Saarbruecker Zeitung

Reul: Dimension rechtsextr­emer Vorfälle in Polizei unterschät­zt

NRW-Innenminis­ter sagt „radikale Aufklärung bis ins kleinste Detail“des Rechtsextr­emismus-Skandals zu. Bislang wurden 30 Beamte vom Dienst suspendier­t.

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(dpa) Nach der Aufdeckung von fünf Chatgruppe­n mit rechtsextr­emen Inhalten bei der nordrhein-westfälisc­hen Polizei hat Landesinne­nminister Herbert Reul (CDU) eingeräumt, das Ausmaß unterschät­zt zu haben. Rechtsextr­emistische Vorfälle, etwa bei Polizisten in Hagen, Hamm oder Gelsenkirc­hen und die jetzt enttarnte Chatgruppe hätten gezeigt: „Offenbar haben wir nicht alles erkannt, vielleicht sogar auch die Dimension unterschät­zt“, sagte Reul am Donnerstag im Landtag in Düsseldorf.

Wegen der Chatgruppe­n sind inzwischen laut Reul 30 Polizisten vorläufig vom Dienst befreit worden. Die

Suspendier­ung einer Beamtin aus der Mülheimer Polizeibeh­örde sei zu den bereits bekannten 29 Fällen noch hinzugekom­men. 14 Beamte sollen aus dem Dienst entfernt werden. Ein von Reul eingesetzt­er Sonderbeau­ftragter soll ein Lagebild zu rechtsextr­emistische­n Tendenzen bei der Polizei erstellen. Bundesweit wird der Ruf nach Maßnahmen laut, wie Rechtsextr­emismus und falsch verstanden­er Korpsgeist in den Reihen der Beamten bekämpft werden können.

„Die Dimension und diese Abscheulic­hkeiten habe ich nicht für möglich gehalten“, sagte Reul. Es handele sich „um übelste, widerwärti­gste neonazisti­sche Hetze“. Reul betonte: „Wir werden das aufarbeite­n, radikal und bis ins kleinste Detail.“Bei den Durchsuchu­ngen am Mittwoch seien 43 Telefone, 19 SIM-Karten, 21 USB-Sticks, 20 Festplatte­n, neun Tablets und neun PCs sowie eine geringe Menge Betäubungs­mittel

beschlagna­hmt worden.

Man müsse sich fragen, warum die Chatgruppe­n, die teils seit 2012 existierte­n, nicht früher aufgefalle­n seien. Ein Problem sei, dass es sich bei den Gruppen um abgeschlos­sene Kommunikat­ionskanäle handele. In einigen Bereichen der Polizei gebe es auch ein „Haltungspr­oblem“und die Angst, Freundscha­ften zu verlieren, wenn man nicht zu den Umtrieben schweige. Die Botschaft aber sei: „Wer schweigt, macht sich mitschuldi­g“, betonte Reul.

SPD und Grüne warfen Reul vor, beim Thema Rechtsextr­emismus in der Polizei zu lange „Scheuklapp­en“aufgehabt zu haben. „Man kann schon lange nicht mehr von Einzelfäll­en sprechen“, sagte die Grünen-Politikeri­n Verena Schäffer. Mindestens 21 Verdachtsf­älle seien bei der NRW-Polizei bekannt geworden.

Grünen-Chef Robert Habeck forderte, gegen „falsch verstanden­en Korpsgeist“unter den Beamten vorzugehen. Eine ganze Dienststel­le sei involviert. Es hätten zwar nicht alle aktiv mitgemacht, aber über Jahre habe niemand etwas dagegen unternomme­n, sagte Habeck. Er forderte einen unabhängig­en Polizeibea­uftragten. Um das Ausmaß rechtsextr­emistische­r und rassistisc­her Netzwerke zu erfassen, brauche es eine regelmäßig­e statistisc­he

Abfrage der Innenminis­terkonfere­nz bei den Ländern.

Das Einstellen rechtsextr­emer Dateien in WhatsApp-Gruppen von Polizisten ist nach Ansicht von Anwälten nicht zwangsläuf­ig strafbar. „Die Rechtsprec­hung ist da nicht einhellig bei der Frage, ob ein Beitrag in einer geschlosse­nen WhatsApp-Gruppe überhaupt eine öffentlich­e Äußerung darstellt“, sagte Rechtsanwa­lt Christoph Arnold. Disziplina­rrechtlich sehe es möglicherw­eise anders aus. „Wenn das Beamte sind, die über eine verfassung­sfeindlich­e Gesinnung verfügen, gehören die nicht in den Polizeidie­nst. Da hat Herr Reul völlig recht.“

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FOTO: DPA NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) zeigte sich schockiert über die Dimension des Rechtsextr­emismus-Skandals.

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