Rosinenbomber-Held feiert 100. Geburtstag
Als Rosinenbomber-Pilot ging Gail Halvorsen in die Geschichte ein. Am Samstag feiert „Onkel Wackelflügel“seinen 100. Geburtstag.
Als „Onkel Wackelflügel“prägte Gail Halvorsen die deutsche Nachkriegsgeschichte. Zu seinem 100. Geburtstag hat der US-Pilot, der als Erster Süßigkeiten über dem besetzten Berlin abwarf, noch einen großen Wunsch.
SAN FRANCISCO/PROVO (dpa) Ein paar Brocken Deutsch spricht der „Candy Bomber“immer noch. „Das ist meine zweite Heimat“, sagt Gail Halvorsen mit verschmitztem Lächeln. Ob er denn seinen 100. Geburtstag gerne in Berlin feiern würde? „Natürlich“, antwortet der ehemalige US-Pilot mit breitem amerikanischen Akzent. Kurz vor seinem runden Jubiläum zeigt Halvorsen in einem Videogespräch stolz seine über 70 Jahre alte grüne Uniformjacke. Sie ist mit Orden gespickt, dazu das Große Bundesverdienstkreuz.
Mit fast 280 000 Flügen brachten Amerikaner, Briten und Franzosen von Juni 1948 bis Mai 1949 den mehr als zwei Millionen Einwohnern Lebensmittel und Kohle. Und Candy – Süßkram. Es war Halvorsens Idee, während der sowjetischen Blockade Süßigkeiten für die Kinder abzuwerfen. Als erster „Candy Bomber“wurde der junge Pilot zum Symbol für die Hilfsaktion.
Die Idee kam ihm, als er eines Tages am Ende des Rollfelds auf dem früheren Flughafen Tempelhof eine Gruppe Kinder hinter einem Stacheldrahtzaun traf. „Ich hatte noch zwei Streifen Kaugummi, die sie sich in kleinen Stücken teilten“, erzählt Halvorsen. „Ich versprach ihnen, am nächsten Tag mehr Süßigkeiten abzuwerfen. Und weil ja alle paar Minuten ein Flugzeug landete, würde ich als Erkennungszeichen beim Anflug mit den Flügeln wackeln.“Von da an hatte er den Spitznamen „Onkel Wackelflügel“(Mr. Wigglywing).
Eine große Kinderschar ist auch bei seinem 100. Geburtstag dabei. Halvorsen hat fünf Kinder, 24 Enkel und 59 Urenkel. Auch Fans in Deutschland sind vom Auswärtigen Amt dazu eingeladen, Geburtstagsgrüße in Form kurzer Videos zu schicken.
Am Flughafen Frankfurt steht ein Denkmal für die Luftbrücke. Von der dortigen Rhein-Main-Base flogen die Maschinen damals im südlichen Luftkorridor nach Berlin. Die Landesregierung ehrte Halvorsen mit dem Hessischen Verdienstorden.
Kathrin Röschel hat eine besondere Verbindung mit der Halvorsen-Familie. Bis Anfang 2020 leitete sie fünf Jahre lang die Gail-S.-Halvorsen-Schule in Berlin-Dahlem.
Der Namensgeber der Schule war bei seinen Reisen nach Deutschland dort häufig Gast. „Gail ist eine Art Rock-Star“, sagt Röschel. „Das ist wirklich bewegend, wie er die Schüler völlig in seinen Bann zieht.“Zuletzt besuchte Mr. Wigglywing die Berliner Schule im Mai 2019. „Er konnte den Schülern glaubhaft vermitteln, um was es damals eigentlich ging: Dass ein Amerikaner, der kurz zuvor noch Feind war, den Kindern die Hand ausstreckte.“Halvorsens süße Geste war beste Werbung
für die Berliner Luftbrücke, sie half der deutsch-amerikanischen Freundschaft mit auf die Sprünge. Aus den USA kamen mehr und mehr Spenden, Süßes und Taschentücher. Die Kameraden des Piloten halfen mit. Mehr als 23 Tonnen Schokolade und Bonbons warfen sie in den nächsten Monaten ab. Im Minutentakt flogen die Maschinen mit Lebensmitteln West-Berlin an. Es war ein riesiges und auch ein riskantes Unterfangen.
Mit Deutschland ist Halvorsen immer verbunden geblieben. Anfang der 1970er-Jahre war er vier Jahre lang Kommandant des Flughafens Tempelhof, den er als „Candy Bomber“angeflogen hatte. Nach diesem letzten Einsatz und mehr als 8000 Militär-Flugstunden setzte er sich zur Ruhe.
Und was wünscht er sich zu seinen runden Geburtstag? „Gesundheit und noch viel Zeit mit meiner Familie“, sagt der rüstige Jubilar. Natürlich gehört auch etwas Süßes dazu. Sein Lieblings-Candy in den USA ist ein Schokoriegel mit Erdnüssen und Karamell. Und in Deutschland? „Marzipan“, so die blitzschnelle Antwort. „Dort gibt es viel bessere Süßigkeiten als bei uns“, fügt er schelmisch hinzu.
Die Corona-Pandemie hat derzeit alle Reisepläne auf Eis gelegt. Doch auch mit 100 Jahren gibt Halvorsen die Hoffnung auf einen weiteren Besuch in seiner „zweiten Heimat“nicht auf. „Es ist mein größter Wunsch, noch einmal nach Berlin zurückzukehren.“