Das große Sterben vor den Saarbrücker Toren
Vor genau 150 Jahren tobte die Schlacht um den Spicherer Berg.
(mr) Es war ein schöner, wolkenloser Samstag, am Mittag würde die Sonne heiß herunterbrennen. Für etwa 1200 Soldaten sollte es der letzte Tag ihres Lebens sein. Es war vor genau 150 Jahren – der 6. August 1870. Bis zur Nacht würden 850 preußische und 320 französische Soldaten fallen in der Schlacht von Spichern oder der „Bataille de Forbach“, wie sie in Frankreich heißt. 4000 Verwundete gab es auf preußischer, 1660 auf französischer Seite. Insgesamt kostete der Deutsch-Französische Krieg, auch „dank“modernerer Waffen und großer, industrialisierter Heere, knapp 200 000 Menschenleben – bei nur einem halben Jahr vom ersten Waffengang bis zum Waffenstillstand.
Bereits vier Tage vor der Schlacht hatte es Scharmützel bei Völklingen und Saarbrücken gegeben. Kaiser Napoleon III. und sein 14-jähriger Sohn Eugène Louis, genannt Lulu, waren dabei, als die französische Artillerie ein paar Schüsse auf Saarbrücken abfeuerte, der „Lulustein“erinnert daran. Die Stadt, in der es kein nennenswertes Truppenkontingent gab, wurde auch besetzt, allerdings schnell wieder aufgegeben: Das 2. französische Korps unter General Charles Auguste Frossard – der sein Hautquartier im Forbacher Rathaus eingerichtet hatte – bezog lieber südlich Saarbrückens gut zu verteidigende Stellungen auf Hügeln und auch unterhalb davon um die Dörfer Stieringen und Schöneck – was Saarbrücken vor Kriegs-Zerstörungen bewahrt haben dürfte.
Die französische Führung war zögerlich – vielleicht, weil die Rechnung Napoleons III. nicht aufgegangen war, dass man „nur“gegen den unter preußischer Führung stehenden Norddeutschen Bund würde Krieg führen müssen. Denn die vier süddeutschen Staaten Bayern, Baden, Württemberg und Hessen-Darmstadt traten dem Bund bei (aus dem im Januar 1871 das Deutsche Kaiserreich entstand).
Im Raum Saarbrücken zog Preußen, dessen Militär unter Führung von Generalfeldmarschall Helmuth Karl von Moltke stand, schnell weitere Truppen zusammen. Vielleicht wäre das Ganze auf ein längerfristiges gegenseitiges Belauern hinausgelaufen, und womöglich wäre es in den Folgetagen gar nicht zur Schlacht gekommen, da Frankreich am 4. und 6. August empfindliche Niederlagen im Elsass bei Weißenburg und Wörth einstecken musste – zudem nur drei Wochen später bei Sedan die möglicherweise kriegsentscheidende Niederlage. Doch auf preußischer Seite waren Karl Friedrich von Steinmetz und Friedrich Karl Nikolaus von Preußen, die mit Teilen der 1. und 2. Armee heranrückten, übereifrig und befahlen den Angriff, ohne einen Befehl Moltkes aus Mainz abzuwarten. Vermutlich kam der „Schnellschuss“auch daher, dass Vortruppen der 1. Armee, als sie am Morgen die Saar überschritten, die Stärke der französischen Befestigungen unterschätzten.
Die Männer der 14. Division unter Georg von Kameke traf es zuerst: Kameke wollte verhindern, dass sich die französische Artillerie in den Hügeln festsetzte und ließ das 39. und das 74. Regiment entlang der Metzer Straße vorrücken. Dann – am frühen Vormittag – begann das Schießen, als sich die Franzosen an der Goldenen Bremm und bei Schöneck den Preußen entgegenstellten. Am frühen Nachmittag schließlich erstürmten die Preußen unter hohen Verlusten einen Teil des Roten Berges. Mit Zugpferden und unter weiteren Verlusten wurden Kanonen herangeschafft, um die Stellung zu halten. Weitere preußische Einheiten schlossen nun nach und nach zum Kampfgeschehen auf. Die 13. Division hatte die französischen Stellungen um den Forbacher Wald großräumig umgangen, griff gegen 15 Uhr in den Kampf ein, der sich nun zu Gunsten Preußens wendete. Nacheinander mussten die Franzosen die Goldene Bremm, den Roten Berg und den Forbacher Berg aufgeben, im Giffertwald kämpfte Mann gegen Mann.
Gegen 18 Uhr standen etwa 40 Kompanien aus verschiedenen preußischen Regimentern im Kampf. Schließlich gegen 19 Uhr befahl General Frossard den Rückzug aus Stieringen, doch bis der Spuk vorbei war, wurde noch bis in die Nacht um das Dorf herum gekämpft. Zudem erkannten die Franzosen, dass preußische Regimenter ihre Stellungen umgehen und einschließen wollten. Der Druck zum Rückzug stieg. Am nächsten Tag hatten sich die Franzosen komplett zurückgezogen, preußische Truppen zogen kampflos in Forbach ein. Insgesamt hatten sich fast 20 000 preußische und etwa 25 000 französische Soldaten gegenübergestanden. Eine kriegsentscheidende Schlacht war es nicht, die Propaganda stilisierte sie aber zu einer „Heldenschlacht“. Noch heute findet man auf Saarbrücker Straßenschildern die Namen der Beteiligten – natürlich nur der preußischen Offiziere.