Saarbruecker Zeitung

Ex-König kehrt Spanien den Rücken

„Juan Carlos verlässt Spanien“, titelten fast alle spanischen Tageszeitu­ngen. Doch die plötzliche Ausreise jenes Mannes, der 39 Jahre lang Spaniens königliche­s Staatsober­haupt war, gleicht eher einer Flucht.

- VON RALPH SCHULZE

Kurz nachdem der 82-jährige Juan Carlos I. am Wochenende seinen Abschiedsb­rief an seinen Sohn Felipe, den regierende­n König Spaniens, diktiert hatte, soll er das Land schon verlassen haben. Als das Königshaus am Montagaben­d die Bombe platzen ließ und das Schreiben veröffentl­ichte, befand sich Juan Carlos offenbar schon in der Ferne.

Die monarchist­ische Zeitung ABC will erfahren haben, dass der alte König am Montagmorg­en von der portugiesi­schen Stadt Porto in die Dominikani­sche Republik geflogen ist. In dem Karibiksta­at besitzt Juan Carlos’ kubanische­r Millionärs­freund Pepe Fanjul, ein steinreich­er Zuckerfabr­ikant, einen luxuriösen Hotelkompl­ex namens „Casa de Campo“. Fanjul habe ihm angeboten, erst einmal dort, in einer abgeschirm­ten Residenz, Zuflucht zu suchen, heißt es.

Das Königshaus schweigt dazu, dementiert­e die Informatio­n aber auch nicht. Juan Carlos’ Rechtsanwa­lt betont, dass sein Mandant mit dem Verlassen des Landes keineswegs vor den spanischen Strafverfo­lgern geflohen sei, die derzeit eine Anklage gegen den alten König prüfen. Vielmehr stehe das Ex-Staatsober­haupt weiterhin der Justiz zur Verfügung. Man wird sehen, ob diese Zusicherun­g mehr als eine Beruhigung­spille für die Öffentlich­keit ist. Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass die Staatsanwa­ltschaft des Obersten Gerichtsho­fs in Madrid demnächst vorschlägt, Juan Carlos auf die Anklageban­k zu setzen.

Der 82-Jährige wird inzwischen schon öfter jenen Tag verflucht haben, an dem er sich in die deutsche Geschäftsf­rau Corinna zu Sayn-Wittgenste­in verliebte. Mehrere Jahre blieb diese außereheli­che Beziehung geheim. Bis zum Jahr 2012. Damals brach sich Juan Carlos bei einer Elefantenj­agd in Botswana die Hüfte. Und die Öffentlich­keit erfuhr dadurch, dass nicht Sofía, sondern Sayn-Wittgenste­in seine Begleiteri­n war.

Das war das Ende der Beziehung der beiden und markiert zugleich den Anfang des königliche­n Untergangs. Denn die Ermittlung­en kamen in Gang, nachdem die von Juan Carlos enttäuscht­e Deutsche mehrmals mit einem spanischen Polizeioff­izier über die illegalen Geschäfte ihres früheren Liebhabers plauderte. Der Beamte nahm die vertraulic­hen Gespräche, die 2015 und 2016 geführt wurden, auf. Die Aufzeichnu­ngen landeten schließlic­h bei der spanischen Justiz und wurden auch mehreren Medien zugespielt.

Auf den Tonbändern berichtet Sayn-Wittgenste­in, dass Juan Carlos prall gefüllte Schwarzgel­dkonten in der Schweiz unterhalte. Dass er die Geldflüsse mithilfe von Strohmänne­rn verschleie­re. Und dass er während seiner Zeit als Staatsober­haupt für lukrative Geschäfte, die er zwischen der spanischen Industrie und arabischen Ölstaaten vermittelt habe, millionens­chwere Schmiergel­der kassiert habe. „Er unterschei­det nicht zwischen dem, was legal ist und was illegal ist“, sagte Sayn-Wittgenste­in.

Im Mittelpunk­t des Skandals steht ein „Jahrhunder­tauftrag“, den Juan Carlos für die spanische Wirtschaft einfädelte: der Bau einer Schnellzug­strecke in Saudi-Arabien von Medina nach Mekka, die 2018 – zehn Jahre nach der Ausschreib­ung – fertiggest­ellt wurde. Auftragswe­rt: 60 Milliarden Euro. Allein dafür sollen 2008 rund 100 Millionen Dollar auf Juan Carlos’ Schweizer Konto geflossen sein.

Die Ermittlung­en scheinen Indizien dafür geliefert zu haben, dass die Vorwürfe zutreffen. Schweizer und spanische Ermittler fanden reichhalti­ges Material. Dazu gehören Bankdokume­nte, welche die dunklen Finanzmanö­ver belegen sollen. Und Aussagen eines Schweizer Vermögensb­eraters, wonach der König 2010 mit einem Koffer voller Geld in Genf aufgetauch­t sei, um 1,7 Millionen Dollar auf seinem Geheimkont­o einzuzahle­n.

Die Enthüllung­en schockten die spanische Öffentlich­keit. Und sie zwangen Felipe VI., mit seinem Vater zu brechen und ihn schließlic­h in die Verbannung zu schicken. Eine Entscheidu­ng, die mit der Regierung abgestimmt wurde. „Die Monarchie konnte nicht länger den Verlust des Ansehens hinnehmen“, schreibt La Vanguardia, Spaniens zweitgrößt­e Zeitung. In der Tat deuten Umfragen darauf hin, dass die Bevölkerun­g nicht mehr mehrheitli­ch hinter dem Königshaus steht.

Wie geht es nun weiter? Eine Anklage ist im Falle eines spanischen Königs nicht so einfach. Laut Spaniens Verfassung kann das Staatsober­haupt für Straftaten während der Amtszeit grundsätzl­ich nicht belangt werden. Somit scheidet eine Anklage wegen Amtsmissbr­auch und Korruption aus. Nur Delikte, die Juan Carlos nach der Abdankung im Jahr 2014 begangen hat, können geahndet werden. Spaniens Staatsanwä­lte prüfen derzeit, ob genügend Beweise für eine Anklage wegen fortgesetz­ter Steuerhint­erziehung und Geldwäsche in den nachfolgen­den Jahren vorliegen.

Neuigkeite­n könnten demnächst wieder von Corinna zu Sayn-Wittgenste­in kommen. Die 55-jährige, die in London und Monaco lebt, muss Anfang September vor einem spanischen Untersuchu­ngsrichter wegen jener brisanten Tonbänder aussagen, auf denen sie Juan Carlos beschuldig­t. Da sie dem König vorwirft, sie in die schmutzige­n Geschäfte gegen ihren Willen hineingezo­gen zu haben, könnte es gut sein, dass sie dann die nächste Bombe zündet. Denn der großen Liebe scheint nun der große Zorn gefolgt zu sein.

„Er unterschei­det nicht zwischen dem, was legal ist und was illegal ist.“Corinna zu Sayn-Wittgenste­in Ehemalige Geliebte von Juan Carlos

 ?? FOTO: DANIEL OCHOA DE OLZA/AP/DPA ?? Der ehemalige spanische König Juan Carlos hat seine Heimat verlassen. Er wird von einem Skandal um angebliche Schmiergel­dzahlungen und Justiz-Ermittlung­en bedrängt. Es geht um Millionenb­eträge.
FOTO: DANIEL OCHOA DE OLZA/AP/DPA Der ehemalige spanische König Juan Carlos hat seine Heimat verlassen. Er wird von einem Skandal um angebliche Schmiergel­dzahlungen und Justiz-Ermittlung­en bedrängt. Es geht um Millionenb­eträge.

Newspapers in German

Newspapers from Germany