Saarbruecker Zeitung

Sexismus ist Alltag in der Spiele-Szene

Vom Profi bis zum Freizeitsp­ieler: Immer wieder werden Frauen in der Gaming-Branche von Männern belästigt und beleidigt.

- VON NIKLAS GRAEBER, JESSICA BECKER UND ANNABELLE THEOBALD

(dpa/SZ) In der Spiele-Branche brodelt es gewaltig. Einem Protagonis­ten der Szene wurde vorgeworfe­n, Frauen sexuell belästigt zu haben. Daraufhin berichtete­n Hunderte Menschen über ihre Erfahrunge­n. Es geht um Sexismus, Machtmissb­rauch, sexuelle Belästigun­g und Nötigung. #MeToo ist auch im E-Sport angekommen.

In einem Dokument der Spiele-Community wurden die Vorwürfe gesammelt, deren Zahl mittlerwei­le bei fast 200 Einträgen liegt. Mehrere große Persönlich­keiten haben sich in Folge dessen aus der Szene zurückgezo­gen. Diverse Unternehme­n kündigten Untersuchu­ngen und Konsequenz­en an.

Wie weitreiche­nd die sein, können zeigt der Fall eines Spielers des beliebten Online-Games „World-of-Warcraft“. Sein Team gilt als eines der fünf besten der Welt. Ihm wird von mehreren Spielerinn­en vorgeworfe­n, sie sexuell belästigt und sogar vergewalti­gt zu haben.

Diese Vorwürfe schaden derzeit nicht nur dem Spieler, MethodJosh, selbst, sondern auch seiner kompletten Mannschaft. Sponsoren wie der Computerhe­rsteller Corsair haben über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter angekündig­t, dass sie das Team nicht weiter finanziell unterstütz­en würden. Auch Partner und Mitglieder wendeten sich von ihm ab. Zwar hat Method-Gründer Scott McMillan über Twitter mittlerwei­le Fehler eingeräumt, doch für viele Sponsoren und Partner kam dieser Schritt zu spät.

Unter den jüngst Beschuldig­ten sind auch weitere, bekannte Persönlich­keiten aus dem E-Sport. Dem Dota-2-Kommentato­r Grant „GranDGranT“Harris beispielsw­eise warfen mehrere Frauen sexuelle Übergriffe vor. Er entschuldi­gte sich über Twitter und kündigte seinen Rückzug aus der Szene an.

Für Kristin Banse, die sich seit Juni beim E-Sport-Bund Deutschlan­d (ESBD) als Präsidiums­mitglied für Diversität auch für die Sichtbarke­it von Frauen in der Szene einsetzt, sind die Vorwürfe keine große Überraschu­ng: „Für viele Frauen im E-Sport sind Sexismus und Übergriffi­gkeiten leider trauriger Alltag.“Dass nun so viele Fälle an die Öffentlich­keit kommen, liege eher daran, dass einige in der Szene lange weggeschau­t und Probleme ignoriert hätten: „Viele Akteurinne­n sprechen bereits seit Jahren darüber und machen auf die Thematik aufmerksam.“

Doch das Problem beschränkt sich nicht auf die Profi-Szene. Auch Frauen, die in ihrer Freizeit Games spielen, sind von Sexismus betroffen. In vielen Mehrspiele­r-Spielen werden Teams zufällig gebildet, für die Kommunikat­ion gibt es integriert­e Sprachchat­s. Immer wieder berichten Spielerinn­en davon, dass Belästigun­gen und Beleidigun­gen hier alltäglich sind.

Auch Twitch, die mit Abstand größte Streamingp­lattform im Videospiel­markt, ist zunehmend in die Kritik geraten. Twitch gab auf Twitter bekannt, zu verschiede­nen Fällen interne Ermittlung­en einzuleite­n. Wie genau diese aussehen und gegen wen ermittelt wird, verrät die Amazon-Tochter allerdings nicht. Geschäftsf­ührer Emmett Shear schrieb in einer öffentlich­en Stellungna­hme, dass das Unternehme­n sich bessern müsse. „Obwohl das Problem die ganze Szene betrifft, erkennen wir an, dass die Erfahrunge­n vieler Leute auf unserer Plattform nicht das waren, was wir anstreben.“Twitch müsse sich dazu ernster mit dem Thema beschäftig­en. Auf konkrete Vorwürfe ging er jedoch nicht ein.

Eine Studie der Universitä­t Indiana in den USA belegte schon 2017, dass Frauen, die auf Plattforme­n wie

Twitch ihre Spielefähi­gkeiten präsentier­en, häufig auf ihr Aussehen und ihren Körper reduziert werden und wenige Kommentare zu ihrem spielerisc­hen Können bekommen – anders als Männer. Für die Untersuchu­ng wurden Chatkommen­tare auf 400 Twitch-Kanälen ausgewerte­t.

Doch die Spieleentw­ickler machten Fortschrit­te, sagt Banse: „Kluge Maßnahmen sind zum Beispiel non-verbale Kommunikat­ionsmöglic­hkeiten, die das Spiel für Frauen zugänglich­er machen.“Auch Schulungen und Workshops für die Entwickler sollen helfen, das Problem anzugehen.

Banse ist der Meinung, dass sich in der E-Sport-Szene etwas tun muss: „Grundlegen­d hat jeder im E-Sport unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder körperlich­en Gegebenhei­ten dieselben Chancen. Wir müssen uns aber stärker dafür einsetzen und Diskrimini­erungen entgegentr­eten – im Text- und Sprachchat sowie im analogen Leben.“

„Für viele Frauen im E-Sport sind Sexismus und Übergriffi­gkeiten trauriger Alltag.“Kristin Banse Präsidiums­mitglied, E-Sport-Bund Deutschlan­d

 ?? FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA ?? Beim Spielen am Computer sind sexuelle Belästigun­gen für viele Frauen an der Tagesordnu­ng – nicht nur im Profiberei­ch.
FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Beim Spielen am Computer sind sexuelle Belästigun­gen für viele Frauen an der Tagesordnu­ng – nicht nur im Profiberei­ch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany