Saarbruecker Zeitung

Oberfeldwe­bel darf Kriegsdien­st verweigern

Das Verwaltung­sgericht in Saarlouis gab dem Oberfeldwe­bel nach über zweijährig­em Streit Recht.

- VON DANIEL KIRCH

Ein Oberfeldwe­bel der Bundeswehr im Saarland hat sich sein Recht auf Kriegsdien­stverweige­rung vor Gericht erstritten. Das Verwaltung­sgericht Saarlouis gab der Klage statt, nachdem der Antrag 2018 noch abgelehnt worden war.

Ein Oberfeldwe­bel der Bundeswehr im Saarland hat sich sein Recht auf Kriegsdien­stverweige­rung vor Gericht erstritten. Das Verwaltung­sgericht in Saarlouis gab der Klage des Zeitsoldat­en gegen das Bundesamt für Familien und zivilgesel­lschaftlic­he Aufgaben im Juli statt; die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung liegt der SZ nun vor. Die Behörde, besser bekannt unter ihrer früheren Bezeichnun­g „Bundesamt für den Zivildiens­t“, hatte den Antrag auf Kriegsdien­stverweige­rung (KDV) 2018 abgelehnt. In der Urteilsbeg­ründung heißt es nun aber, die Aussagen und Antworten des Sanitätsso­ldaten hätten das Bild eines Mannes gezeigt, „der in einem Zeitraum von vier Jahren erkannt hat, dass er aus anerkennen­swerten moralische­n und seelischen Gründen nicht in der Lage ist, den Wehrdienst mit der Waffe zu leisten“.

Der Mann war 2014 nach einer zivilen Ausbildung zum Rettungssa­nitäter als Feldwebel bei der Bundeswehr eingestieg­en. In seinem KDV-Antrag beschrieb er sich als

Menschen, dem es nur ums Helfen gegangen sei, nicht ums Kämpfen. Sein Interesse am Militär sei durch humanitäre Einsätze geweckt worden. Die Karrierebe­rater der Bundeswehr hätten ihm glaubhaft vermittelt, dass Sanitäter nicht an Kriegshand­lungen teilnehmen.

In einem schleichen­den Prozess über vier Jahre habe er gemerkt, dass der Dienst nicht das sei, was er sich vorgestell­t habe. Je mehr er an Waffen ausgebilde­t worden sei, desto mehr sei er „in einem Strudel der Trauer und der Depression“versunken. Nach der Geburt seines zweiten Kindes im Jahr 2017 habe er eingesehen, dass er nicht in der Lage sein werde, jemals die Waffe gegen einen Menschen zu richten.

Das Bundesamt für Familien und zivilgesel­lschaftlic­he Aufgaben hielt die Aussagen für nicht überzeugen­d. Der Kläger habe seine Umkehr weder durch ein Schlüssele­rlebnis noch durch einen längeren Wandelungs­prozess darlegen können. Als Schlüssele­rlebnis hatte der Soldat den Einsatz in einem Flüchtling­slager an Silvester 2015/16 geschilder­t. Damals habe er mit einem Flüchtling

gesprochen, der bei einem Nato-Angriff seine Frau und eines seiner beiden Kinder verloren habe.

Damit gab sich das Bundesamt nicht zufrieden: Warum bis zum KDV-Antrag 2018 dann noch zwei Jahre vergangen seien? Der Kläger verschweig­e auch, dass er noch

Monate vor seinem KDV-Antrag erklärt habe, zu den EGB-Kräften zu wollen – also zu den Elitekräft­en der kampferpro­bten Fallschirm­jägertrupp­e. Das spreche gegen eine Gewissense­ntscheidun­g, den Dienst mit der Waffe abzulehnen. Der Behörden-Anwalt vermutete, dass der Soldat nur deshalb der Bundeswehr den Rücken kehren wollte, weil er im Zivilleben – er hatte bereits Nebenjobs – mehr Geld verdienen könne.

Am Ende kam er Richter zu einem anderen Bild. Die Angaben des Klägers zu seinem inneren Wandlungsp­rozess seien „bei wohlwollen­der Betrachtun­g überzeugen­d und glaubhaft“. Dass er seinen KDV-Antrag erst spät gestellt und sich noch Monate vorher zu weiteren Ausbildung­en bereit erklärte, wollte der Richter dem Kläger nicht ankreiden. Er habe seine Vorgesetzt­en zufriedens­tellen wollen. Aus Sicht des Richters handelte der Soldat sogar vernünftig, indem er mit seinem KDV-Antrag wartete, bis seine Ehefrau einen Vollzeit-Job hatte und damit der Lebensunte­rhalt der Familie und die Finanzieru­ng des Eigenheims gesichert waren.

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FOTO: BUNDESWEHR/WILKE Der Soldat wurde unter anderem in der Versorgung von Fallschirm­springern ausgebilde­t.

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