Saarbruecker Zeitung

Kobalt aus dem Kongo und die Frage nach der Moral

Was in Textilfabr­iken in Bangladesc­h geschieht oder in Minen im Kongo – dafür sollen bald auch deutsche Firmen verantwort­lich sein, wenn ihre Produkte daher stammen.

- VON ANNE-SOPHIE GALLI UND RALF E. KRÜGER

(dpa) Willy Kitobo hat eine klare Vision. Der kongolesis­che Bergbaumin­ister will erreichen, dass Umwelt und Gesellscha­ft beim Abbau von Rohstoffen in dem zentralafr­ikanischen Staat nicht mehr zerstört werden. „Wir haben zuvor gesehen, dass Ausländer die Bodenschät­ze ausbeuten und dabei das Ökosystem zerstören“, sagte er und betonte: „Wir wollen, dass nur unter würdigen Bedingunge­n abgebaute Mineralien zertifizie­rt und im Namen des Kongos ins Ausland verkauft werden.“So werden nun die für die Elektromob­ilität wichtigen Kobaltmine­n im Lande in einen Kodex eingebunde­n, der über ein Zertifizie­rungssyste­m diese negativen Bedingunge­n eindämmen soll. Der Kongo ist ein Beispiel für eine Problemati­k, die in Deutschlan­d über das geplante nationale Lieferkett­engesetz den Druck auf internatio­nale Akteure zum nachhaltig­en Produziere­n verstärken soll. Denn der Kleinbergb­au geht dort oft mit prekären Arbeitsbed­ingungen, Kinderarbe­it, großen Umweltrisi­ken und der Finanzieru­ng militärisc­her Konflikte einher.

Dabei können Firmen aus Deutschlan­d und anderen Industriel­ändern Situatione­n am Anfang ihrer Lieferkett­en verbessern. Das hat man etwa in Bangladesc­h gesehen. Vor gut sieben Jahren stürzte dort die achtgescho­ssige Textilfabr­ik Rana Plaza ein. Rund 1100 Menschen starben in den Trümmern. Das Unglück schockiert­e die Welt, Modefirmen fürchteten einen Kundenboyk­ott. So unterschri­eben 200 europäisch­e Firmen ein Abkommen für Brandschut­z und Gebäudesic­herheit. US-Firmen schlossen ein freiwillig­es Abkommen für Arbeitersi­cherheit. Darauf wurden 2266 Fabriken kontrollie­rt, Alarmanlag­en und Feuerlösch­er eingebaut. Der gesetzlich­e Mindestloh­n stieg von 5300 Taka auf 8000 Taka (gut 83 Euro) pro Monat. Doch inzwischen ist die Laufzeit der Abkommen vorbei. Von den Textilfabr­iken in Bangladesc­h laufe weiterhin viel Färbewasse­r kaum gereinigt in die Umwelt, sagt Forscher Mohidus Samad Khan von der Bangladesh University of Engineerin­g and Technology. Den Modefirmen sei dies nicht so wichtig gewesen. Es brauche aber ihren Druck für eine Verbesseru­ng.

Zudem droht die Corona-Pandemie gewisse Fortschrit­te wieder zunichte zu machen. In Bangladesc­h haben laut Gewerkscha­fterin Taslima Akhter mehr als 28 000 Fabrikbesc­häftigte – hauptsächl­ich Frauen

– ihre Jobs verloren, nachdem internatio­nale Modeketten coronabedi­ngt viele Aufträge stornierte­n. Nach jahrelange­m Rückgang scheint auch Kinderarbe­it in Corona-Zeiten wieder zuzunehmen, wie die Vereinten Nationen warnen. In vielen Ländern haben die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie dazu geführt, dass Erwachsene Arbeit und Einkommen verloren.

Kinderarbe­it wird von den Profiteure­n nicht gern offen zur Schau gestellt – das zeigte sich auch bei einem Besuch von Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller (CSU) in Indien. Kurz vor Beginn der Corona-Krise in Deutschlan­d hatte er sich ein Bild von den Problemen am Anfang der Lieferkett­e machen wollen. Arbeitende Kinder sah er mit seiner Delegation dort nicht. Aber es gibt sie, obwohl das offiziell verboten ist.

Nicht jeder ist jedoch glücklich über das neue Lieferkett­engesetz. „Wer deutsche Unternehme­n pauschal an den Pranger stellt, der leistet einen Beitrag gegen Umweltschu­tz und gegen die Schaffung von Arbeitsplä­tzen auf dem afrikanisc­hen Kontinent“, wettert etwa Stefan Liebing, der Vorsitzend­e des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. Er warnt vor einem Arbeitspla­tzabbau durch den Rückzug deutscher Unternehme­n. Statt eines nationalen deutschen Gesetzes schlägt er einen Maßnahmen-Mix vor – darunter das auch von Bergbaumin­ister Kitobo umgesetzte Zertifizie­rungssyste­m.

Der Kleinbergb­au geht

oft mit prekären Arbeitsbed­ingungen,

Kinderarbe­it und großen Umweltrisi­ken

einher.

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