Keine Ausreden, aber auch kein Ausweg
Die deutsche Topspielerin Angelique Kerber ist nach ihrem frühen Aus bei den French Open ratlos und lässt ihre Zukunft offen.
(sid) Angelique Kerber war ratlos, das war an ihrer Miene und ihrer Gestik deutlich abzulesen. „Ganz ehrlich, ich weiß noch nicht, wie es jetzt weitergeht“, sagte die 32-Jährige nach ihrem blamablen Erstrunden-Aus bei den French Open. 3:6, 3:6 in wenig mehr als einer Stunde gegen die weithin unbekannte Slowenin Kaja Juvan – da fehlten Kerber einfach die Worte.
Immerhin: In Ausreden flüchtete sich die frühere Nummer eins der Weltrangliste nicht. „Ich könnte jetzt nach Entschuldigungen suchen,
„Ich könnte jetzt nach Entschuldigungen suchen, aber so bin
ich nicht.“
Angelique Kerber
nach ihrem Aus bei den French Open
aber so bin ich nicht“, sagte Kerber. Klar ist, dass ihr Spiel nicht zu der roten Asche von Paris passt, die bei schlechtem Wetter und Dauerregen noch schwerer und tiefer ist als sonst. Kerber spielte Hartplatz-Tennis, sie wollte die Bälle erlaufen, anstatt wie auf Sand üblich in sie reinzurutschen. Dadurch kam sie gegen Juvan meistens einen Tick zu spät.
Dass auch die äußeren Umstände alles andere als optimal waren, gab Kerber zu, aber das wollte sie ebenfalls nicht als Erklärung für ihre Leistung gelten lassen. Zunächst erzwang der Dauerregen über Paris etliche Verschiebungen, dann dauerte das vorher auf Platz 14 angesetzte Einzel zwischen dem Italiener Lorenzo Giustino und dem Franzosen Corentin Moutet 6:05 Stunden (!) – eine schier endlose Wartezeit für
Kerber und Juvan. „Ich habe mich zehn Mal aufgewärmt und wieder hingesetzt“, sagte die Kielerin: „Aber die Bedingungen sind für alle gleich, damit muss man klarkommen.“
Mit ihrem eigenen Spiel kam sie überhaupt nicht klar. „Ich habe einfach nicht in meinen Rhythmus gefunden“, sagte sie mehrmals. Hinzu kam ihre verheerende Körpersprache auf dem Platz: Kein Aufbäumen, kein „Komm jetzt“, kein sichtbarer Versuch, das drohende Unheil doch noch abzuwenden, stattdessen hängende Schultern und ein fast stoischer Gesichtsausdruck. „Solche Tage gibt es im Leben eines Sportlers“, sagte Kerber: „Man muss halt lernen, damit umzugehen.“
Kaja Juvan, 19 Jahre alt und außerhalb ihrer slowenischen Heimat bisher eher ein Insider-Tipp, musste ihr Allerwelts-Tennis jedenfalls nur geduldig runterspielen und auf Fehler ihrer Gegnerin warten. „Ich bin ein bisschen schockiert von der deutlichen Niederlage“, sagte Eurosport-Expertin Barbara Rittner.
Wie die restlichen drei Monate des Jahres für Kerber aussehen, wie es 2021 weitergeht, all das ließ sie an diesem ungemütlichen Herbstabend offen. „Ich habe für Ostrau (WTA-Turnier vom 19. bis 25. Oktober, Anmerkung der Red.) noch gemeldet. Ob welche dazukommen, wie jetzt die nächsten Wochen bei mir aussehen, kann ich nicht beantworten“, sagte Kerber. Die Frage nach ihrem persönlichen Befinden beantwortete sie einsilbig und doch so vielsagend: „Mir geht’s okay.“
Im Januar wird Kerber 33. Ihr Ziel, nach Melbourne, Wimbledon
und New York auch Paris zu gewinnen und den Karriere-Grand-Slam zu vollenden, scheint unerreichbar. Ob Trainer Torben Beltz, der sie seit ihrer Jugend kennt und zu dem sie nach dreijähriger Trennung im Juli zurückkehrte, den Schalter umlegen kann, ist offen. „Es fängt immer alles bei mir an“, ist einer von Kerbers Lieblingssätzen. In Paris, so schien es, hat irgendetwas aufgehört.