Saarbruecker Zeitung

„Da zählt jede Sekunde“

Der Bundesauße­nminister warnt nach der Explosion in Beirut vor einer weiteren Destabilis­ierung im Libanon.

- Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Robby Lorenz Iris Neu-Michalik DIE FRAGEN STELLTE HAGEN STRAUSS.

Nach der verheerend­en Explosion in Beirut ist auch die deutsche Hilfe für die betroffene­n Menschen angelaufen. Kein Land könne eine solche Katastroph­e allein bewältigen, so Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) im Gespräch mit unserer Redaktion. Er warnt vor einer weiteren Destabilis­ierung des Libanon.

Herr Minister, Beirut und der Libanon liegen am Boden. Wie wird Deutschlan­d helfen?

MAAS Angesichts dieses Schicksals­schlages helfen wir schnell, gezielt und unbürokrat­isch. Es geht jetzt erst mal um die Linderung der größten Not: Deshalb ist noch am Mittwochab­end ein Team des Technische Hilfswerks nach Beirut gereist, das bei der Bergung von Verschütte­n unterstütz­t. Da zählt jede Sekunde.

Was macht die Bundesregi­erung noch?

MAAS Wir haben als Auswärtige­s Amt dem Deutschen Roten Kreuz 1,5 Millionen Euro Soforthilf­e zur Verfügung gestellt. Das DRK wird damit erstes medizinisc­hes Material wie Ausrüstung für die Ärzte und Medikament­e sowie Notunterkü­nfte für Obdachlose nach Beirut liefern. Die Bundeswehr ist auch in Beirut und hat begonnen, mögliche Einsätze eines Feldlazare­tts und von MedEvac-Flügen vorzuberei­ten. Auch als Europäisch­e Union helfen wir: Die EU-Kommission hat 33 Millionen Euro Nothilfe zugesagt.

Ist nicht auch die Weltgemein­schaft gefordert?

MAAS Kein Land kann so eine Katastroph­e alleine bewältigen. Wir müssen internatio­nal und in der Europäisch­en Union überlegen, wie wir unsere weitere Hilfe aufstellen: bei der Versorgung mit Nahrung und Notunterkü­nften und beim Wiederaufb­au von Hafen und Stadt.

Was bedeutet die Katastroph­e für die Menschen im Libanon?

MAAS Die Menschen im Libanon waren schon vor der Katastroph­e verzweifel­t: Das Land steckt mitten in der schwersten Wirtschaft­skrise seiner Geschichte. Die Corona-Pandemie hatte das Land fest im Griff, die Zahlen sind zuletzt wieder gestiegen. Nun stehen viele Menschen im wahrsten Sinne des Wortes vor den Trümmern ihrer Existenz. Ihnen müssen wir in diesen

schweren Zeiten beistehen.

Kann man Vertrauen in die libanesisc­he Regierung haben, die das Land runtergewi­rtschaftet hat?

MAAS Im Libanon ist es der politische­n Führung bisher nicht gelungen, die dringend benötigten Reformen im Wirtschaft­s- und Finanzsekt­or schlagkräf­tig anzugehen. Wir stehen dazu seit langem im Dialog und sind auch weiterhin bereit, in den Gesprächen mit dem Internatio­nalen Währungsfo­nds zu unterstütz­en. Dafür braucht es aber echten Reformwill­en.

Sehen Sie diesen Willen?

MAAS Jetzt muss es erst einmal darum gehen, die unmittelba­re Not zu lindern. Unsere Maßnahmen orientiere­n sich an den Bedürfniss­en der Bevölkerun­g vor Ort. Wir verfügen als wichtiger humanitäre­r Geber in Libanon über ein dichtes Netz von Hilfsorgan­isationen, mit dem wir eng zusammenar­beiten, um den Menschen gezielt zu helfen.

(epd) Die Bundeswehr stellt zur Bewältigun­g der Explosions­katastroph­e im Libanon ihre „fliegende Intensivst­ation“bereit. Wie das Verteidigu­ngsministe­rium am Donnerstag in Berlin mitteilte, wurde dafür am Stützpunkt Köln-Wahn die für einen Patienten-Lufttransp­ort vorgesehen­e Maschine „StratAirMe­dEvac“in erhöhte Bereitscha­ft versetzt. Außerdem sollte am Morgen ein medizinisc­hes Erkundungs­team der Bundeswehr nach Beirut fliegen.

Die Korvette „Ludwigshaf­en am Rhein“wurde den Angaben nach ferner aus dem derzeitige­n Einsatz bei der UN-Mission Unifil herausgelö­st und lief am frühen Morgen aus Limasol auf Zypern aus. Die Besatzung, zu der auch ein Schiffsarz­t gehört, soll in Beirut ebenfalls Unterstütz­ung leisten. Ein schnell verlegbare­s Luftrettun­gszentrum des Sanitätsdi­enstes der Bundeswehr sei darüber hinaus alarmiert, das in weniger als 96 Stunden dieses mobile Lazarett in Beirut betreiben könne. Die Hilfsmaßna­hmen koordinier­e der Militäratt­aché an der deutschen Botschaft mit dem Krisenstab der libanesisc­hen Streitkräf­te.

 ?? FOTO: ZAHN/IMAGO ?? Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) sichert dem Libanon schnelle, gezielte und unbürokrat­ische Hilfe der Bundesregi­erung zu.
FOTO: ZAHN/IMAGO Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) sichert dem Libanon schnelle, gezielte und unbürokrat­ische Hilfe der Bundesregi­erung zu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany