Das Vertrauen in den Staat steigt in Deutschland stark an
Was halten die Deutschen nach einem halben Jahr Corona vom Staat? Wie sind einzelne Berufsgruppen angesehen? Eine neue Umfrage gibt Aufschluss.
(dpa) Deutschland im Corona-Sommer 2020 wirkt manchmal wie im Ausnahmezustand. Was macht die Krise mit dem Verhältnis der Bürger zum Staat? Eine neue Umfrage des Instituts forsa im Auftrag des Beamtenbunds dbb mit mehr als 2000 repräsentativ ausgewählten Bürgern zeigt die Trends.
Wie hat sich das Vertrauen in den Staat entwickelt?
Der Anteil derer, die meinen, der Staat sei in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen, hat im Vergleich zum Vorjahr von 34 auf 56 Prozent zugenommen. Als überfordert sehen den Staat noch 40 Prozent an – nach 61 Prozent 2019.
Wer vertraut dem Staat, wer nicht? Ost und West unterscheiden sich hierbei kaum noch. So sehen 57 Prozent der Menschen im Osten und 56 im Westen den Staat als fähig an, seine Aufgaben zu erfüllen. Auch Alter spielt hierbei keine Rolle. Wohl aber Bildung: 61 Prozent der Menschen mit Abitur halten den Staat für handlungsstark – aber nur 44 Prozent der Menschen mit Hauptschulabschluss. Für dbb-Chef Ulrich Silberbach ein Weckruf. Menschen mit niedrigem Bildungsabschluss bräuchten mehr Hilfen, fordert er.
Die Anhänger welcher Parteien halten mehr vom Staat?
Hohes Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staats haben vor allem Anhänger von Union, SPD und Grünen – jeweils zu zwei Dritteln. Von den FDP-Anhängern sind es 55 Prozent, bei den Linken 37 – und bei der AfD nur fünf. Die Spaltung hat sich vertieft. 2019 waren noch elf Prozent der AfD-Anhänger überzeugt, dass der Staat seine Aufgaben erfüllen kann – und 38 bis 45 Prozent jener von CDU/CSU, SPD und Grünen.
Überrascht das Vertrauensplus? Zumindest wird seit Jahren das Gegenteil beklagt. Etwa, dass das Vertrauen in die demokratischen Institutionen gesunken sei, wie es etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schon 2018 zum Jahrestag der Grundgesetz-Unterzeichnung sagte. „Distanz zur Politik ist für viele ‚schick’ geworden“, sagte Steinmeier damals. Auch heute zeigen die Demos gegen die Corona-Maßnahmen:
Viele Menschen lehnen den Staat ab.
Wie ist die positivere Sicht auf den Staat dann zu erklären?
Durch die Mehrheitsmeinung. Andere Umfragen zeigen auch viel Zustimmung
zum aktuellen Krisenmanagement der Regierung. Silberbach meint, die Pandemie habe vielen zudem die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Diensts vor Augen geführt. Er meint sogar: „Der Kern unserer Demokratie ist gesund und sehr stabil.“Zuletzt hatte das „Populismusbarometer“der Bertelsmann Stiftung einen antipopulistischen Wandel festgestellt – gestützt durch die politische Mitte. Ansichten, nach denen Volk und Elite gegeneinander stünden und staatliche Institutionen gegen die Bevölkerung gerichtet seien, sind nach Ansicht von Forschern heute weniger weit verbreitet als noch vor wenigen Jahren. Sie gehen aber von einer Radikalisierung von Populisten vor allem am rechten Rand aus.
Mit was sehen viele Menschen den Staat am ehesten als überfordert an? Eine Überforderung bei der Bewältigung der derzeitigen Corona-Krise sehen 16 Prozent derer, die den Staat für überfordert halten. Deutlich mehr, nämlich 22 Prozent dieser Befragten, nennen Schulen und Bildung, 20 Prozent die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Andere Bereiche folgen dahinter.
Welche Berufsgruppen schneiden besonders gut ab?
Seit der ersten Ausgabe der dbb-Befragung 2007 wird dies gefragt – und wieder wird die Liste von den Feuerwehrleuten angeführt. Sie genießen bei 93 Prozent aller Bürger ein hohes Ansehen. Es folgen: Ärzte (87 Prozent), Kranken- und Altenpfleger (87 und 86 Prozent) und Polizisten (82 Prozent). Von Beamten haben nur 37 Prozent der Befragten ein hohes Ansehen – das sind aber immerhin drei Prozent mehr als 2019. Auf den letzten Rängen: Versicherungsvertreter (acht Prozent), Mitarbeiter von Werbeagenturen (elf Prozent) und von Telefongesellschaften (13 Prozent). Verbessern konnten sich Politiker: Von 16 auf 24 Prozent.