Oberfeldwebel darf Kriegsdienst verweigern
Das Verwaltungsgericht in Saarlouis gab dem Oberfeldwebel nach über zweijährigem Streit Recht.
Ein Oberfeldwebel der Bundeswehr im Saarland hat sich sein Recht auf Kriegsdienstverweigerung vor Gericht erstritten. Das Verwaltungsgericht Saarlouis gab der Klage statt, nachdem der Antrag 2018 noch abgelehnt worden war.
Ein Oberfeldwebel der Bundeswehr im Saarland hat sich sein Recht auf Kriegsdienstverweigerung vor Gericht erstritten. Das Verwaltungsgericht in Saarlouis gab der Klage des Zeitsoldaten gegen das Bundesamt für Familien und zivilgesellschaftliche Aufgaben im Juli statt; die schriftliche Urteilsbegründung liegt der SZ nun vor. Die Behörde, besser bekannt unter ihrer früheren Bezeichnung „Bundesamt für den Zivildienst“, hatte den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung (KDV) 2018 abgelehnt. In der Urteilsbegründung heißt es nun aber, die Aussagen und Antworten des Sanitätssoldaten hätten das Bild eines Mannes gezeigt, „der in einem Zeitraum von vier Jahren erkannt hat, dass er aus anerkennenswerten moralischen und seelischen Gründen nicht in der Lage ist, den Wehrdienst mit der Waffe zu leisten“.
Der Mann war 2014 nach einer zivilen Ausbildung zum Rettungssanitäter als Feldwebel bei der Bundeswehr eingestiegen. In seinem KDV-Antrag beschrieb er sich als
Menschen, dem es nur ums Helfen gegangen sei, nicht ums Kämpfen. Sein Interesse am Militär sei durch humanitäre Einsätze geweckt worden. Die Karriereberater der Bundeswehr hätten ihm glaubhaft vermittelt, dass Sanitäter nicht an Kriegshandlungen teilnehmen.
In einem schleichenden Prozess über vier Jahre habe er gemerkt, dass der Dienst nicht das sei, was er sich vorgestellt habe. Je mehr er an Waffen ausgebildet worden sei, desto mehr sei er „in einem Strudel der Trauer und der Depression“versunken. Nach der Geburt seines zweiten Kindes im Jahr 2017 habe er eingesehen, dass er nicht in der Lage sein werde, jemals die Waffe gegen einen Menschen zu richten.
Das Bundesamt für Familien und zivilgesellschaftliche Aufgaben hielt die Aussagen für nicht überzeugend. Der Kläger habe seine Umkehr weder durch ein Schlüsselerlebnis noch durch einen längeren Wandelungsprozess darlegen können. Als Schlüsselerlebnis hatte der Soldat den Einsatz in einem Flüchtlingslager an Silvester 2015/16 geschildert. Damals habe er mit einem Flüchtling
gesprochen, der bei einem Nato-Angriff seine Frau und eines seiner beiden Kinder verloren habe.
Damit gab sich das Bundesamt nicht zufrieden: Warum bis zum KDV-Antrag 2018 dann noch zwei Jahre vergangen seien? Der Kläger verschweige auch, dass er noch
Monate vor seinem KDV-Antrag erklärt habe, zu den EGB-Kräften zu wollen – also zu den Elitekräften der kampferprobten Fallschirmjägertruppe. Das spreche gegen eine Gewissensentscheidung, den Dienst mit der Waffe abzulehnen. Der Behörden-Anwalt vermutete, dass der Soldat nur deshalb der Bundeswehr den Rücken kehren wollte, weil er im Zivilleben – er hatte bereits Nebenjobs – mehr Geld verdienen könne.
Am Ende kam er Richter zu einem anderen Bild. Die Angaben des Klägers zu seinem inneren Wandlungsprozess seien „bei wohlwollender Betrachtung überzeugend und glaubhaft“. Dass er seinen KDV-Antrag erst spät gestellt und sich noch Monate vorher zu weiteren Ausbildungen bereit erklärte, wollte der Richter dem Kläger nicht ankreiden. Er habe seine Vorgesetzten zufriedenstellen wollen. Aus Sicht des Richters handelte der Soldat sogar vernünftig, indem er mit seinem KDV-Antrag wartete, bis seine Ehefrau einen Vollzeit-Job hatte und damit der Lebensunterhalt der Familie und die Finanzierung des Eigenheims gesichert waren.