverhe­tzung gegen den Ex-AfD-Politiker hatte absurde Züge. Nach ewigem Hin und Her rang er sich zu einem Geständnis durch.

- VON DANIEL KIRCH Produktion dieser Seite: M. Renz, S. Schülke J. Schleuning

(kir) Ein St. Wendeler Stadtratsm­itglied ist wegen Volksverhe­tzung und des öffentlich­en Aufrufs zu Straftaten verurteilt worden. Der Ex-AfD-Politiker hatte auf dem Twitter-Profil der AfD St. Wendel gefordert, „ausländisc­he Triebtäter“solle man „kastrieren und ins Meer werfen“. Vor dem Amtsgerich­t Ottweiler bestritt er die Tat zunächst, legte schließlic­h aber ein Geständnis ab. Verurteilt wurde er zu 1800 Euro Geldstrafe auf Bewährung und einer Bewährungs­auflage von 3000 Euro. Landespoli­tik

Richter Peter Meiers schien erleichter­t, als er die Sitzung am Amtsgerich­t Ottweiler nach fast drei Stunden schließen konnte. Nur die richterlic­he Etikette hielt ihn vermutlich davon ab, zwischendu­rch seinen Kopf auf die Tischplatt­e zu knallen, angesichts der „tragikomis­chen Züge“, die der Verlauf der Verhandlun­g nach seinen Worten annahm – wegen eines Angeklagte­n, der nicht wusste, was er wollte.

Der St. Wendeler Stadtveror­dnete Carlos Mrosek musste sich am Dienstag wegen eines Twitter-Beitrags verantwort­en, den er am 10. Juli 2019 über die Twitter-Seite der AfD St. Wendel absetzte. Darin hatte er mit Blick auf „ausländisc­he

Triebtäter“gefordert: „Kastrieren und ins Meer werfen, das gesparte Geld dann den Opfern oder echten Flüchtling­en zugutekomm­en lassen.“Kurz darauf verließ er die Partei, der Tweet wurde gelöscht. Im Stadtrat sitzt er immer noch.

Bei einer Hausdurchs­uchung und später bei der Vernehmung gab er zu, dass der Tweet von ihm stammt. Doch einen Strafbefeh­l wegen Volksverhe­tzung und der öffentlich­en Aufforderu­ng zu Straftaten akzeptiert­e er nicht. Denn in der Zwischenze­it hatte er es sich anders überlegt. Er bestritt, der Urheber des Tweets zu sein. In der Hauptverha­ndlung erklärte Mrosek, dass er die Tat nur deshalb zugegeben habe, um schnell wieder an seine beschlagna­hmten Computer zu kommen. Denn an ihnen hänge seine Existenz als Netzwerkad­ministrato­r. Er gehe davon aus, dass der Tweet gefälscht sei, vermutlich von der Antifa oder von der SZ.

Mrosek sieht sich selbst so: im Volk beliebt, von der CDU politisch verfolgt. Er befürchtet, dass mit Hilfe der beschlagna­hmten Daten seine „Wahlerfolg­e“ausgeforsc­ht werden sollen. Von dem Inhalt des Tweets distanzier­te er sich. Er habe auch nichts gegen Flüchtling­e.

Oberstaats­anwalt Wolfgang Lauer machte allerdings von Beginn an klar, dass er wenig von dem Sinneswand­el hält. „Sie hatten die Zugangsdat­en und waren der einzige, der den Account genutzt hat.“Er habe auch zwei Mal zugegeben, dass der Tweet von ihm stammt. „Warum soll ich Ihnen heute hier glauben?“

Dann begann das Hin und Her. Mrosek war unschlüssi­g, ob er sich auf eine Verständig­ung einlassen sollte. Das Angebot lautete: Geständnis,

dann bekommt er eine moderate Geldstrafe auf Bewährung und muss als Bewährungs­auflage eine Zahlung an eine gemeinnütz­ige Einrichtun­g leisten. Mal wollte der Angeklagte darauf eingehen, dann wieder nicht, dann doch, dann sagte er wieder, das sei ein „ganz blödes Angebot“, zwischendu­rch beriet er sich in mehreren Sitzungsun­terbrechun­gen mit seinem Anwalt. Die Geldauflag­e wollte er zunächst nur an einen ihm bekannten Flüchtling zahlen, damit der sich eine Kamera davon kaufen kann. Das wiederum machte Richter Meiers nicht mit. Daraufhin stellte Mrosek die Verständig­ung erneut infrage: „Dann machen wir weiter.“Schließlic­h wollte Mrosek doch wieder ein Geständnis ablegen und zahlen, aber nicht an die Seenotrett­ung, wie zunächst angekündig­t, sondern lieber an die Caritas. So kam es dann auch.

Der Oberstaats­anwalt sagte, Mrosek habe nach langem Hin und Her „wider Erwarten die Kurve gekriegt“. Am Ende blieb das Urteil mit 90 Tagessätze­n à 20 Euro (plus Bewährungs­auflage von 3000 Euro) am untersten Rand des rechtlich Möglichen. Der Richter sagte, er habe alle möglichen Strafmilde­rungsgründ­e berücksich­tigt: das Fehlen einer Vorstrafe, die Belastung und die wirtschaft­lichen Folgen des Verfahrens, das Geständnis und die Distanzier­ung von dem Inhalt des Tweet.

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FOTO: ERNST Die Hauptverha­ndlung fand vor dem Amtsgerich­t Ottweiler statt.

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