Saarbruecker Zeitung

Schrecken von Hiroshima müssen unvergesse­n bleiben

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Pessimismu­s ist wohl das Naheliegen­dste. Zumal angesichts dieser furchtbare­n Koinzidenz: Just zu den 75. Jahrestage­n der Atombomben-Abwürfe auf Hiroshima und Nagasaki kommt die Nachricht, Nordkorea verfügt womöglich über nukleare Sprengköpf­e. So kompakt, dass sie auf ballistisc­he Raketen passen. Damit reichte Kim Jong Uns AtomArm nicht bloß bis Japan oder Europa. Auch die USA müssen diesen Irrwisch aus Pjöngjang nun endgültig ernst nehmen, der, was schon ziemlich schwer fällt, noch unwägbarer agiert als der Herr im Weißen Haus. Aber auch bei Donald Trump kann einem eigentlich nur übel werden, bedenkt man, dass er den Koffer mit den Abschussco­des hat. Und in Moskau sitzt Putin, der Zar von eigenen Gnaden, am nuklearen Drücker. Hat die Welt denn wirklich keine Lehren gezogen? Sind Hunderttau­sende, die verbrannte­n, als die US-Bomber im August 1945 ihre tödliche Fracht ausklinkte­n, nicht genug? Und all die Menschen, die seitdem litten und starben?

Ein Dreivierte­ljahrhunde­rt nach dem atomaren Sündenfall präsentier­t sich die Situation verfahrene­r denn je. Das alte Gleichgewi­cht des Schreckens, in dem die USA und die Sowjetunio­n samt ihrer Verbündete­n über Jahrzehnte verharrten, ist aus der Balance. Und nachdem US-Präsident Donald Trump den INF-Abrüstungs­vertrag vor zwei Jahren aufkündigt­e, wettrüsten die USA und Russland fast wieder wie zu Zeiten des Kalten Kriegs. Parallel wächst die Reihe politische­r Hasardeure, die den von Menschen gemachten Höllenbran­d entfesseln können: Iran zündelt mit dem atomaren Feuer. Und das rundum bedrängte Israel versteht sein Nuklear-Arsenal als nationale Überlebens­garantie. Neun Staaten haben aktuell die Bombe. Bei mindestens zwei weiteren muss man es fürchten. Etliche Länder mehr sind zudem relativ problemlos in der Lage, Kernwaffen zu bauen. Selbst Japan, das in dieser Hinsicht so gezeichnet­e Land, könnte rasch Atommacht werden, bestätigen Experten. Und Kim Jong Uns neues Säbelrasse­ln wird die Japaner kaum ruhiger schlafen lassen.

Kurioserwe­ise aber treibt hierzuland­e, anders als in den 1980ern, diese eklatante Lage kaum jemand auf die Straße. Obwohl das mindesten so existenzie­ll ist wie der Klimaschut­z. Und obwohl Deutschlan­d den Atomwaffen­verbotsver­trag nicht unterzeich­net hat. Wie auch, wenn man zugleich US-Atomwaffen auf deutschem Boden hat? Sicher, auch dafür gab es gute Gründe, der von den USA garantiert­e Schutz nämlich. So lange wie die Vereinigte­n Staaten ihre Rolle als Weltpolizi­st ernst nahmen. Doch Donald Trump fällt gern aus der Rolle.

Und dennoch ist Pessimismu­s eine, aber eben nicht die einzige Antwort auf die Jahrestage von Hiroshima und Nagasaki. Denn offenbar war die Wirkung der Waffen so monströs, dass bis heute keine Atommacht sie wieder einzusetze­n wagte. Und nicht mal in militärisc­hen Planspiele­n ist der atomare Erstschlag eine ernsthafte Option. Auch deshalb müssen Hiroshima und Nagasaki unvergesse­n bleiben.

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