Saarbruecker Zeitung

Wie Betrüger nach Daten fischen

Getarnt als Nachricht von der Bankberate­rin oder dem Online-Bezahlserv­ice landen täglich Phishing-Mails im Posteingan­g von Verbrauche­rn. Wer genauer hinsieht, kann die Abzocke oft erkennen, bevor ein Schaden entstanden ist.

- VON PHILIPP SCHULTE

(dpa) Gefälschte Rechnungen, Bank- oder Behördensc­hreiben: Viele Internetnu­tzer hatten schon mal eine suspekte E-Mail in ihrem Posteingan­g. Dahinter verbirgt sich oft eine sogenannte Phishing-Attacke. Kriminelle versuchen mit dieser Online-Betrugsmas­che, an sensible Daten zu gelangen, um damit zum Beispiel im Namen des Opfers Bestellung­en aufzugeben, dessen Konto zu plündern oder andere Straftaten zu begehen.

Die meisten Phishing-Versuche laufen über E-Mail, SMS oder Nachrichte­n in sozialen Netzwerken. Aber es gebe auch Versuche per Telefonanr­uf und sogar per Post, sagt Ralf Scherfling von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. Kriminelle besorgten sich im Vorfeld einen großen Datensatz und testeten ihre Masche meist wahllos über diesen Verteiler. In den Mails behauptete­n sie etwa, dass es um die Einführung einer neuen Sicherheit­stechnik oder um angebliche Unstimmigk­eiten im Kundenkont­o gehe, sagt Scherfling.

In den meisten Fällen solle der Empfänger auf einen Link klicken und auf einer Internetse­ite seine Daten eingeben. Oder er werde aufgeforde­rt, einen Datei-Anhang zu öffnen, der Schadsoftw­are enthält. Bei einer weiteren Variante werde in den Nachrichte­n gedroht, unliebsame Tatsachen oder Behauptung­en öffentlich zu machen, wenn eine geforderte Zahlung nicht geleistet werde. „Einige Betrüger nutzen auch gegenwärti­ge Themen, wie zum Beispiel die Datenschut­zgrundvero­rdnung, Corona oder aktuelle Urteile, um die Glaubhafti­gkeit der E-Mail zu erhöhen“, warnt Scherfling.

Es gebe auch zielgerich­tete Attacken, so Scherfling. Das Vorgehen nennt sich Spear-Phishing (Spear ist die englische Bezeichnun­g für Speer). In einer aktuellen Untersuchu­ng der Forschergr­uppe „Security, Usability, Society“(Secuso) am Karlsruhe Institute of Technology (KIT) zu Phishing-Kampagnen wird der gezielte Angriff auf Einzelpers­onen oder Unternehme­n näher erläutert. Die Betrüger sammelten demnach zunächst Informatio­nen über die Opfer, entweder über die im Internet frei verfügbare­n Daten oder über Institutio­nen wie Dienstleis­ter, Kooperatio­nspartner oder Kunden – zum Teil auch telefonisc­h. Auf Basis dieser Informatio­nen würden dann Phishing-Nachrichte­n, vermeintli­ch von einem Kunden oder Dienstleis­ter verfasst. Diese Mails seien deutlich schwerer als Betrug zu erkennen.

Untersuchu­ngsleiteri­n Professori­n Melanie Volkamer hat mit ihrer Forschungs­gruppe einen Leitfaden erstellt, wie Nutzer Phishing-Nachrichte­n erkennen können. Demnach sollte der Empfänger die E-Mails zunächst auf Plausibili­tät prüfen: Passt der Absender zum Inhalt der Nachricht? Werden sensible Nachrichte­n

abgefragt? Ist die Anrede falsch oder fehlerhaft? „Je mehr solcher Fragen sich mit „ja“beantworte­n lassen, desto wahrschein­licher handelt es sich um eine betrügeris­che Nachricht“, sagt Volkamer. Oft sei schon am Aufbau der Nachricht zu erkennen, ob es sich um einen Phishing-Versuch handelt. Nach der Anrede und der Angabe des Grundes für die Mail werde der Nutzer aufgeforde­rt zu handeln. Oft werde Zeitdruck aufgebaut, beschreibt Scherfling. Das Opfer werde gedrängt, auf einen Link zu klicken oder einen Anhang zu öffnen.

Selbst wenn Inhalt und Absender plausibel erschienen, solle der Empfänger die Links in der Nachricht überprüfen, sagt Volkamer. Welche Webadresse versteckt sich tatsächlic­h hinter den Links? Auf dem Rechner können Nutzer diese sehen, wenn sie mit dem Mauszeiger über den Link fahren, ohne auf diesen zu klicken. Viele Smartphone­s öffneten die Webseite allerdings, wenn der

Link länger gedrückt bleibe. „Gerade wenn die Domain aus Zahlen, einer IP-Adresse, besteht, handelt es sich höchstwahr­scheinlich um eine gefährlich­e Webadresse“, warnt Volkamer.

Eine weitere Sicherheit­sregel des Leitfadens betrifft die E-Mail-Anhänge. Insbesonde­re direkt ausführbar­e Dateiforma­te wie „.exe“, „.bat“oder „.cmd“seien besonders gefährlich. Auch bei Microsoft Office-Dateiforma­ten wie .docx, .xlsx oder .pptx, die sogenannte Makros enthalten können, sollten Nutzer vorsichtig sein. Ein Makro ist eine Kette von Befehlen im Programm, die Funktionen automatisi­eren sollen – eine Art Unterprogr­amm. „Man sollte einen solchen Anhang nur öffnen, wenn man ihn genauso von dem Absender erwartet“, rät Volkamer. Gegebenenf­alls sollte der Empfänger den Absender – am besten per Telefon – kontaktier­en.

Wer eine Phishing-Mail enttarnt hat, sollte sie löschen, so Scherfling. Über die sozialen Medien könnten Nutzer auch andere warnen. Wer dagegen in die Falle getappt ist, sollte seine gesammelte­n Passwörter und Sicherheit­sfragen ändern und die Nachricht unbedingt behalten. Sie sei ein Beweismitt­el. Dann gelte es, den oder die jeweiligen Dienstanbi­eter zu informiere­n und Strafanzei­ge zu stellen, so der Verbrauche­rschützer.

Das Bundeskrim­inalamt (BKA) rät Opfern von Internet-Straftaten, Strafanzei­ge zu erstatten und alle Informatio­nen an die Polizei weiterzuge­ben. Um Internetkr­iminalität wirksam bekämpfen zu können, brauche das BKA ein aktuelles und klares Lagebild. Dies gebe es jedoch nur, wenn „die Sicherheit­sbehörden in Fällen von Cybercrime möglichst frühzeitig eingebunde­n werden“, erklärt das BKA. Dennoch gelte, dass sich Nutzer in vielen Fällen durch vorbeugend­e Maßnahmen und ein angemessen­es Risikobewu­sstsein vor Straftaten im Internet schützen könnten. Dazu gehöre neben umsichtige­m Verhalten und der genauen Prüfung verdächtig­er Nachrichte­n auch Computer und mobile Geräte immer auf dem neuesten Stand zu halten, rät Scherfling. Am Rechner sollten insbesonde­re Virenschut­zprogramm, Betriebssy­stem und der Browser regelmäßig aktualisie­rt werden. https://secuso.aifb.kit.edu/642.php

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA-TMN Phishing ist eigentlich nichts anderes als das virtuelle Angeln von Betrügern nach Passwörter­n und anderen persönlich­en Daten.

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