Lufthansa droht mit Abbau von 22 000 Stellen
Carsten Spohr macht die Gewerkschaften für schleppende Spar-Verhandlungen verantwortlich – und verschärft den Kurs.
(dpa) Nach einem weiteren Milliardenverlust hat die staatlich gestützte Lufthansa mit Entlassungen in Deutschland gedroht. Das Ziel der Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen sei nicht mehr realistisch, sagte Vorstandschef Carsten Spohr. Der Konzern will 22 000 Vollzeitstellen abbauen. Wirtschaft
(dpa) Nach einem erneut milliardenschweren Quartalsverlust hat die Lufthansa ihrem Personal erstmals mit betriebsbedingten Kündigungen gedroht. Bei Vorlage der Halbjahreszahlen zeigte sich Vorstandschef Carsten Spohr am Donnerstag enttäuscht über die weiter heftigen Corona-Einschränkungen im Luftverkehr sowie über die schleppenden Verhandlungen zu Sparbeiträgen des Personals in Deutschland. Es sei daher nicht mehr realistisch, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, erklärte der Chef der mit neun Milliarden Euro Staatshilfe gestützten Lufthansa.
Der Zusammenbruch des Flugverkehrs in der Corona-Pandemie hat dem MDax-Konzern im zweiten Quartal einen Nettoverlust von 1,5 Milliarden Euro eingebrockt – im Vorjahreszeitraum stand noch ein Gewinn von 226 Millionen Euro. Einzig das Rekordergebnis der Frachttochter Lufthansa Cargo, die von der stark gestiegenen Nachfrage nach Frachtflügen profitierte, linderte das tiefrote Zahlenwerk. Zur Jahreshälfte beträgt der Konzernverlust damit schon 3,62 Milliarden Euro (erstes Halbjahr 2019: minus 116 Millionen), was auch für das Gesamtjahr einen deutlichen Milliardenverlust erwarten lässt.
Die Liquidität bezifferte Lufthansa einschließlich Staatshilfe auf 11,8 Milliarden Euro. Dem stand zuletzt ein monatlicher Mittelverlust von 550 Millionen Euro gegenüber. Mit einer positiven Entwicklung des Geldflusses rechnet Lufthansa erst gegen Ende des kommenden Jahres.
Das Unternehmen versuche mit allen Mitteln gegenzusteuern, wie Spohr betonte: Die Kosten sollen bis 2023 um 15 Prozent sinken und die Flotte mindestens 100 Flugzeuge kleiner werden, dabei aber das Gleiche leisten wie vergangenes Jahr. Auch von seinen Dienstleistern wie den Flughäfen verlangt der Lufthansa-Konzern Sparbeiträge, wozu bislang nur der Frankfurter Betreiber Fraport nicht bereit sei. Spohr drohte damit, Flüge bevorzugt an günstigeren Flughäfen zu planen.
Beim Personalabbau sei man aber fast nur im Ausland vorangekommen, sodass die Zahl der Konzernbeschäftigten seit einem Jahr um knapp 8300 auf 129 400 gesunken sei. In Deutschland, wo 11 000 der 22 000 einzusparenden Stellen verortet sind, sei bisher kaum etwas passiert. „Es gibt keine Airline auf dieser Welt, die ohne Entlassungen auskommt. Ich wäre gerne die einzige gewesen“, sagte Spohr.
Verantwortlich für die schleppenden Verhandlungen machte er die Gewerkschaften Verdi und Vereinigung Cockpit (VC), mit denen seit Monaten über alternative Sparmöglichkeiten
wie Teilzeit und Ruhestandsregelungen gesprochen wird. Auch die Mitglieder der Kabinengewerkschaft Ufo haben dem erreichten Eckpunkte-Papier, mit dem 2600 Entlassungen verhindert werden sollen, noch nicht zugestimmt. „Es geht mir viel zu langsam“, kritisierte Spohr. „Selbst mit der Bundesregierung waren wir schneller als mit den Gewerkschaften am Boden und im Cockpit.“
Die Gewerkschaften wiesen Spohrs Kritik zurück. Ein Krisenpaket müsse auch die mittelfristige Zukunftsfähigkeit
des Unternehmens sichern und Schutz vor Ausgründungen bieten, forderte Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle. Sie vertritt viele Mitglieder bei der Wartungstochter Lufthansa Technik, für die der Konzern verschiedene Optionen wie einen Teilbörsengang oder die Einbringung in ein Gemeinschaftsunternehmen prüft.
Die Ufo mahnte von der Lufthansa erneut konkrete Umsetzungspläne für Arbeitszeitverkürzungen, Abfindungen sowie Kurzarbeitergeld an. „Jetzt mit Kündigungen zu drohen, ist unnötig und in der Kabine sogar vertragswidrig“, sagte Ufo-Geschäftsführer Nicoley Baublies. Ein Sprecher der VC verwies auf die laufenden Verhandlungen. Erst nach Abschluss könne man sagen, ob es vereinzelte Personalüberhänge gebe. Spohr hatte gesagt, dass allein die Lufthansa-Kerngesellschaft 800 Piloten zu viel an Bord hat.
„Auf diese Situation können wir nicht mit den Methoden, Prozessen und Zeithorizonten der Vergangenheit reagieren“, betonte der Vorstand in einem Brief an die Mitarbeiter. In den kommenden Wochen solle über die endgültige Stilllegung einzelner Flugzeugtypen und Teilflotten entschieden werden. Bereits bekannt sind etwa die Schließungspläne für Germanwings und die deutsche Tochter des Joint Ventures mit Turkish Airlines, SunExpress.
„Wir erleben eine Zäsur des globalen Luftverkehrs“, sagte Spohr. „Vor 2024 rechnen wir nicht mehr mit einer anhaltenden Rückkehr der Nachfrage auf das Vorkrisenniveau.“