Saarbruecker Zeitung

Ein Reuiger unter vielen Klimasünde­rn

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Es lässt ja hoffen, wenn nur ein Reuiger unter den Sündern ist. Peter Altmaiers Erkenntnis, dass man im Klimaschut­z „Fehler gemacht und zu spät gehandelt“habe, lässt aufhorchen. Und empört gleichzeit­ig. Der CDU-Politiker redet über eine Zeit, in der er durchgehen­d führendes Mitglied der Regierung war, einmal sogar als Umweltmini­ster. Und Angela Merkel seine „Klima“-Kanzlerin.

Derzeit steuert die Erde eher auf eine Erhitzung um fünf Grad als um drei Grad zu. Einige Kipp-Punkte sind in Bewegung geraten: Die Gletscher und das Grönlandei­s schmelzen, die Permafrost­böden tauen auf. Das 1,5-Grad-Ziel von Paris ist kaum noch erreichbar. Zumal es politisch mehr Rückschrit­t als Fortschrit­t gibt. Die USA sind aus dem Klimaabkom­men ausgestieg­en, Brasilien holzt Urwald ab ohne Gnade, Russland und Saudi-Arabien forcieren die Ölförderun­g und China und Indien nehmen zahlreiche neue Kohlekraft­werke in Betrieb.

Corona hat einen Vorgeschma­ck darauf gegeben, was eine Welt-Krise ist. Es gab massive und schnelle Gegenmaßna­hmen, denn das Virus duldete keinen Aufschub.

Die Klimakrise hingegen kommt schleichen­d, über Jahrzehnte. Deswegen nehmen viele sie nicht wahr – oder wollen sie nicht wahrhaben. Die Verdrängun­g ist enorm. Es gibt weit mehr Klimaleugn­er als „Covidioten“. Aber man muss jetzt in dieses schwere Schwungrad greifen, wenn man noch etwas bewirken will. So wie man das Corona-Virus gleich zu Beginn, in Wuhan, entschloss­en hätte eindämmen müssen.

Diese Erkenntnis kommt spät beim Minister, bei der ganzen Regierung. Dabei ist Altmaier ebenso wie Merkel klimapolit­isch kein Ignorant. Er war bloß zu ängstlich. Es ist kein Nachkarten, wenn man auf die vielen Experten und Umweltschü­tzer hinweist, die schon vor 15 Jahren gewarnt haben, manchmal verzweifel­t, als Merkel und Altmaier zu regieren anfingen. Immer gab es gegen sie zwei zentrale Gegenargum­ente, vor allem aus dem Unionslage­r: nicht im Alleingang. Und: nicht so schnell.

Die Grünen sollten sich Altmaiers Selbstkrit­ik merken und bei künftigen Koalitions­verhandlun­gen mit der Union keine faulen Kompromiss­e mehr zulassen. Sie können süffisant darauf hinweisen, dass man den Koalitions­partner davor bewahren muss, denselben Fehler ein zweites Mal zu machen.

Die notwendige­n Maßnahmen sind klar: Kohleausst­ieg, CO2-Bepreisung, Green Deal in der EU. Der Weg zur CO2-Neutralitä­t muss nicht nur schneller als geplant eingeschla­gen, er muss auch unumkehrba­r werden. Übrigens auch im Verkehrsbe­reich, in der Landwirtsc­haft und im Gebäudesek­tor. Bereiche, in denen Altmaiers Mut auch jetzt noch nicht ausreicht, konkrete Vorschläge zu machen. Wenn nicht anders möglich, müssen Deutschlan­d und Europa klimapolit­isch allein vorangehen. Altmaier hat zu Recht darauf hingewiese­n, dass man 15 Jahre damit vertendelt habe, auf internatio­nale Abkommen zu warten. Noch einmal sollte das nicht passieren. Dann wäre wirklich alles zu spät.

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