Durchatmen vor der nächsten Corona-Prüfung
Nach zehn Wochen Unterricht unter Bedingungen der Pandemie beginnen im Saarland die Herbstferien.
SAARBRÜCKEN/NEUNKIRCHEN/HOMBURG Die Zahlen klingen alarmierend: Mehr als 841 Schüler, Lehrer und weiteres Schul-Personal im Saarland befinden sich derzeit in Corona-Quarantäne, in den Kitas sind es 172 Personen. Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) lässt sich dennoch nicht beunruhigen. „Wir sind insgesamt gut durch die ersten Wochen des Schulund Regelbetriebs unter Pandemiebedingungen gekommen“, sagt sie. Zumindest eine Zahl ist rückläufig. Vor zwei Wochen mussten noch 2512 Schüler und Lehrer von zu Hause aus lernen beziehungsweise lehren. Auch waren damals drei Schulen im Land und zwei Kitas komplett geschlossen.
Mittlerweile sind alle Schulschließungen wieder aufgehoben, eine Kita ist derzeit geschlossen Auch das geht aus einer aktuellen Auflistung des Ministeriums hervor, die auf Daten von Donnerstagmorgen fußt. Allerdings haben sich seit Beginn des neuen Schuljahrs mittlerweile 98 Menschen, die im Saarland zur Schule oder Kita gehen beziehungsweise dort arbeiten, mit dem Corona-Virus infiziert, vor zwei Wochen waren es noch 69 gewesen.
Jessica Heide, die die Ganztagsgrundschule Dellengarten in Saarbrücken leitet, sagt denn auch voraus: „Ich gehe davon aus, dass wir ein wildes Schuljahr erleben mit vielen Aufs und Abs.“Heide freut sich, dass sie nach Wochen Unterricht, immer mit der Angst vor Corona-Fällen in ihrer Schule mit rund 250 Schülern im Nacken, endlich mal durchatmen kann. Die über 117 400 Schüler im Saarland und rund 9400 Lehrkräfte, die sie unterrichten, haben jetzt erst einmal zwei Wochen Ruhe vom Schulalltag unter Corona-bedingungen, der, wie sie sagt, eine ganz neue Realität und eine große Herausforderung für die Schulen ist. Schüler und Lehrer mussten sich etwa an die Hygiene-Vorschriften gewöhnen und die Erstklässler durften ihre Paten aus der vierten Klasse nur per Video sehen, was für die Kleinen sehr hart gewesen sei. Doch Not macht erfinderisch. Die Schulanfänger bekommen regelmäßig Briefe von ihren Paten und das kleine Patengeschenk zur Einschulung wurde per Körbchen und Seil aus den Klassenzimmern der Großen zu den Kleinen auf den Schulhof heruntergelassen.
Das alles will ebenso organisiert sein wie die Besprechungen der Lehrer untereinander und mit den Eltern oder die Klassenkonferenzen alle vier Wochen, in denen Lehrer und Klassensprecher Bilanz des Unterrichts unter Corona-Bedingungen ziehen und darüber diskutieren, was man besser machen kann. „Wir gehen alle erschöpft in die Ferien“, sagt Jessica Heide – Herbstferien, die eigentlich gar keine richtigen sind. Neben der üblichen Unterrichtsvorbereitung gebe es für die Ganztagsschule Dellengarten ein neues Toilettennutzungskonzept, das einen verbesserten Infektionsschutz bieten soll und jetzt umgesetzt werden müsse. Außerdem hat am Freitag das Bildungsministerium einen aktualisierten Musterhygieneplan für die Schulen vorgestellt, der in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium, den Gesundheitsämtern und der Hygienebeauftragten der Homburger Uniklinik erarbeitet wurde, und der nach Ministeriumsangaben vor allem den Erfordernissen der beginnenden kalten Jahreszeit angepasst wurde. Das müssen die Schulen jetzt umsetzen. Das Papier schreibt unter anderem alle 20 bis 25 Minuten zwei bis drei Minuten langes Stoßlüften durch zwei große Fenster in den Klassenräumen vor und ein Querlüften durch gegenüberliegende Fenster und Türen in den Pausen. Sogenannte CO2-Melder, die, wenn ein bestimmter Wert an verbrauchter Raumluft überschritten wird und die Innenminister Klaus Bouillon (CDU) für eine Million Euro für alle Schulen im Land anschaffen will, empfiehlt der Musterhygieneplan nicht. Weil der Wert in aller Regel nach zwanzig Minuten in einem vollbesetzten Klassenzimmer erreicht sei, würden billigere Alternativen wie ein Timer genügen, heißt es dort.
Clemens Wilhelm, der Direktor der Gemeinschaftsschule Haspelstraße in Neunkirchen, gönnt sich nach eigenen Worten in den Ferien gerade mal zwei Tage richtigen Urlaub, die er mit Wandern verbringen möchte. Auch in seiner Schule mit über 800 Schülern und rund 80 Lehrkräften laufen in den Ferien die Vorbereitungen auf die zweite Präsenz-Unterrichtsrunde unter Corona-Bedingungen auf Hochtouren. Und für den Fall der Fälle, dass seine Schule, die wie die Saarbrücker Grundschule Dellengarten „zum Glück“ bisher von Corona verschont blieb, doch irgendwann ganz oder teilweise schließen und auf Online-Unterricht umstellen muss.
Ben Luca Hoffmann von der der Saarbrücker Marienschule hat das gerade hinter sich. Der Zwölftklässler, der sich wegen eines Corona-Falls in seiner Jahrgangsstufe, wie er sagt, zwölf Tage in Quarantäne befand, traf sich am Freitag zum ersten Mal wieder mit einem Mitschüler am Gymnasium. Der Unterricht zu Hause am Computer sei nicht nur „langweilig“gewesen, sondern es seien auch vier Klassenarbeiten ausgefallen. Da die jetzt nachgeholt werden müssen. Für den 17-Jährigen ist deshalb in den kommenden Wochen statt Herbstferien Pauken angesagt. Wenigstens sein Freund Brooklyn Koletzki, der die elfte Klasse der Schule besucht, kann in den Ferien ausspannen. Seine Jahrgangsstufe musste bislang nicht in Quarantäne und er konnte deshalb wie geplant alle Klassenarbeiten schreiben. Aber groß was machen will er in den Herbstferien nicht. Das sei in diesen Zeiten auch viel zu gefährlich.
Überhaupt seien Schüler in dieser Hinsicht „sehr diszipliniert“, findet Wolfram Peters, der Direktor des Homburger Mannlich-Gymnasiums, und hielten oft besser die Corona-Regeln ein als manche Erwachsene. Er hofft, dass seine Schule auch weiterhin von Corona-Fällen verschont bleibt. Denn digitaler Unterricht könne niemals Präsenz-Unterricht ersetzen. Seine Kollegen Heide und Wilhelm können dies ebenso wie die saarländische Bildungsministerin nur unterstreichen.
„Die Kitas und Schulen auch in den kommenden Monaten offen zu halten, ist äußerst wichtig für die Bildungsgerechtigkeit im Land und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Kinder, Jugendliche und Familien sind darauf angewiesen“, betont Christine Streichert-Clivot.