Beim Resonanzen-Festival gab es beste Tanzmusik zu hören, auch wenn nicht getanzt werden durfte.
Vor 40 Jahren wurde die TV-Serie „Captain Future“in Deutschland das erste Mal ausgestrahlt. Gefeiert wird das mit einem besonderen Buch.
Ach, waren das selige Samstagnachmittage, Anfang der 1980er. Gegen halb 3 ging es ins Weltall – da lud das ZDF alle Vorpubertierenden ein, mit ins Raumschiff „Comet“zu steigen und das All vor allerlei Ungemach zu bewahren; an der Seite von Captain Future, dem Titelhelden jener Zeichentrickserie, und seines durchaus bunten Personals: ein Kunststoff-Androide namens Otto, ein stahlglänzender Roboter namens Grag und, als akademische Unterfütterung, Professor Wright – ein bloßes Gehirn, das in einem Behälter voller Nährflüssigkeit umherschwebt. Mit ihnen suchte man „nach der Quelle der Materie“, löste das „Geheimnis der sieben Steine“, traf „die Elektromenschen“oder den „Herrscher von Megara“– so verheißungsvoll klangen die Episodentitel. Bunte Abenteuer in knallbunten Trickfilmwelten waren das, ideal für 13-, 14-Jährige, denen Sätze wie „Photonentriebwerk Y3 volle Leistung!!“durch Mark und Bein gingen; vor allem, wenn sie von Christian Bruhns schmissigem Disco-Sound begleitet wurden – so schmissig übrigens, dass eine seiner Aufnahmen, rhythmisch etwas aufgedonnert, 1998 ein veritabler Tanzhit in Großraumdiscos wurde.
Auch Spielzeug gab es damals, die „Comet“und die Helden als Plastikfiguren. Doch für Taschengeldbezieher waren sie nicht leicht erschwinglich, auch nicht überall zu haben – und das zeitgenössische „Krieg der Sterne“-Spielzeug sah auch ein bisschen wertiger aus. Hätte man gewusst, welche Sammlerpreise
die Spielsachen von einst heute erzielen, hätte man bei den Eltern ein Darlehen aufgenommen, die „Comet“trotz des damals happigen Preises von 30 Mark doppelt und dreifach gekauft, um heute von den Erlösen in Saus und Braus zu leben. Das wusste man damals eben nicht – was man auch nicht wusste, war, dass Christian Bruhns Musik gar nicht die Originaluntermalung war; ebenfalls nicht, dass die Serie mit dem anglophil benannten
Helden nicht aus Amerika oder England kam, sondern aus Japan. Zwar erinnerten manche ruckeligen Animationen und das rehäugige Kindchenschema vieler Figuren an Trickserien wie „Heidi“und die „Biene Maja“– bloß, dass die ebenfalls aus Japan kamen, wusste man ja auch nicht. Und dass das ZDF gar nicht alle Folgen zeigte und nicht wenige Episoden im Sinne des Jugendschutzes und des Sendeformates kürzte, ahnte man ebenfalls nicht.
Diese klaffenden Wissenslücken lassen sich nun schließen, denn zum 40. Jahrestag der Erstausstrahlung in Deutschland erscheint ein kenntnisreiches Buch: Auf 272 Seiten (leider ohne Bildmaterial) widmen sich die Autoren Reinhard Prahl und Thorsten Walch dem Captain und dessen Historie. Wurde die doch nicht in Japan ersonnen, sondern in den USA von Edmond Hamilton (1904-1977) für eine Romanheft-Reihe, die erstmals 1940 bis 1944 erschien.
Die Autoren skizzieren Hamiltons „Captain Future“-Welt, in der man mehr von dessen Vergangenheit erfährt als in der Serie – seine Eltern waren Wissenschaftler, die sich auf der Flucht vor einem Schurken auf dem Mond niedergelassen haben, wo sie künstliche Menschen zum Wohle der Menschheit konstruieren wollten. Das Herzstück des Buchs ist jedoch eine ausführliche Analyse der TV-Episoden inklusive eines Blicks auf jene Folgen, die nie im deutschen Fernsehen liefen (und jetzt zumindest in einer Heimkino-Box zu haben sind): Denn das ZDF hat aus 52 japanischen Episoden 40 heimische gemacht, mit zahllosen Kürzungen; manchmal auf Kosten der Logik, manchmal auf Kosten gruseliger Momente, lief die Serie bei uns doch im Nachmittagsprogramm für Kinder, in Japan abends für ein älteres Publikum. Auf die Unterschiede gehen die Autoren detailliert ein, auch „Funfacts für Nerds“gibt es – etwa über Synchronpassagen, die wissenschaftlichen Fakten eine lange Nase drehen oder auf Handlungselemente verweisen, die scheinbar schon zurückliegen, tatsächlich aber erst einige Episoden später geschehen – weil die ZDF-Redakteure die Ausstrahlungs-Reihenfolge verändert hatten.
Auch um die jüngeren Hörspiele ab 2012 geht es, bei denen einige Sprecher von einst Hamiltons Bücher lesen, die nicht fürs Fernsehen adaptiert wurden. Es gibt einen Exkurs über die erwähnten Nebenbei-Produkte, über Komponist
Christian Bruhn (dessen Kompositionen die eher Bigband-poppige Originalmusik von Yuji Ono ersetzten), über andere utopische Animations-Serien und schließlich über das, was man schon mit „Die unendliche Geschichte“überschreiben könnte: eine Real-Verfilmung. Der deutsche Regisseur Christian Alvart („Pandorum“, einige „Tatorte“mit Axel Milberg und Til Schweiger) hat sich 2010 die Rechte an der Serie gesichert, 2016 erschien ein Kürzest-Trailer online. Seitdem? Gerüchte, Spekulationen und die Hoffnung der Fans. Die Autoren konstatieren: „Nichts Genaues weiß man nicht.“
Die Zeit bis dahin kann man ja überbrücken mit der vor einiger Zeit erschienenen Blu-ray-Box und sich erinnern an eine Zeit, in der einem eine Feststellung wie „Ich glaube, das Hypnotrom ist beschädigt“kindlichen Angstschweiß auf die Stirn treten ließ. Ein Satz wie „Da, links, ein Raumschiff!“vermittelte immerhin die Gewissheit, dass es im All zwar kein Oben und Unten gibt, wohl aber ein Rechts und ein Links. Und das Verhältnis der Geschlechter war noch patriarchalisch festbetoniert – wenn Future eine grünhaarige Gegnerin (höchst simpel) übertölpelt und etwas mitleidig konstatiert: „Sie sind und bleiben eben eine Frau.“
Reinhard Prahl und Thorsten Walch: Es lebe Captain Future. 40 Jahre Kult in Deutschland. Verlag: In Farbe und bunt. 272 Seiten, 14,80 Euro. Die Blu-ray-Box ist bei Universum erschienen. www.ifub-verlag.de