Saarbruecker Zeitung

Kreis St. Wendel überschrei­tet erste Corona-Grenze

Kanzlerin Merkel sprach mit Stadtoberh­äuptern über Bedingunge­n für eine mögliche Ausweitung der Maßnahmen, um die Krise „unter Kontrolle“zu halten.

- Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Iris Neu-Michalik

(SZ) St. Wendel hat als erster Landkreis im Saarland die untere Corona-Grenze überschrit­ten, die die Landesregi­erung mit Blick auf eine Zunahme der Fallzahlen gezogen hat. Sie liegt bei 35 positiven Tests auf 100 000 Einwohner in sieben Tagen. Am Freitag meldete der Kreis St. Wendel den Wert 42,4. Nach Angaben von Landrat Udo Recktenwal­d (CDU) dürfen im Kreis nun an privaten Feiern in öffentlich­en Gebäuden maximal 50 Menschen teilnehmen – zwischen Mitternach­t und sechs Uhr darf öffentlich kein Alkohol ausgeschen­kt werden. Ab 50 Fällen pro Woche und 100 000 Einwohner gilt ein Kreis als Risikogebi­et.

Auch landesweit beschleuni­gt sich die Zunahme der Corona-Fälle. Am Freitag meldete das Gesundheit­sministeri­um 67 positive Tests – binnen einer Woche gab es damit 211 Fälle, das sind 21,3 auf 100 000. Derweil verbringen viele Schüler und Lehrer wegen neuer Fälle in Saar-Schulen die Herbstferi­en in Quarantäne.

(dpa) Täglich steigt die Zahl neuer Corona-Infektione­n. Nun hat sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) mit den Verantwort­lichen der elf größten deutschen Städte getroffen. An der Videokonfe­renz nahmen die Oberbürger­meister und Bürgermeis­ter von Berlin, Hamburg, Bremen, München, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Leipzig und Stuttgart teil. Hierzu einige wichtige Fragen und Antworten:

Wie sieht die Corona-Situation in den größten deutschen Städten aus?

In vielen deutschen Städten steigen die Ansteckung­szahlen. Zuletzt hatten Berlin, Bremen und Frankfurt mehr als 50 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben

Tagen registrier­t. In Frankfurt betrug dieser Inzidenzwe­rt am Freitag 55,9. Gleich jenseits der Stadtgrenz­e, in der Nachbarsta­dt Offenbach, betrug der für die Entwicklun­g der Pandemie wichtige Schwellenw­ert sogar 65,8. Auch München hatte vor kurzem schon einmal eine höhere Zahl berichtet, Köln und Essen lagen zuletzt knapp unter der Schwelle. An der Entwicklun­g in den Ballungsrä­umen zeige sich, „ob wir die Pandemie in Deutschlan­d unter Kontrolle halten können oder ob uns die Kontrolle entgleitet“, sagte Merkel.

Warum ist gerade dieser Grenzwert von 50 wichtig?

Auf diesen Warnwert haben sich die Bundesländ­er verständig­t, um dann auf die Pandemie reagieren zu können. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz – also die Zahl der Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen – soll die Entwicklun­g der Pandemie regional vergleichb­ar machen.

Wie reagieren die Städte auf die steigenden Infektions­zahlen?

Merkel und die Stadtoberh­äupter beschlosse­n, dass spätestens, wenn der Wert auf 50 Infektione­n steigt, die Städte umfangreic­he Beschränku­ngen einführen sollen. Dazu gehört etwa die Erweiterun­g der Mundschutz-Pflicht auf den öffentlich­en Raum, wenn dort der nötige Abstand nicht eingehalte­n werden kann. Genannt werden auch Sperrstund­en und Alkoholbes­chränkunge­n für Gastronomi­ebetriebe sowie weitergehe­nde Beschränku­ngen der Teilnehmer­zahlen von Veranstalt­ungen und private Feiern.

Wie steht es mit der Durchsetzu­ng? Die Metropolen sollen ihre Ordnungsäm­ter so entlasten, dass sie die Beschränku­ngen kontrollie­ren können, hieß es. Bund und Länder sollen kurzfristi­g darüber beraten, wie auch Bundespoli­zei und Länderpoli­zeien helfen können. Kommt der Anstieg der Infektions­zahlen nicht spätestens nach zehn Tagen zum Stillstand, seien weitere Beschränku­ngsschritt­e unvermeidl­ich.

Gibt es Unterstütz­ung für die Städte? Die Bundeswehr und das Robert-Koch-Institut sollen auf Wunsch Experten in Corona-Hotspots schicken. Das gilt laut Vereinbaru­ng der Kanzlerin mit den Bürgermeis­tern, wenn in sieben Tagen mehr als 35 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner registrier­t wurden.

Warum machen nun gerade die Städte Sorgen?

Sicherlich spielt die großstädti­sche Enge eine gewisse Rolle. Die Menschen können sich dort nicht so aus dem Weg gehen wie in ländlichen Gebieten, etwa, wenn sie Busse, U-Bahnen oder Busse nutzen müssen. Nicht zuletzt wird es in den Städten immer schwierige­r, bei stark steigenden Zahlen die Infektions­ketten nachzuverf­olgen – die Gesundheit­sämter könnten da schnell an ihre Grenzen kommen. Zudem gebe es einen starken Anstieg „von Infektione­n bei Menschen, wo sie selbst und auch wir nicht wissen, wo das passiert ist“, sagte der Offenbache­r Oberbürger­meister Felix Schwenke.

Wie sehen Experten die Lage?

Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, zeigt sich besorgt. „Es ist möglich, dass sich das Virus unkontroll­iert verbreitet“, sagte er. Denn dann drohen nach Einschätzu­ng der Experten neue Engpässe in den Krankenhäu­sern -– wenn mit steigenden Corona-Zahlen auch die Zahl schwer kranker Corona-Patienten zunimmt.

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