Kobalt aus dem Kongo und die Frage nach der Moral
Was in Textilfabriken in Bangladesch geschieht oder in Minen im Kongo – dafür sollen bald auch deutsche Firmen verantwortlich sein, wenn ihre Produkte daher stammen.
(dpa) Willy Kitobo hat eine klare Vision. Der kongolesische Bergbauminister will erreichen, dass Umwelt und Gesellschaft beim Abbau von Rohstoffen in dem zentralafrikanischen Staat nicht mehr zerstört werden. „Wir haben zuvor gesehen, dass Ausländer die Bodenschätze ausbeuten und dabei das Ökosystem zerstören“, sagte er und betonte: „Wir wollen, dass nur unter würdigen Bedingungen abgebaute Mineralien zertifiziert und im Namen des Kongos ins Ausland verkauft werden.“So werden nun die für die Elektromobilität wichtigen Kobaltminen im Lande in einen Kodex eingebunden, der über ein Zertifizierungssystem diese negativen Bedingungen eindämmen soll. Der Kongo ist ein Beispiel für eine Problematik, die in Deutschland über das geplante nationale Lieferkettengesetz den Druck auf internationale Akteure zum nachhaltigen Produzieren verstärken soll. Denn der Kleinbergbau geht dort oft mit prekären Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit, großen Umweltrisiken und der Finanzierung militärischer Konflikte einher.
Dabei können Firmen aus Deutschland und anderen Industrieländern Situationen am Anfang ihrer Lieferketten verbessern. Das hat man etwa in Bangladesch gesehen. Vor gut sieben Jahren stürzte dort die achtgeschossige Textilfabrik Rana Plaza ein. Rund 1100 Menschen starben in den Trümmern. Das Unglück schockierte die Welt, Modefirmen fürchteten einen Kundenboykott. So unterschrieben 200 europäische Firmen ein Abkommen für Brandschutz und Gebäudesicherheit. US-Firmen schlossen ein freiwilliges Abkommen für Arbeitersicherheit. Darauf wurden 2266 Fabriken kontrolliert, Alarmanlagen und Feuerlöscher eingebaut. Der gesetzliche Mindestlohn stieg von 5300 Taka auf 8000 Taka (gut 83 Euro) pro Monat. Doch inzwischen ist die Laufzeit der Abkommen vorbei. Von den Textilfabriken in Bangladesch laufe weiterhin viel Färbewasser kaum gereinigt in die Umwelt, sagt Forscher Mohidus Samad Khan von der Bangladesh University of Engineering and Technology. Den Modefirmen sei dies nicht so wichtig gewesen. Es brauche aber ihren Druck für eine Verbesserung.
Zudem droht die Corona-Pandemie gewisse Fortschritte wieder zunichte zu machen. In Bangladesch haben laut Gewerkschafterin Taslima Akhter mehr als 28 000 Fabrikbeschäftigte – hauptsächlich Frauen
– ihre Jobs verloren, nachdem internationale Modeketten coronabedingt viele Aufträge stornierten. Nach jahrelangem Rückgang scheint auch Kinderarbeit in Corona-Zeiten wieder zuzunehmen, wie die Vereinten Nationen warnen. In vielen Ländern haben die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie dazu geführt, dass Erwachsene Arbeit und Einkommen verloren.
Kinderarbeit wird von den Profiteuren nicht gern offen zur Schau gestellt – das zeigte sich auch bei einem Besuch von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) in Indien. Kurz vor Beginn der Corona-Krise in Deutschland hatte er sich ein Bild von den Problemen am Anfang der Lieferkette machen wollen. Arbeitende Kinder sah er mit seiner Delegation dort nicht. Aber es gibt sie, obwohl das offiziell verboten ist.
Nicht jeder ist jedoch glücklich über das neue Lieferkettengesetz. „Wer deutsche Unternehmen pauschal an den Pranger stellt, der leistet einen Beitrag gegen Umweltschutz und gegen die Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem afrikanischen Kontinent“, wettert etwa Stefan Liebing, der Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. Er warnt vor einem Arbeitsplatzabbau durch den Rückzug deutscher Unternehmen. Statt eines nationalen deutschen Gesetzes schlägt er einen Maßnahmen-Mix vor – darunter das auch von Bergbauminister Kitobo umgesetzte Zertifizierungssystem.
Der Kleinbergbau geht
oft mit prekären Arbeitsbedingungen,
Kinderarbeit und großen Umweltrisiken
einher.