Wer trauernden Kindern im Regionalverband hilft
Im Regionalverband gibt es aktuell keine Trauergruppe für Kinder und Jugendliche, aber seelsorgerische Begleitung.
Es ist ein Vormittag im März vor ein paar Jahren. Der Parkplatz vor dem Friedhof ist voll, und es fahren immer noch jede Menge Autos auf der Suche nach einem Parkplatz vorbei. Währenddessen bewegt sich ein Strom aus einzelnen Gruppen langsam zur Kapelle. Was sich nach einer ganz normalen Vor-Corona-Beerdigung anhört, weist doch eine Besonderheit auf. Es sind Kinder anwesend, denn es wird ein junger Familienvater beerdigt. Kinder sieht man selten auf dem Friedhof. Oft herrscht immer noch eine gewisse Angst, Kinder mit zu einer Beerdigung zu nehmen. „Eltern wollen ihre Kinder schützen“, erklärt Stephan Kohl vom Bestattungsinstitut Pietät von Rüden. Aber: „Kinder sind wesentlich stärker, als man meint.“Seiner Meinung nach haben Kinder auf jeden Fall etwas auf Beerdigungen zu suchen. „Wie erklärt man dem Kind ansonsten, was mit dem Verstorbenen passiert ist?“
„Im Normalfall ist der Tod einer Großmutter oder eines Großvaters die erste Erfahrung von Kindern mit dem Tod“, beschreibt Christian Heinz, Jugendpfarrer der Kirche der Jugend eli.ja in Saarbrücken, seine Erfahrungen bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. In den einzelnen Gruppen in eli.ja sei der Tod zwar immer wieder Thema, vor allem vor Ostern, aber eigene Trauergruppen oder Angebote für trauernde Kinder und Jugendliche gibt es nicht. Das komme daher, dass es bisher noch nicht den Bedarf einer eigenen Gruppe gegeben habe. Der Tod eines Elternteils stelle die große Ausnahme dar in den Gruppen der Kirche der Jugend.
Im gesamten Regionalverband war es nicht möglich, eine Trauergruppe oder spezielle Angebote für trauernde Kinder und Jugendliche, bei denen sie unter ihresgleichen wären, zu finden. Eine Trauergruppe für Kinder und Jugendliche von sechs bis zwölf Jahren hatte die Evangelische Beratungsstelle für Erziehungs-, Partnerschafts- und Lebensfragen des Diakonischen Werks an der Saar in Saarbrücken 2013 ins Leben gerufen, heute existieren weder sie noch die Beratungsstelle mehr. Allerdings bieten viele Bestatter und Gemeinden Trauerbegleitung an.
Stephan Kohl bietet in seinem Bestattungsunternehmen ein Trauermalbuch an, das Kinder gemeinsam mit Eltern oder anderen Erwachsenen ausmalen und ausfüllen können. Außerdem wird angeboten, dass Kinder den Sarg oder die Urne bemalen können und so dem Verstorbenen ein letztes Bild, einen letzten Gruß mitgeben können. Auch findet er es wichtig, Kindern das Thema altersgerecht zu erklären. „Der Tod gehört zum Leben dazu“, sagt Kohl. In seinem Bestattungsinstitut dürfen Kinder auch mit in den Abschiedsraum und auf Wunsch auch den Leichnam berühren, so dass sie spüren können , dass dieser sich ganz kalt anfühlt und sie sich nicht vor ihm fürchten müssen.
Christian Heinz besucht auch regelmäßig mit Gruppen der Gemeinde eli.ja den Bestatter. „Man sollte
das Thema nicht tabuisieren“, meint der Jugendpfarrer. Beim Bestatter können alle Kinder Fragen stellen, nicht nur danach, was biologisch nach dem Tod passiert, sondern auch ganz praktische Fragen. Wie etwa, was zwischen Tod und Beerdigung mit dem Leichnam passiert. Bei solchen Besuchen beginne manchmal ein Einzelner von eigenen Erlebnissen zu erzählen. Dann werde das Thema Tod selbstverständlich in der Gruppe noch genauer besprochen und diskutiert.
Die für ihn schwierigere Situation sei aber, wenn ein Elternteil im Sterben liegt. Dann gebe es noch keine Riten, an denen man sich entlangbewegen kann. „Da gibt es kein Patentrezept.“In so einer Situation sei wichtig zu beachten, dass nur das Kind und die sterbende Person das Recht haben, zu entscheiden, wer über die Erkrankung Bescheid weiß und wer nicht.
Heinz und Kohl sind sich einig, dass das Thema Tod nicht mehr ganz so tabuisiert ist, wie es das einmal war. Und auch in etwas anderem sind sie sich einig: Egal, was man einem Kind über den Tod erzählt, anlügen dürfe man es auf keinen Fall. Wenn man sich dagegen entscheide, ein Kind mit zur Beerdigung zu nehmen, sollte man mit ihm ein eigenes Abschiedsritual vollziehen, rät Jugendpfarrer Heinz. Denn auch Kinder trauern, wenn auch anders als Erwachsene.
„Bei Kindern und Jugendlichen verlaufen Trauerprozesse nicht so kontinuierlich wie bei Erwachsenen. Sie trauern gleichsam auf Raten. Ganz plötzlich bricht die Trauer aus ihnen heraus, wirft sie weinend zu Boden, und genauso plötzlich können sie wieder aufspringen und sich lachend entfernen. Dieses Verhalten schützt Kinder und Jugendliche vor Überbeanspruchung“, erklärte die Pädagogin Gertrud Ennulat einmal den Unterschied zwischen trauernden Kindern und trauernden Erwachsenen.
„Kinder sind wesentlich stärker als man meint.“
Bestatter Stephan Kohl