Richter-Fenster in Abtei Tholey eingebaut
Endspurt für die Wiedereröffnung der Abteikirche in Tholey: Die drei Chorfenster von Gerhard Richter werden eingebaut.
Endspurt für die Neueröffnung der Abteikirche in Tholey: Gestern wurden drei Fenster eingebaut, die der Künstler Gerhard Richter gestaltet hat. Die Kirche wird am 19. September mit einem großen Festprogramm wieder eröffnet.
Altarräume kennt man anders, aufgeräumt, still, besinnlich. In dem der Abteikirche von Tholey aber herrscht Gewusel, es wird sich unterhalten, auch fotografiert, und sogar im Stein gebohrt. Beinahe deckenhohe Gerüste stehen vor den ebenso hohen Fenstern, auf dem Boden liegt ein Ballen roten Samtteppichs, noch zusammengerollt und unter durchsichtiger Plastikfolie verpackt. Daneben ist ein ganzes Sammelsurium von Arbeitssachen drapiert, darunter grüne Werkzeugkoffer, ein gelb-blaues Paket mit Stahlwolle, eine rote Rohrzange, weiße Kabel und ein gelb-schwarzer Baustellensauger. Inmitten dieser robusten Gegenstände sticht ein dünne Platte heraus – sie scheint schwarz und versprüht einen Hauch von Rorschachtest, schaut man aber genauer, erahnt man filigrane Muster. Prompt packen vier behandschuhte Arme zu und tragen sie das Gerüst hinauf. Als auf dem Weg nach oben Sonnenlicht einfällt, gibt sich die schwarze Platte als Glasmalerei zu erkennen und entflammt ein Farbenspiel aus schillerndem Blau und Rot. Es folgen weitere, denn in der Kirche werden die ersten beiden der drei Glasfenster nach Entwürfen von Gerhard Richter eingesetzt.
„Ich hätte es mir nie träumen lassen, so etwas erleben zu dürfen“, sagt Abt Mauritius Choriol, der mit einer Gruppe im Chor steht, im Angesicht des 1,95 auf 9,3 Meter großen, ersten fertig montierten Fensters. Richter, einer der teuersten zeitgenössischen Künstler, hatte dem Tholeyer Kloster seine Entwürfe unentgeltlich zur Verfügung gestellt – so wie er auch für die Gestaltung des Südfensters im Kölner Dom kein Honorar genommen hatte. Diese drei Chorfenster sind quasi Kirsche und Sahne zugleich auf einem Kuchen, der aus neuem Klostergarten, renoviertem Kirchturm und sanierter Abteikirche besteht, ermöglicht durch die Stifter-Familie Meiser. Als Zugabe für das, geht es nach der urkundlichen Ersterwähnung von 634, älteste Kloster Deutschlands und seine zwölf Benediktinermönche, fertigt die deutsch-afghanische Künstlerin Mahbuba Maqsoodi 34 figürliche Fenster, die zum Teil bereits eingesetzt sind.
„Aus religiöser Sicht bin ich froh, dass sich Richter für den Altarraum für abstrakte Darstellungen entschieden hat“, sagt Frater Wendelinus Naumann. Eine Gottesdarstellung eines alten Mannes mit langem Bart hätten sich die Mönche nämlich nicht gewünscht. „Es gibt gute Gründe, warum das Mysterium Gottes nicht figürlich gezeigt wird, die Sprachfähigkeit soll erhalten bleiben“, sagt der groß gewachsene Geistliche in seinem schwarzen Ordensgewand und den kurzen grauen Haaren. Für ihn ist Richters Kunst „eine Näherung an den Gottesbegriff, welcher abstrakte Vollkommenheit darstellt“.
Als das Nordfenster eingebaut ist, geht es an das Südfenster, auf der rechten Seite des Chorraumes. Eingesetzt werden die Glasscheiben von oben nach unten. Als sich zwei Arbeiter an den obersten Teil des Südfensters, den Dreipass, machen, werfen sie mit ihren Bewegungen Schatten auf das Fertige, auf dem kaleidoskopartige, blaue Muster tanzen, oder von dem rote Fratzen und engelförmige Gestalten herunterschauen. Die Kirchenfenster basieren auf Vorlagen, die Richter aus der 16-fach gespiegelten Serie seiner digitalen Arbeit für die Publikation „Patterns – Devided – Mirrored – Repeated“entnahm. Ihre Abstraktion lässt viel zu – je nachdem, wo der Betrachter steht oder welche Bildwelten er verinnerlicht hat.
„Nord- und Südfenster sind vor allem in den Farben Rot und Blau gehalten, das Ostfenster in Gelb“, erklärt Raphaela Knein, eine der beiden Geschäftsführerinnen der „Gustav van Treeck - Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei“, in denen die Fenster gefertigt wurden. Sie sind nach intensiver digitaler Vorarbeit als Sandwich-Verglasungen entstanden, dabei wurden verschiedenste Techniken wie das Ätzen von Überfanggläsern, Glasmalereien, Siebdrucken und Sandstrahlarbeiten kombiniert. Aus verschiedenen Farbschichten und einer Trägerscheibe bestehend, sind sie zwischen 13 und 15 Millimeter dünn. „Die Gläser sind alle mundgeblasen, an diesen feinen Nähten hier“, Knein zeigt auf winzige transparente Linien, „sieht man, dass verschiedene Gläser auf eine Ebene geklebt wurden.“Damit dem neuen Kirchenschmuck ein langes Leben ohne Glaskorrosion beschieden ist, anders als den Vorgängern von Bonifatius Köck, soll eine Schutzverglasung Wasser abhalten. Unebenheiten des historischen Mauerwerks wurden durch Walzbleie, in die die Fenster eingefasst sind, ausgeglichen. Sie sorgen, so erklärt Knein, mittels Kamineffekt ober- und unterhalb der Fenster auch dafür, dass sich keine Feuchtigkeit bildet.
Nun, da die Fenster ihren Platz finden, kann Knein auch erleichtert auf die Anfahrt aus München blicken. „Man darf gar nicht darüber nachdenken, was man da geladen hat“, sagt sie verschmitzt, und fügt an, „man fährt sehr viel bewusster und hält sich auf der Autobahn sehr weit rechts“. Die Fenster wurden in mehreren Teilen transportiert, stehend, in stabilen, gitterförmigen Glasreffs verstaut, dazwischen viel Styropor. Das letzte Fenster nach Richters Entwürfen folgt Ende des Monats, sodass alle drei zur Eröffnung ab 19. September inspiziert werden können. In den Fenstern des Langhauses sind dann auch, bis auf drei von 34, die Fenster von Maqsoodi zu sehen.