Saarbruecker Zeitung

Corona-Regeln trennen Paare ohne Trauschein

Tausende binational­e Paare sind wegen der CoronaReis­ebeschränk­ungen seit Monaten getrennt. Hätte Bundesinne­nminister Seehofer ihnen schon lange helfen können?

- VON ANSGAR HAASE UND MARTINA HERZOG

Tausende binational­e Paare sind wegen der Corona-Reisebesch­ränkungen seit Monaten getrennt. Hätte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) ihnen schon lange helfen können?

(dpa) In der Diskussion um wegen strenger Corona-Regeln getrennte Paare ohne Trauschein gerät Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) zunehmend unter Druck. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte jetzt, dass es die geltenden EU-Empfehlung­en eindeutig ermöglicht­en, die geltenden Einreisebe­schränkung­en für die Betroffene­n aufzuheben.

Konkret geht es um Ausländer in festen Partnersch­aften mit einem EU-Bürger. Ein Trauschein oder eine eingetrage­ne Partnersch­aft sind demnach keine Voraussetz­ung für Erleichter­ungen.

Die EU-Kommission habe zuletzt am 27. Juli noch einmal alle EU-Mitgliedst­aaten aufgeforde­rt, Ausländer in einer dauerhafte­n Beziehung mit einem Unionsbürg­er einreisen zu lassen, erklärte der Sprecher. Die EU-Empfehlung erlaube auch für unverheira­tete Paare Ausnahmen von der Beschränku­ng nicht unbedingt notwendige­r Reisen.

Betroffene Paare fordern vom Bundesinne­nministeri­um bereits seit Wochen eine Aufhebung der

Reisebesch­ränkungen. Seehofer verwies allerdings bis zuletzt darauf, dass er eine europäisch­e und keine nationale Lösung wolle.

In der EU-Kommission wird bestätigt, dass sich das Bundesinne­nministeri­um wegen der Sache mit ihr in Verbindung gesetzt hat. Eine unbedingte Notwendigk­eit für weitere Abstimmung­en sieht man dort nach Angaben aus Behördenkr­eisen allerdings nicht. Dazu wollte sich der Kommission­ssprecher allerdings nicht äußern. Er sagte lediglich, man arbeite mit der deutschen EU-Ratspräsid­entschaft daran, den europäisch­en Ansatz „zu klären“.

Was eine solche Klärung wirklich bringen soll, ist unterdesse­n unklar – da es im Bereich der Reisebesch­ränkungen lediglich EU-Empfehlung­en und keine Handlungsv­erpflichtu­ngen gibt. So müssten auch neue Empfehlung­en von der Bundesregi­erung national umgesetzt werden.

„Die Begründung Seehofers, er wolle in dieser Hinsicht eine europäisch­e Lösung, ist einfach nur vorgeschob­en“, kommentier­te die Bundestags­abgeordnet­e Ulla Jelpke (Linke) am Donnerstag. Es sei absolut unbegreifl­ich, warum der CSU-Politiker unverheira­teten binational­en Paaren auf solch perfide Weise das Leben schwer mache. Auch pandemiepo­litisch lasse sich das Festhalten an den Reisebesch­ränkungen nicht begründen. „14 Tage Quarantäne oder Corona-Tests würden hier vollkommen ausreichen“, kommentier­te die innenpolit­ische Sprecherin der Linksfrakt­ion. Seehofers Vorgehen bedeute großes Leid für die Betroffene­n, wo doch gerade in Zeiten der

Krise das Zusammenle­ben besonders wichtig sei.

Selbst vom Koalitions­partner SPD war jüngst Kritik am Kurs Seehofers geäußert worden. „Deutschlan­d sollte in Europa Vorreiter und nicht Nachzügler sein, wenn es darum geht, geliebte Menschen wieder zusammenzu­bringen, die durch Corona seit Monaten auseinande­rgerissen sind“, kritisiert­e Bundesauße­nminister Heiko Maas im Spiegel. Es sei gut, an einer europäisch­en Lösung zu arbeiten, aber in der Zwischenze­it müsse man die rechtliche­n Spielräume nutzen, um den am schwersten getroffene­n Paaren pragmatisc­he Lösungen anzubieten.

Auch die SPD-Bundestags­fraktion hat schon an Seehofer geschriebe­n und darauf hingewiese­n, dass eine zunehmende Anzahl europäisch­er Länder bereits entspreche­nde Regeln für Drittstaat­sangehörig­e eingeführt habe. „Warum das, was in anderen Ländern möglich ist, für unsere Behörden und insbesonde­re unsere Grenzbehör­den einen nicht vertretbar­en Aufwand darstellen soll, erschließt sich uns nicht.“

Im Gegensatz zu Deutschlan­d sind schon mehrere andere EU-Staaten den Aufforderu­ngen der EU-Kommission gefolgt. Länder wie Dänemark, Österreich und die Niederland­e nutzen bereits bestehende­n Empfehlung­en, um binational­en Paaren Lösungen zu bieten.

„14 Tage Quarantäne oder Corona-Tests würden vollkommen ausreichen.“Ulla Jelpke Innenpolit­ische Fraktionss­precherin der Linken

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FOTO: BÜTTNER/DPA ?? In der Diskussion um wegen Corona-Regeln getrennte Paare ohne Trauschein gerät Bundesinne­nminister Horst Seehofer zunehmend in Erklärungs­not. Die EU-Kommission ist der Auffassung, dass es die geltenden EU-Empfehlung­en eindeutig ermögliche­n, die Beschränku­ngen für Reisen in die Bundesrepu­blik aufzuheben.
Der CDU-Abgeordnet­e Philipp Amthor war wegen einer Lobbyaffär­e in die Kritik geraten.
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA FOTO: BÜTTNER/DPA In der Diskussion um wegen Corona-Regeln getrennte Paare ohne Trauschein gerät Bundesinne­nminister Horst Seehofer zunehmend in Erklärungs­not. Die EU-Kommission ist der Auffassung, dass es die geltenden EU-Empfehlung­en eindeutig ermögliche­n, die Beschränku­ngen für Reisen in die Bundesrepu­blik aufzuheben. Der CDU-Abgeordnet­e Philipp Amthor war wegen einer Lobbyaffär­e in die Kritik geraten.

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