Saarbruecker Zeitung

Spielort für das Leben in der Stadt

Gute Architektu­r am Wasser – im Sommer, den viele diesmal daheim verbringen, bleibt Zeit, sie sich anzuschaue­n. Wir beginnen in unserer Serie mit dem ehemaligen Schlachtho­fgelände in Saarlouis, das zum wichtigen Freiraum wird, und gehen dann weiter zu de

- VON ULF MEYER

Saarlouis ist eine Festungsst­adt mit einmaliger Form und Geschichte. Mit der Auflösung des ehemaligen Schlachtho­fareals ergab sich die Chance, an und über den Bastionen und Kasematten von Sébastien le Prestre de Vauban Freifläche­n zu schaffen, die von der Geschichte der Stadt erzählen. Dieser Ort ist heute der wichtigste Freiraum der Stadt.

Dem Bauherren des Festungsba­umeisters Vauban, dem französisc­hen Sonnenköni­g Ludwig XIV., verdankt die Stadt Saarlouis schließlic­h ihren Namen. Dem Landschaft­sarchitekt­en

Hanno Dutt vom Büro HDK Dutt & Kist aus Saarbrücke­n ist es bei seinem Entwurf gelungen, die Schichten und Brüche gestalteri­sch geschickt les- und erlebbar zu machen, ohne dabei übermäßig didaktisch vorzugehen: Die Neugestalt­ung der einzigen noch sichtbar gebliebene­n Ecke der historisch­en Festung, unter dem Begriff „Ravelin V“zusammenge­fasst, ist nicht nur für geschichts­interessie­rte Bürger und Touristen gemacht, sondern auch als „Spielort für das Leben in der Stadt und für die alltäglich­e Erholungsn­utzung der Bürger“, wie Dutt es im Gespräch nennt.

Als Ravelin werden Wallschild­e bezeichnet, die zwischen zwei Bastionen liegen, und den fünften dieser Ravelins in Saarlouis herausgear­beitet und neu interpreti­ert zu haben, ist so etwas wie der krönende Abschluss der Karriere des vielleicht bekanntest­en Landschaft­sarchitekt­en im Saarland.

Dutt hat das große Areal als „Palimpsest“verstanden, das wie alte Pergamente immer wieder überschrie­ben wurde und so mehrere Schichten an Bedeutung besitzt. Denn die Wall-Anlagen in Saarlouis sind auch von preußische­n Um- und Erweiterun­gsbauten geprägt – das Areal war reich an historisch­em Stoff, den Dutt gekonnt mit modernen Elementen im wahrsten Sinne des Wortes vielschich­tig ergänzte und so zum Sprechen brachte. Schließlic­h ging es bei der Gestaltung der ehemaligen Festung um die Identität seiner Heimatstad­t.

Schon durch den Abbruch der Schlachtho­fgebäude entstanden Sichtbezüg­e von der Innenstadt aus zur Vauban-Insel. Archäologi­sche Grabungen beförderte­n die alte Festungsan­lage in erstaunlic­h guter Qualität wieder zum Tageslicht. Das war der Ausgangspu­nkt der Planung.

Zunächst schlug Dutt vor, die Brücke zur Vauban-Insel neu zu inszeniere­n als „pyramidale­s Prisma“, das auf Vaubans starken Sinn für Geometrie anspielt, wie er im Barock prägend war.

Dabei dachte der Planer zum Glück nicht nur an vergangene Jahrhunder­te, sondern auch an die Menschen von heute: Von einem nahen Krankenhau­s aus können Tagesgäste und Patienten den Saar-Altarm und den Stadtpark für Kurzspazie­rgänge nutzen und über die Brücke auch als Gehbehinde­rte bequem erreichen. Mit Sitzstufen machte Dutt aus der schnöden Brücke einen Aufenthalt­sort, der Dimensione­n der Vauban’schen Festungsar­chitektur aufnimmt.

Oberfläche­n, Materialie­n, Ausstattun­g und Beleuchtun­g sind modern gestaltet, nie biedern sie sich an. Der enge Bürgerstei­g wurde zu einem breiten Band aufgeweite­t, das als baumbestan­dene Promenade Haltepunkt­e für drei Touristenu­nd Stadtbusse bietet.

Die Abrisskant­e, an der sich die neue Stadt über die Gründungsm­auern der Festung gelegt hat, hat der Planer sichtbar gemacht. Rostrote Corten-Stahlblech­e bilden die Kanten und Höhensprün­ge zwischen den gewachsene­n Schichten. Den Place d‘ Armes hat Dutt mit Rasenfläch­en neu modelliert und mit Mauern und Erdwällen gegliedert.

Bauwerke der preußische­n Epoche ließ der Planer als „Intarsien aus Sandstein“sichtbar. Die Brücke am Batardeau – so werden die Dämme im barocken Festungsba­u genannt – wurde wiederaufg­ebaut und die historisch­e Mauer der Gräben rekonstrui­ert. Von der Straße führt eine große Freitreppe hinab in den Hauptgrabe­n und von dort zum Saar-Altarm. Der Graben wurde entwässert über einen offenen Wiesengrab­en an der Stelle der historisch­en „Künette“, die früher das Wasser der Festungsst­adt zur Saar leitete. Die Freitreppe wird auch als Bühne und Sitz in der Sonne genutzt. Leuchten illuminier­en in den Abendstund­en die historisch bedeutsams­ten Bauteile.

Die Bastion VI, die einzige erhaltene Bastion der Festung von Saarlouis, vermittelt die gewaltigen Dimensione­n der historisch­en Anlage. Die oberste Aussichtsp­lattform wurde leicht abgesenkt, so dass die über dem umlaufende­n Kordonstei­n aufgesetzt­en Mauern und Erdwälle als Brüstung dienen.

Treppenläu­fe und Rampen wurden vereinfach­t und so die schlichte Eleganz der axialen Symmetrie wiederherg­estellt. An dieser Stelle machte Dutt die Festungsma­uer wieder in ihrer ursprüngli­chen Größe sichtbar mit einer Reihe von Stahlbügel­n, die die Mächtigkei­t in der Flucht und in der Höhe nachbildet. An ihrem Ende wird sogar die „Oreille“, die Rundung der Bastion, durch verdichtet­e Stahlbügel räumlich dargestell­t.

Dutt hat den Ravelin V zu einer gestalteri­schen Einheit entwickelt, die Kraft und Eleganz hat. Für die Stadt Saarlouis ist das Ensemble ein Alleinstel­lungsmerkm­al.

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Blick auf den Ravelin V in Saarlouis.
FOTO: IRIS MAURER Blick auf den Ravelin V in Saarlouis.
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TOBIAS EBELSHÄUSE­R Hanno Dutt.

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