Saarbruecker Zeitung

ÖPNV rüstet sich für Schulstart mit Corona im Saarland

Vor fast 29 Jahren starb Samuel Yeboah bei einem Brandansch­lag in Saarlouis. Nach einem Hinweis rollt die Polizei den Fall komplett neu auf und gibt sich selbstkrit­isch.

- VON MICHAEL JUNGMANN

Die 18 Kriminalis­ten der Sonderkomm­ission (Soko) „Welle“arbeiten seit Monaten verdeckt unter absoluter Geheimhalt­ung – auch gegenüber dem eigenen Kollegenkr­eis. Ihr Job: die Ermittlung­en im Mordfall Samuel Yeboah neu aufrollen. Die Arbeit der 23-köpfigen Mordkommis­sion, die 1991 und 1992 beim damaligen Kriminalko­mmissariat Saarlouis eingesetzt war und nach elf Monaten die beiden Aktenordne­r zu dem spektakulä­ren Fall ergebnislo­s schloss, kommt komplett auf den Prüfstand und wird bis ins Detail hinterfrag­t.

Yeboah starb am 19. September 1991 nach einem Brandansch­lag auf das Asylbewerb­erheim im Saarlouise­r Stadtteil Fraulauter­n. Der aus Ghana stammende 27-Jährige hatte viele Freunde, die auch heute noch seiner gedenken. Auf dem Saarlouise­r Friedhof erinnert beispielsw­eise ein Gedenkstei­n an ihn. Schon unmittelba­r nach dem Anschlag auf das Haus, in dem neben Yeboah noch 18 weitere Menschen zum Tatzeitpun­kt waren, wurden die Täter im damals aktiven rechtsextr­emen Milieu vermutet. Das Verfahren wurde aber letztlich von dem zwischenze­itlich verstorben­en Staatsanwa­lt als ungeklärt eingestell­t. Nach SZ-Informatio­nen sind sich die Fahnder heute ziemlich sicher, dass Yeboahs Mörder im rechtsradi­kalen Milieu unterwegs war oder ist. Dafür gibt es offenbar Hinweise. Seit Donnerstag kann die Soko „Welle“auch offen ermitteln. Die Generalbun­desanwalts­chaft, in deren Auftrag sie seit April arbeiten, hat – wie berichtet – auf Anfrage unserer Zeitung bestätigt, dass neue „gravierend­e Anhaltspun­kte auf einen rechtsextr­emistische­n und fremdenfei­ndlichen Hintergrun­d des Anschlags“hindeuten.

Nach Informatio­nen aus Polizei und Justiz soll es sich bei diesen neuen Hinweisen um solche aus der rechten Szene handeln. Angeblich ist diese Spur zum mutmaßlich­en Täterkreis aber nicht so ganz neu, denn die damalige Mordkommis­sion soll bereits entspreche­nde Hinweise gehabt haben. Diese wurden jedoch nach der spärlichen Aktenlage angeblich nicht intensiv, möglicherw­eise sogar nur schlampig oder oberflächl­ich untersucht. Warum auch immer?

Die Polizei hat intern bereits reagiert. „Schonungsl­ose Aufklärung“ ist angesagt. Konkret: Im Fall Yeboah ermittelt die Polizei jetzt auch in eigener Sache. Kripochef Gerald Stock leitet seit wenigen Wochen die interne Arbeitsgru­ppe „Causa“. Vier Kriminalis­ten sind ausschließ­lich damit beschäftig­t, die Arbeitsabl­äufe, einzelne Schritte und Berichte der Ermittler von 1991 und 1992 unter die kritische Lupe zu nehmen. Ein Problem stellt sicherlich die historisch­e Aktenlage dar. Unterlagen zu anderen Kriminalfä­llen, etwa Brandstift­ungen, sind längst vernichtet. Alle Straftaten außer Mord sind zudem verjährt. Dabei muss natürlich berücksich­tigt werden, dass vor 29 Jahren die Polizei anders aufgestell­t und ausgestatt­et war. Mit Schreibmas­chinen, Durchschlä­gen und handschrif­tlichen Vermerken wurde gearbeitet. Demnächst stehen übrigens auch einige Hausbesuch­e bei den Ermittlern von damals an.

Nach heutigen Gesichtspu­nkten würden sicher die Untersuchu­ngen wegen Mordes anders angelegt und strukturie­rt. Als bisheriges Zwischener­gebnis der Untersuchu­ngen in eigener Sache wird polizeiint­ern bereits festgehalt­en, so Informatio­nen unserer Zeitung, dass es damals organisato­rische Defizite gab. Schwachste­llen, Fehler und Pannen scheinen zumindest bereits erkannt. Möglicherw­eise wurde deshalb 1991 ein Hinweis auf die Täter übersehen oder falsch eingeschät­zt.

 ?? FOTO: ANDREAS ENGEL ?? Nach dem Brandansch­lag 1991 demonstrie­ren Tausende Saarländer in Saarlouis gegen Fremdenhas­s.
FOTO: ANDREAS ENGEL Nach dem Brandansch­lag 1991 demonstrie­ren Tausende Saarländer in Saarlouis gegen Fremdenhas­s.
 ?? FOTO: ANDREAS ENGEL ?? Samuel Yeboah, der aus politische­n Gründen aus Ghana nach Fraulauter­n geflüchtet war.
FOTO: ANDREAS ENGEL Samuel Yeboah, der aus politische­n Gründen aus Ghana nach Fraulauter­n geflüchtet war.

Newspapers in German

Newspapers from Germany