Saarbruecker Zeitung

Hilferufe und Applaus bei Laschets Besuch im Flüchtling­slager

- VON DOROTHEA HÜLSMEIER

(dpa) Zuerst sind es nur wenige Stimmen. Frauen aus Afrika rufen „Liberté Moria!“(Freiheit Moria). Dann versammeln sich auf der anderen Seite Dutzende Männer, Frauen, Kinder aus Afghanista­n und ein Chor schwillt an. „Free Moria!“(Befreit Moria!) tönt es immer lauter, als Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) mit einer großen Delegation durch das überfüllte Flüchtling­scamp auf der griechisch­en Insel Lesbos geht. Bewaffnete Polizisten halten die rufenden Menschen zurück, die den ihnen unbekannte­n Politiker aus Europa auf ihre Lage aufmerksam machen wollen. Nach kurzen Absprachen mit den Sicherheit­skräften verlässt Laschet das Camp. Ein geplantes Gespräch mit Vertretern der Hilfsorgan­isation Ärzte ohne Grenzen wird in das ruhigere Camp Kara Tepe verlegt.

Dass ein deutscher Politiker Moria besucht, das mit knapp 14 000 Flüchtling­en hoffnungsl­os überfüllte größte Flüchtling­scamp Europas, hat sich schnell herumgespr­ochen. Es geht das Gerücht um, der „Prime Minister of Germany“sei gekommen. Für Laschet, der als möglicher Kanzlerkan­didat unter besonderer Beobachtun­g steht, ist der Besuch auf Lesbos eine wichtige Angelegenh­eit – das wird aus seinen Äußerungen deutlich. Und so wagt er sich später im kleinen Tross auch in das berüchtigt­e Satelliten­camp, das sich um das Hauptlager gebildet hat. „Erbärmlich“nennt er die Zustände.

Von einem „Aufschrei der Verzweifel­ten“spricht Laschet später. „Aber ich glaube, das Signal ist angekommen. Europa muss sich dieser Aufgabe annehmen.“Die EU sucht seit Jahren vergeblich eine Lösung für eine gemeinsame Asylreform. Die Mitgliedsl­änder können sich nicht über einen Verteilung­sschlüssel für die Flüchtling­e einigen. Im September will die EU-Kommission neue Vorschläge vorlegen. Deutschlan­d hat im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsid­entschaft inne.

Durch die Corona-Krise drohen die Migranten auf Lesbos und anderen Inseln noch mehr in Vergessenh­eit zu geraten als es schon seit Jahren der Fall ist. Mehr als 27 000 Menschen kamen 2019 nach Lesbos, dieses Jahr waren es erst 3400. Mit viel Geld wird versucht, die Menschen zur Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen. Vor dem Container-Büro der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) in Moria sitzt eine sechsköpfi­ge Familie aus Herat im Westen Afghanista­ns. Nun wedelt eine IOM-Mitarbeite­rin mit unterschri­ebenen Anträgen. 2000 Euro pro Person bekomme die Familie, für ein neues Leben am Hindukusch.

„Was passiert mit uns? Was werden Sie für uns tun?“, fragt ein alter Mann Laschet. Der Mann aus Afghanista­n hofft auf Hilfe Laschets bei seinem Asylantrag. Da kann ihm der nordrhein-westfälisc­he Regierungs­chef nicht helfen. Die Verfahren dauerten lange, aber sie kämen, sagt ihm Laschet. Immer mehr Migranten versammeln sich auch in Kara Tepe in der Hoffnung, dass der fremde Politiker aus Deutschlan­d ihre Rufe hört. Als Laschet das Camp verlässt, winken sie und spenden ihm Applaus.

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FOTO: HÜLSMEIER/DPA Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) besuchte das Lager Kara Tepe auf Lesbos. Seine Visite im überfüllte­n Hauptlager Moria wurde abgebroche­n.

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