Saarbruecker Zeitung

Gibt es ein Recht auf Party – auch in der Pandemie?

Corona hat die Jugend ausgebrems­t, nicht nur in Schule, Studium oder Ausbildung. Die Jugend braucht Räume zum Feiern, fordern Jungpoliti­ker jetzt.

- VON JÖRG RATZSCH Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Robby Lorenz, Martin Wittenmeie­r, Illu oben: istock, Montage: SZ

(dpa) Ausflippen, Tanzen, Party – für die Altersgrup­pe, die es gern besonders lebendig hat, ist die Corona-Zeit eine lähmende Zeit. Teenager und junge Erwachsene dürfen zwar inzwischen wieder ihre Freunde treffen, aber öffentlich feiern geht nur mit angezogene­r Handbremse. Die Partys verlagern sich in Parks, wo Müll anfällt, oder an andere Orte. Manchmal eskaliert es, wie zuletzt in Stuttgart oder Frankfurt.

Wie soll das in den kommenden Wochen und Monaten weitergehe­n, wenn der Sommer irgendwann vorbei ist und damit auch das Feiern im Freien? Fragt man bei den Jugendorga­nisationen der Bundestags­parteien nach, kommen Kritik, konkrete Vorschläge und Warnungen.

Die Linksjugen­d etwa bringt auch bei diesem Thema naturgemäß ein bisschen Kapitalism­uskritik unter:

Die größten Corona-Partys fänden nicht in Clubs, sondern bei Tönnies statt, sagt die Vorsitzend­e Anna Westner. Solange „neoliberal­e Marktfanat­iker“nicht bereit seien, darüber zu reden, halte man es wie die 80er-Jahre Hiphop-Band „Beastie Boys“: „You gotta fight for your right to party – aber natürlich mit Sicherheit­sregeln.“Den Staat fordert sie auf, zum Beispiel Freifläche­n, Brachen oder Parkplätze für Open-Air-Veranstalt­ungen umzufunkti­onieren.

Natürlich sollten Jugendlich­e in Pandemieze­iten möglichst „risikoarm feiern“, findet Georg Kurz, Sprecher der Grünen Jugend. Die Frage sei, welche Möglichkei­ten sie bekämen, das zu tun. Auch er ist der Meinung, Kommunen sollten Freiräume, Angebote und Flächen für Partys schaffen. Geschieht das nicht, könnten Jugendlich­e auf eigene Faust nach Nischen suchen und dabei möglicherw­eise sich und andere gefährden, warnen die Jusos, die SPD-Nachwuchso­rganisatio­n. Es brauche sichere Angebote, die Jugendlich­e nutzen könnten. Dazu zählten zum Beispiel Orte im Freien.

Verständni­s für die Probleme junger Menschen in Corona-Zeiten kommt vom zuständige­n Bundesjuge­ndminister­ium. Der Alltag vieler Jugendlich­er habe sich stark verändert. „Die jungen Menschen, die gerade ihren Schulabsch­luss gemacht haben, zum ersten Mal verliebt sind oder in diesem Sommer zum ersten Mal mit ihren Freunden statt den Eltern in den Urlaub fahren wollten, stehen vor einer völlig neuen Lebenssitu­ation“, sagt eine Sprecherin. Sie wandte sich gegen Pauschalur­teile, Stichwort „Corona-Partys“. „Ein Massenphän­omen, bei dem junge leichtsinn­ige Draufgänge­r alle Sicherheit­s- und Hygienemaß­nahmen fahren lassen, nur um beim Spaß auf ihre Kosten zu kommen, gibt es nicht.“

Nora Gaupp vom Deutschen Jugendinst­itut spricht von einer „gesellscha­ftlichen Aufgabe, Jugendlich-Sein auch unter den Bedingunge­n des Pandemiesc­hutzes zu ermögliche­n“. Es gelte, die Bedürfniss­e und Bedarfe junger Menschen nach Geselligke­it und Freizeitge­staltung mit den Notwendigk­eiten des Infektions­schutzes ins Verhältnis zu setzen und soweit wie möglich zu vereinbare­n. Das sehen auch die meisten befragten Jungpoliti­ker so. Party auf Biegen und Brechen, auch wenn Feiern zu den Privilegie­n der Jugend gehört, will keiner. „Wir sollten jetzt keinen zweiten Lockdown riskieren, indem wir unvorsicht­ig werden“, sagt Tilman Kuban, der Chef der Jungen Union. Man könne sich wieder mit Freunden in Bars, Cafés

oder im Freien treffen. „Diesen Fortschrit­t haben wir erreicht, indem wir alle mitgeholfe­n haben, mehr auf den anderen zu achten und uns gegenseiti­g zu schützen.“

Zu viele Einschränk­ungen sieht dagegen die Junge Alternativ­e, die Nachwuchso­rganisatio­n der AfD. Es werde Angst vor einer zweiten Welle geschürt, sagt der Vorsitzend­e Damian Lohr. Es sei auf Dauer kein tragbarer Zustand, dass junge Menschen einige Erfahrunge­n nicht sammeln könnten. Die Vorsitzend­e der Jungen Liberalen, Ria Schröder, ist zwar der Ansicht, dass es grundsätzl­ich ein „Recht auf Party“gibt. Aber in der Pandemie müsse man Freiheitse­inschränku­ngen in Kauf nehmen. Feiern sei auch mit Abstand und MundNase-Schutz möglich.

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FOTO: PICTURE ALLIANCE Feiern wie vor der Pandemie? Das geht natürlich nicht, sagen Jungpoliti­ker. Dennoch gebe es Möglichkei­ten, dass Jugendlich­e auf ihre Kosten kommen.

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