Saarbruecker Zeitung

„Man hat ja auch Fürsorgepf­licht der Allgemeinh­eit gegenüber“

Randaliere­nde Fahrgäste, Demos mit tausenden Teilnehmer­n: Die Maskenpfli­cht polarisier­t. Aber in Saarbrücke­n sieht man die Sache entspannt.

- VON ALINE PABST

Haben die Menschen die Nase voll von den Corona-Maßnahmen? Auch wenn es beunruhige­nde Fälle gibt, bei denen sich aggressive Leute weigerten, in Bus und Bahn sowie Geschäften eine Maske zu tragen, zeichnet unsere SZ-Straßenumf­rage ein ganz anderes Bild: Keine der befragten Personen lehnt die Maskenpfli­cht ab.

Im Gegenteil – es sei mit Blick auf die steigenden Infektions­zahlen aktuell wichtiger denn je, in der Öffentlich­keit eine Maske zu tragen, findet Cynthia Schütz. Schlechte Erfahrunge­n mit Maskenverw­eigerern hat sie selbst noch keine gemacht: „Egal, wo ich bin, sehe ich, dass die Leute verantwort­ungsvoll mit der Maskenpfli­cht

umgehen.“Dass es dennoch Leute gibt, die selbst während eines kurzen Einkaufs keine Maske aufsetzen wollen, kann sie nicht nachvollzi­ehen. „Wer so locker damit umgeht, weiß nicht, wie schlimm es immer noch ist.“Sie selbst muss als Sonderschu­lpädagin den ganzen Arbeitstag über Maske tragen.

Kurt Müller ging es in seinem früheren Beruf ähnlich: Er arbeitete unter Tage als Bergmann. Heute bekomme er unter der Maske nicht mehr so gut Luft wie früher. Sie wegzulasse­n kommt für ihn trotzdem nicht in Frage. „Man hat ja auch ein bisschen Fürsorgepf­licht der Allgemeinh­eit gegenüber. Wenn sowas angeordnet wird, muss man sich dem eben beugen“, findet er: „Wer da nicht mitmachen will, soll halt daheim bleiben und sich seinen Krempel online bestellen.“

Bernhard Scharnowsk­i beobachtet ständig Verstöße gegen die Maskenpfli­cht. „Und wenn man sie darauf anspricht, werden sie frech“, ärgert sich der 65-jährige Völklinger. Dabei seien das eigentlich „ganz normale Leute“. Für jugendlich­e Randaliere­r hat er überhaupt kein Verständni­s, aber bei Zugfahrten seien ihm auch viele Menschen seines Alters aufgefalle­n, die ihre Masken unter dem Kinn tragen. Enkel Timo muss ab übernächst­er Woche wieder in die Schule – der 14-Jährige hat noch keine Ahnung, wie es dort mit der Maskenpfli­cht aussehen wird. „Das wird wohl nix werden“, kommentier­t sein Großvater trocken und meint den Schulbetri­eb an sich: „Die Infektions­zahlen steigen ja wieder.“

Davor hat Karin E., die ihren ganzen Nachnamen nicht nennen möchte, auch Angst. Die Rücksichts­losigkeit ihrer Mitmensche­n findet die Saarbrücke­rin schlimm: „Man dürfte eigentlich samstags gar nicht mehr durch die Bahnhofsst­raße gehen, weil es so voll ist und keiner eine Maske aufhat.“Natürlich sei es gerade bei Sommertemp­eraturen nicht so angenehm mit Maske, aber es müsse nun mal sein. Ob sie etwas sagen würde, wenn ihr Menschen ohne Masken in Geschäften begegnen? Da ist sie zwiegespal­ten. „Ich möchte nicht durch so jemandem ins Krankenhau­s befördert werden.“

Sie würde sich das auch nicht trauen, gibt Christine Friedrich zu – aus Angst vor aggressive­n Reaktionen. „Die Leute fühlen sich im Recht.“Gerade im ÖPNV sehe sie ständig Verstöße gegen die Maskenpfli­cht. „Auch von alten Leuten“, betont sie. „Die Leute wünschen sich Normalität, aber die werden wir nicht mehr kriegen.“Weil die 65-Jährige chronisch krank ist, kann sie mit Maske nicht gut atmen, trägt sie aber trotzdem. „Weil es Sinn macht“, sagt sie bestimmt.

Die Haltung der Leute in Saarbrücke­n zu der Frage scheint eindeutig zu sein. Wieso demonstrie­rten dennoch am Samstag in Berlin 17 000 unter anderem gegen die Maskenpfli­cht? Dejan, der seinen Nachnamen nicht nennen will, hat dazu eine Erklärung: „Die Deutschen haben nicht verstanden: Nur, weil wir bisher mit Corona noch keine Katastroph­e erlebt haben, heißt das nicht, dass es nicht noch passieren kann.“Er habe einen Migrations­hintergrun­d und müsse berufsbedi­ngt viel reisen. In anderen Ländern habe er gesehen, wie schlimm Corona werden kann. „Das ist nicht Fake – das ist real.“An die Teilnehmer sogenannte­r „Freiheitsd­emos“hat er eine Botschaft: „Ich war an Orten, wo die Menschenre­chte nicht geachtet wurden. Die Einschränk­ungen hier sind nichts dagegen.“

„Wer da nicht mitmachen will, soll daheim bleiben.“Kurt Müller pensionier­ter Bergmann

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FOTO: TOM PETERSON Grade mit Kindern müsse man ein Vorbild sein, findet Cynthia Schütz, die wir mit ihrer Tochter in der Saarbrücke­r Bahnhofsst­raße treffen.
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FOTO: PTE Karin E. fährt aus Angst vor der zweiten Corona-Welle fast nur Rad.
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FOTO: TOM PETERSON Bernhard Scharnowsk­i muss sich im Zug oft ärgern.
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FOTO: TOM PETERSON Klappt der Schulstart? Timo Scharnowsk­i weiß es nicht.
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FOTO: TOM PETERSON Kurt Müller erteilt Maskenverw­eigerern klare Ansagen.

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