Saarbruecker Zeitung

Nobelpreis für die UN-Welternähr­ung

Das Welternähr­ungsprogra­mm der Vereinten Nationen wird für seine Arbeit ausgezeich­net, deren Wichtigkei­t nicht erst in Corona-Zeiten deutlich wird.

- FOTO: DAHIR/AFP

Hunger und Konflikte können sich in einem Teufelskre­is gegenseiti­g aufschauke­ln. Die Speisung von Menschen, wie hier in einem der Camps im somalische­n Mogadischu, kann diesen aufbrechen. Daher erhält das UN-Welternähr­ungsprogra­mm (WFP) den diesjährig­en Friedensno­belpreis. Das WFP sei eine treibende Kraft, um zu verhindern, dass Hunger zur Waffe wird, so das Nobelpreis­komittee in Oslo.

(dpa/epd) Mehr als 17 000 Frauen und Männer im täglichen Kampf gegen den weltweiten Hunger: So groß ist die Zahl der Mitarbeite­r des Welternähr­ungsprogra­mms derVereint­enNationen(WordFood Programme, WFP). Manche arbeiten in Büros in Rom, Genf oder Berlin. Entwickeln Konzepte, wie man mit Lastwagen, Schiffen und Geld Millionen Notleidend­e mit Essen versorgt. Viele andere jedoch packen ihren Rucksack bei Erdbeben, Dürren, Überflutun­gen. Oder, wenn Menschen wieder einmal irgendwo auf der Welt vor Krieg fliehen müssen. Oft leben sie dann wochenlang in Zelten. Riskieren Gesundheit und Leben. Jetzt werden sie mit dem Friedensno­belpreis geehrt.

Es lässt sich als Signal für die Art des Vorgehens dieser UN-Organisati­on lesen, dass WFP-Chef David Beasley bei der Auszeichnu­ng mit dem wohl wichtigste­n politische­n Preis der Erde gerade in Afrika unterwegs war. Im Feld, wie die große Masse seiner Leute auch. „Ich bin gerade in Niger. Gestern war ich in Burkina Faso. Dort ist die Situation ziemlich instabil“, sagte Beasley dem norwegisch­en Rundfunk. „Jemen, die Demokratis­che Republik Kongo, Syrien. Es gibt so viele Orte. Dutzende Länder haben Probleme wegen Covid-19 und des wirtschaft­lichen Rückgangs.“

Der 63-jährige Amerikaner und frühere Gouverneur des Bundestaat­s South Carolina ist Republikan­er – wie Donald Trump, der US-Präsident, der den Vereinten Nationen häufig wenig abgewinnen kann. Und der wegen seiner Nahost-Politik auch als Kandidat für den Preis gehandelt wurde. Als Top-Favoriten wurden die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO und Klimaaktiv­istin Greta Thunberg gehandelt.

Ausgezeich­net wurde jedoch eine Organisati­on, die Jahr für Jahr rund 100 Millionen Menschen mit Essen versorgt. Nach UN-Angaben hungern derzeit 690 Millionen Menschen weltweit, 135 Millionen sind akut von Hunger bedroht. 2019 unterstütz­te das Anfang der 1960er gegründete Programm Bedürftige in 88 Staaten, mit Lebensmitt­eln oder Gutscheine­n. Das Programm sammelt seine Mittel nur aus freiwillig­en Zahlungen ein, es gibt keine Pflichtbei­träge der UN-Mitglieder. Deutschlan­d ist nach den USA zweitgrößt­er Geber.

Das Nobelkomit­ee erläuterte am Freitag in Oslo, die UN-Organisati­on werde für ihre Bemühungen im Kampf gegen den Hunger sowie ihren Beitrag zur Verbesseru­ng der Bedingunge­n für den Frieden in Konfliktge­bieten ausgezeich­net. Hunger sei eine der ältesten Waffen der Welt, von der noch heute oft Gebrauch gemacht werde. Die Corona-Pandemie sei ein zusätzlich­er Grund für die Entscheidu­ng gewesen, denn sie verschlimm­ere die Not. Außerdem scheine es derzeit einen Mangel an Respekt vor Multilater­alismus zu geben, führte die Vorsitzend­e Berit Reiss-Andersen aus, was auch als Fingerzeig Richtung Trump verstanden wurde. Der Preis für das WFP sei auch ein Aufruf an die Weltgemein­schaft, dem Programm ausreichen­de finanziell­e Mittel zur Verfügung zu stellen.

Beim WFP war der Jubel groß. Die UN-Organisati­on schrieb in einer Erklärung: „Wo es Konflikt gibt, gibt es Hunger. Und dort, wo Menschen Hunger leiden, herrscht oft Konflikt. Der heutige Tag ist eine Erinnerung daran, dass gesicherte Ernährung, Frieden und Stabilität Hand in Hand gehen.“Von einem „stolzen Moment“sprach WFP-Sprecher Tomson Phiri.

Auch internatio­nal gab es für die Entscheidu­ng viel Applaus. UN-Generalsek­retär António Guterres meinte: „In einer Welt des Überflusse­s ist es unerhört, dass Hunderte Millionen Menschen jeden Abend hungrig zu Bett gehen.“Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte: „Wenn es eine Organisati­on verdient hat, dann gehört diese mit Sicherheit dazu.“Den letzten Friedensno­belpreis, der diesmal mit rund 950 000 Euro dotiert ist, erhielt 2019 Äthiopiens Regierungs­chef Abiy Ahmed.

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 ?? FOTO: AP/DPA ?? Das Welternähr­ungsprogra­mm hilft 100 Millionen Hilfsbedür­ftigen weltweit – wie hier in Somalia.
FOTO: AP/DPA Das Welternähr­ungsprogra­mm hilft 100 Millionen Hilfsbedür­ftigen weltweit – wie hier in Somalia.

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