„Radier oder krepier“– Otto Lackenmacher
Kaum ein anderer Saarbrücker Künstler entsprach dem Klischee des in prekären Verhältnissen lebenden, aber sich ganz und gar seiner Kunst verschreibenden Malers so sehr, wie Otto Lackenmacher. Wegen seines wenig bürgerlichen Auftretens und Lebens blieb ihm die ganz große Anerkennung verwehrt, obwohl er sicher zu den besten Zeichnern, Druckgraphikern und Illustratoren zählt, die das Saarland hervorgebracht hat.
1927 in materiell bedrängten Verhältnissen geboren, wurde er bereits als Kind mit Armut und Prostitution konfrontiert. Im Alter von 14 Jahren studierte der Saarbrücker Junge – als Hochbegabter – an der Schule für Kunst und Handwerk in Trier. Im Krieg musste er als Soldat an die Westfront. Es folgten zwei Jahre Kriegsgefangenschaft, die ihn menschlich und künstlerisch trafen und prägten. Dort entstanden bereits Skizzen und Zeichnungen, die das Leid der Gefangenschaft und Nachkriegszeit zeigen.
Zurückgekehrt nach Saarbrücken studierte Otto Lackenmacher von 1948 bis 1953 an der Schule für Kunst und Handwerk bei Franz Masereel. Da er sich entschieden gegen die abstrakten Strömungen seiner übrigen Lehrer stellte, wurde er nicht in eine der Meisterklassen aufgenommen. Trotzdem erhielt er 1950 zwei Stipendien in der saarländischen Künstlerkolonie der Académie de la Grande Chaumière in Paris und lernte hier die Großstadt als Motiv kennen.
Die klaren, offenen Linoldrucke von eleganten und extravaganten Frauen, die urbane Atmosphäre der Stadt in einer lockeren Liniensprache
zählen zu seinen schönsten Arbeiten. 1951 kehrte er nach Saarbrücken zurück und versuchte, mehr schlecht als recht, als freischaffender Künstler zu leben. Erste Ausstellungen seiner Werke gab es bereits 1947, zahlreiche Präsentationen folgten in Saarbrücken, München, Stuttgart, Paris oder Berlin.
1966 begann er mit einem umfangreichen Radierwerk. Mit den Radierungen gelang es ihm, sich gekonnt in einer schwierigen künstlerischen Sprache auszudrücken. Für seine Radierungen benötigte er auch keine Farbe: Er setzte nun auf ganz klare Kontraste, schwarz und weiß, Licht und Schatten. Sein Strich ist dabei emotional geladen, kompromisslos und provozierend.
Die Motive waren Lackenmacher das Wichtigste. In einer Zeit, in der Abstraktion und Konstruktivismus die Kunstwelt prägten, blieb er der figürlichen Darstellungsweise treu. Seit den Kriegserfahrungen waren seine Zeichnungen seine Überlebensstrategie. Er wollte Gefühle ausdrücken, hautnahes Erleben vermitteln. Er malte, was ihn bewegte, was er lebte und wie er lebte. So tragen seine Arbeiten häufig autobiographische Züge. Sein Leben, seine Welt und seine Motive waren das Großstadtleben, die Hinterhöfe, das Nachtleben, die Außenstehenden, der Alkohol und immer wieder der nackte weibliche Körper, der Akt. Damit hatte er es sehr schwer, künstlerisch anerkannt zu werden.
Er wurde und wird auch heute oft auf seine Prostituierten-Darstellungen und sexuellen, auch pornographischen Arbeiten reduziert. Damit tut man ihm Unrecht. Denn Otto Lackenmachers Werk ist sehr vielseitig. Es finden sich neben Tierdarstellungen Stadtansichten von Saarbrücken und sehr unterschiedliche Illustrationen. So handelt ein Zyklus von Edith Piaf, zugleich widmete er weitere Illustrationen sowohl dem Autor Marquis Donatien de Sade als auch der Bibel. Extremer kann eine Motivwahl kaum ausfallen.
1979 ging Lackenmacher für sechs Monate nach Berlin-Kreuzberg. Ab 1980 widmete er sich vermehrt wieder der Ölmalerei. Aber natürlich sind seine Bilder von käuflicher Liebe
seine bekanntesten Arbeiten. Zuerst in Paris, dann in Saarbrücken und Berlin und zuletzt im Nauwieser Viertel hat er diese Motive nicht nur gefunden, sondern unter ihnen gelebt. Und trotz Perversionen, Gewalttätigkeiten, Elend und Trauer finden sich in diesen Werken auch Zärtlichkeit und Sehnsucht.
Seine letzten Jahre hatte Otto Lackenmacher ein Atelier mit großer Fensterfront im Nauwieser Viertel. Dort konnte man ihn sehen, wie er selbstvergessen und wie besessen gearbeitet hat, mit schwarzen Händen und einem Glas Rotwein auf dem Tisch. „Radier oder krepier“, soll er mal gesagt haben. Lackenmacher starb in seinem Atelier am 2. November 1988.