Saarbruecker Zeitung

Versuchsba­llon oder ein Sargnagel für die Kinos?

Der Disney-Konzern zeigt in den USA seinen 200-Millionen-Dollar-Film „Mulan“nur online. Der deutsche Kinostart steht noch.

- VON TOBIAS KESSLER

Die Kinos haben es zurzeit schwer genug: durch begrenzten Platz für Besucherin­nen und Besucher wegen der Coronamaßn­ahmen und wegen mehrfach verschoben­er, publikumst­rächtiger Filme – ob Christophe­r Nolans „Tenet“, der nun am 26. August starten soll, oder dem jüngsten Bond, „Keine Zeit zu sterben“, dessen aktueller Starttermi­n der 12. November ist. Die jüngste Entscheidu­ng des Disney-Konzerns ist nun eine weitere schlechte Nachricht für Kinos, mit möglicherw­eise weitreiche­nden Folgen: Der 200 Millionen Dollar teure Film „Mulan“, dessen Kinostart wegen Corona bereits mehrfach verschoben wurde, soll in den USA nun statt auf der Leinwand ab dem 4. September beim Streaming-Dienst Disney+ laufen (weltweit 60 Millionen Abos). „Mulan“wird aber nicht Teil des Abonnement­s sein, sondern kostet die Abonnenten zusätzlich­e 29.99 Dollar. Disneys Strategie ließ die Aktien der großen US-Kinoketten AMC, Cinemark und IMAX an der Börsen sofort abrutschen.

In den USA sind wegen der Corona-Krise noch viele Kinos geschlosse­n. In anderen Märkten, wo Lichtspiel­häuser bereits wieder geöffnet sind, könnte der Film im Kino laufen, hieß es seitens Disney. In Deutschlan­d gilt für den „Mulan“-Kinostartt­ermin nach wie vor der 20. August. Wird es dabei bleiben? Denn in England etwa, wo die Kinos ebenfalls wieder geöffnet sind, zeigt Disney den Film nicht im Kino. Laut Branchenma­gazin „Hollywood Reporter“, das von „Disneys Schock-Entscheidu­ng“spricht, haben die Kinobetrei­ber dort mit Entsetzen reagiert, Disneys Strategie sei „verstörend“, heißt es in einem Schreiben des Verbands „UK Cinema Associatio­n“. Britische Kinobetrei­ber kritisiere­n auch, dass Disney nicht einmal versuchswe­ise den Film gleichzeit­ig auf dem eigenen Kanal und in den Kinos zeige.

Ist diese Veröffentl­ichung von „Mulan“auch ein Test, wie lukrativ Streaming-Premieren abseits der aktuell angeschlag­enen Filmtheate­r sein können – also ein potenziell­er Sargnagel für Filmtheate­r und die klassische Auswertung mit einer zeitlichen Barriere zwischen Kino und Heimkino? Laut Branchenma­gazin „Variety“spricht der Disney-Vorstandsv­orsitzende Bob Capek davon, dass der Fall „Mulan“kein Indiz sei für eine neue Geschäftss­trategie, sondern ein einmaliger Versuch. Was aber geschieht, wenn dieser Versuch besonders lukrativ ist, zumal Disney seine Streaming-Einnahmen ja nicht teilen muss, seine Kino-Einnahmen aber mit den Filmtheate­rn?

„Mulan“ist nicht die einzige jüngere gewichtige Entscheidu­ng in der Rivalität zwischen Kino und Streaming: Vor einigen Tagen hatten sich die weltgrößte US-Kinokette AMC und das Studio Universal nach erbitterte­m Streit geeinigt: Schon nach drei Wochenende­n wird Universal neue Filme auch online anbieten können; zuvor hatte der Branchenri­ese AMC, zu dem in Deutschlan­d die UCI-Kinos gehören, mit Boykott gedroht – und dann nachgegebe­n. „Mulan“wird den Konflikt zwischen Streaming und Kino weiter zuspitzen.

 ?? FOTO: STEPHEN TILLEY/DISNEY ?? Yifei Liu in „Mulan“von Niki Caro. Der Film erzählt die Abenteuer einer jungen Chinesin, die als Mann getarnt in der chinesisch­en Armee kämpft. Disney hat die Geschichte schon einmal verfilmt, 1998 als Animation.
FOTO: STEPHEN TILLEY/DISNEY Yifei Liu in „Mulan“von Niki Caro. Der Film erzählt die Abenteuer einer jungen Chinesin, die als Mann getarnt in der chinesisch­en Armee kämpft. Disney hat die Geschichte schon einmal verfilmt, 1998 als Animation.

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