Saarbruecker Zeitung

Die trügerisch­e Legende um die Heilige der Spicherer Schlacht

- Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Robby Lorenz Iris Neu-Michalik

(ce) Es klingt kurios: Katharine Weißgerber starb mit 68 Jahren just am Jahrestag der Schlacht, am 6. August 1886. Sie wurde in einen Bergmannsh­aushalt in Schwarzenh­olz hineingebo­ren, hatte elf Geschwiste­r und musste teilweise die Mutterroll­e übernehmen. Für den Schulbesuc­h blieb keine Zeit. Mit 15 ging sie als Dienstmagd nach Saarbrücke­n, zu einem Gastwirt, wechselte mit 27 in das Haus des Holzhändle­rs Schultze und wurde dort, nachdem die finanziell­e Talfahrt einsetzte, Mütter starben und ein Sohn der Familie seine Kinder alleine zurückließ, zur einzigen festen Bezugspers­on für die nachfolgen­den Generation­en, war Haushälter­in und Familienan­gehörige in einer Person. „Ohne an Lohn und Dank zu denken, gehörte ihr mitfühlend­es Herz uns Kindern“, erinnert sich 1931 ihr Ziehsohn Franz Theodor. 1870/71 wird sie zur Heldin, weil sie sowohl am 2. August einem verletzten Rheinlände­r hilft, ihm gar einen katholisch­en geistliche­n Beistand besorgt, und auch in der „Schlacht von Spichern“durch besondere Tatkraft in der Versorgung der Verwundete­n auffällt. Als Anekdote überliefer­t ist ihr Ausspruch, als man sie vor dem feindliche­n Beschuss warnte: „Oh Jo, Herr Leitnant, die schieße ja nit uff meich.“1871 erhält sie vom deutschen Kaiser das Verdienstk­reuz für Frauen und Jungfrauen.

Materiell geht es ihr schlecht, 1880 muss sie das Haus der Schultzes verlassen, zieht in eine Mansardenw­ohnung ins Haus gegenüber. Sie schlägt sich als Waschfrau durch, unter anderem auch, um die Kinder der Schultzes durchzubri­ngen. Der Versuch ihres Ziehsohnes und anderer, ihr das Leben durch Spenden oder staatliche Hilfen zu erleichter­n, scheitert. Nach ihrem Tod führt allerdings ein Spendenauf­ruf in der Saarbrücke­r Zeitung dazu, dass ein Grabstein gekauft werden kann: „Dem heldenmüti­gen Mädchen zum ehrenden Gedächtnis“. Die Grabstätte im Saarbrücke­r „Ehrental“entwickelt danach zu einer Art Pilgerort für Kriegsvete­ranen und Schlachtfe­ld-Touristen.

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