„Der Feind der Demokratie steht rechts“
Sozialpsychologin Beate Küpper und Journalist Yassin Musharbash diskutierten über Rechtsextreme und wie diese die Pandemie ausnutzen.
Was tun, wenn gute Freunde oder enge Familienmitglieder anfangen, extreme politische Haltungen einzunehmen? Wenn sie plötzlich beginnen, AfD-Posts auf Facebook zu teilen oder die Echtheit der globalen Pandemie anzweifeln? Es sollte die Zuhörerfrage werden, welche die fundierte Rechtsextremismus-Diskussion am Donnerstagabend in der Stiftung Demokratie Saarland mit einem Mal überstrahlte – weil sie ein komplexes Problem an jeden Einzelnen persönlich heranzoomte. Für diese Frage und eine Antwort jenseits der Holzhammermethoden Überhören, Niederargumentieren oder den Kontakt abbrechen hatten die beiden Gäste, Beate Küpper und Yassin Musharbash, zuvor in fast anderthalb Stunden einen sachlichen und spannenden Boden bereitet. Dabei ging es auch um die Frage, was Rechte, Yogahippies und Verschwörungstheoretiker gemeinsam in Berlin gegen Schutzmaßnahmen vor Corona demonstrieren lässt.
Beate Küpper ist Professorin an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach
und Mitautorin der viel beachteten Studie „Verlorene Mitte – feindselige Zustände“, Yassin Musharbash arbeitet als Investigativjournalist bei der Wochenzeitung „Die Zeit“und gilt als profunder Kenner der Extremistenszene. Unter der Frage „Rechtsextremismus in Deutschland: Neue Entwicklungen in Zeiten von Corona?“tauschten sie persönliche Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse aus und waren damit der Einladung des Kulturforums der Sozialdemokratie, der Arbeitskammer des Saarlandes und der Stiftung Demokratie Saarland für die Diskussionsreihe „Demokratie in Gefahr!“gefolgt.
„Krisen gelten in der Forschung als der Auslöser für Populismus aller Art“, sagte Küpper zur Eröffnung und erinnerte daran, dass zu Beginn der Pandemie auch vermeintlich tote Stereotypen über Asiaten aufgekocht wurden. Musharbash ergänzte, dass das Problem des Virus auf jene projiziert werde, die man nicht kenne. In seiner Heimatstadt Berlin etwa auf arabischstämmige Familien. Dann stellte er die These auf, dass gerade das Coronavirus sich für eine Verschwörungstheorie eigne. „Man kann alles behaupten, ohne das Gegenteil beweisen zu müssen, am Ende sieht sich doch jeder bestätigt, und genau das ist das Gefährliche“, sagte er. Für diesen Effekt sei US-Präsident Donald Trump das beste Beispiel. Trump hatte das neuartige Coronavirus lange Zeit verharmlost, war zuletzt positiv getestet worden und hatte sich bei seiner
Rückkehr vom Krankenhaus ins Weiße Haus messianisch inszeniert die Maske vom Gesicht gerissen.
Was die Teilnehmer auch umtrieb, war die Frage, wer für Verschwörungstheorien anfällig ist. Küpper schilderte, wie gerade Verschwörungstheorien im Internet eine starke Sogkraft entwickeln können. „Dieser Verschwörungsglaube hebelt das Rechts-LinksSchema und die Anstandsschwelle aus“, betonte Musharbash. Küpper formulierte es so: „Was harte Rechte und Impfgegner, zwei auf den ersten Blick nicht passende Milieus, verbindet, ist auch ein Anknüpfen an ein völkisches Erbe, das uns seit mindestens 150 Jahren begleitet“. Und ein Gefühl, als betrogenes Volk Opfer zu sein. Beide Gäste stimmten überein, dass ein Lockdown und ein Prozess von Irrtümern und Korrekturen seitens Politik und Medizin auch einen Nährboden für Verschwörungstheorien böten. Auch Genervtsein vom Maskentragen oder kleine Alltagsausbrüche in ein enges Restaurant konnten sie nachvollziehen. Aber Küpper brachte es auf den Punkt: „Ich trage die Maske als Beitrag zur Gesellschaft.“
Eine Gefahr für die Demokratie sehen beide Wissenschaftler tatsächlich, wenn den Bürgern die Demokratie aus Gewöhnung abhanden kommt, und Berufsgruppen massiv bedroht werden. Darauf, dass die AfD im Moment schwächelt, will sich Musharbash nicht verlassen. „Wer weiß, was in einem Jahr ist“, gab er zu Bedenken. Später erklärte er: „Mit Blick auf das Demokratieproblem möchte ich sagen: Der Feind steht rechts.“
Aber was mit dem guten Freund machen, der Corona-Verschwörungstheorien plötzlich logisch findet? Musharbash bringt das Beispiel einer Familie, die an der extremen Einstellung einiger ihrer Mitglieder zu zerbrechen droht. „Wenn einem der Streit zu viel wird, sagt er ein verabredetes Codewort, dann wechseln sie das Thema. Das ist besser, als gar nicht mehr miteinander zu reden.“Einem Verharmloser im Freundeskreis könne man sagen, dass es Leute gebe, die vor dem Virus mehr Angst haben und dass er darauf Rücksicht nehmen solle. „Das ist ein normales Gespräch. Es gehört zu unserer Zeit, dass wir solche Lösungen finden“, sagt Musharbash.