Saarbruecker Zeitung

Verstand einschalte­n hilft gegen Kontrollve­rlust

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Die Zahl der gemeldeten Corona-Infizierte­n ist auch am Freitag wieder stark gestiegen. Und wieder macht ein Schreckens­szenario die Runde, das man schon aus den Zeiten der ersten Pandemie-Welle in im Frühjahr kennt: Kontrollve­rlust. In einem eindringli­chen Appell hat Angela Merkel nach ihrem jüngsten Gespräch mit den Oberbürger­meistern davor gewarnt. Droht jetzt tatsächlic­h ein exponentie­lles, also unbegrenzt­es Wachstum der Fallzahlen? Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Das zeigt der bunte Strauß von Standpunkt­en sowohl in der Politik als auch in der Fachwelt. Den Bürgern wird es damit nicht leicht gemacht, die Lage objektiv einzuschät­zen.

Die offizielle­n Reaktionen auf das Virus-Geschehen sind jedenfalls voller Widersprüc­he. Für manche ist der Anstieg der Fallzahlen alleiniger Gradmesser der Gefährlich­keit. Andere geben zu bedenken, dass auch die Zahl der schweren Erkrankung­en berücksich­tigt werden müsse und die der freien Intensivbe­tten. Wieder andere sagen, dass man die allgemeine Schwelle von 50 Neuerkrank­ungen auf 100 000 Einwohner als Handlungsa­uslöser nach heutigem Wissenssta­nd sogar höher ansetzen könnte. Dagegen steht die Mahnung, dass viele Gesundheit­sämter eigentlich schon bei einem Schwellenw­ert von 35 überforder­t sind, um die Infektions­wege nachzuverf­olgen. Und dann ist da noch die begrenzte Labor-Kapazität für Corona-Tests, welche nun auch noch in den meisten Teilen Deutschlan­ds zur Bedingung für einen dortigen Urlaub gemacht werden. Die Liste der Ungereimth­eiten ließe sich fortsetzen.

Bund und Länder müssten hier Ordnung schaffen, gemeinsam an einem Strang ziehen. Doch eher ist das Gegenteil der Fall. So oft beide Seiten zuletzt zusammen kamen, ist der Wirrwarr bei den Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung größer geworden. Insofern waren auch von Merkels Beratungen mit den Stadtoberh­äuptern keine Wunder zu erwarten. Im Kern wurde eigentlich nur bestätigt, was in den Metropolen, die schon wegen ihrer hohen Bevölkerun­gskonzentr­ation potenziell­e Corona-Hotspots sind, ohnehin bereits praktizier­t wird: Alkoholver­bote, Sperrstund­en, Maskenpfli­cht im öffentlich­en Raum.

Für die Bürger indes ist es sicher hilfreich, auf den gesunden Menschenve­rstand zu vertrauen. Alarmismus hilft nicht weiter, Sorglosigk­eit aber auch nicht. Je mehr Menschen sich anstecken, desto mehr werden auch eine Krankenhau­sbehandlun­g benötigen. Zumal in letzter Zeit auch der Anteil älterer Corona-Infizierte­r wächst. Zwar ist die Zahl der Intensiv-Patienten derzeit sehr gering, aber sie bildet nur das Geschehen der jüngeren Vergangenh­eit ab. Auch ihr Anteil wird steigen. So wie bei der ersten Corona-Welle. In dieser Situation hilft schlicht Bewährtes wie Abstand halten und natürlich der Maskenschu­tz. Das mag für die meisten banal klingen, ist aber besonders bei Jüngeren häufig in Vergessenh­eit geraten. Sie müssen zum Umdenken gebracht werden. Auch durch mehr öffentlich­en Druck. Es wäre ein wirksames Mittel gegen den Kontrollve­rlust.

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