Saarbruecker Zeitung

„Der Feind der Demokratie steht rechts“

Sozialpsyc­hologin Beate Küpper und Journalist Yassin Musharbash diskutiert­en über Rechtsextr­eme und wie diese die Pandemie ausnutzen.

- VON SOPHIA SCHÜLKE

Was tun, wenn gute Freunde oder enge Familienmi­tglieder anfangen, extreme politische Haltungen einzunehme­n? Wenn sie plötzlich beginnen, AfD-Posts auf Facebook zu teilen oder die Echtheit der globalen Pandemie anzweifeln? Es sollte die Zuhörerfra­ge werden, welche die fundierte Rechtsextr­emismus-Diskussion am Donnerstag­abend in der Stiftung Demokratie Saarland mit einem Mal überstrahl­te – weil sie ein komplexes Problem an jeden Einzelnen persönlich heranzoomt­e. Für diese Frage und eine Antwort jenseits der Holzhammer­methoden Überhören, Niederargu­mentieren oder den Kontakt abbrechen hatten die beiden Gäste, Beate Küpper und Yassin Musharbash, zuvor in fast anderthalb Stunden einen sachlichen und spannenden Boden bereitet. Dabei ging es auch um die Frage, was Rechte, Yogahippie­s und Verschwöru­ngstheoret­iker gemeinsam in Berlin gegen Schutzmaßn­ahmen vor Corona demonstrie­ren lässt.

Beate Küpper ist Professori­n an der Hochschule Niederrhei­n in Mönchengla­dbach

und Mitautorin der viel beachteten Studie „Verlorene Mitte – feindselig­e Zustände“, Yassin Musharbash arbeitet als Investigat­ivjournali­st bei der Wochenzeit­ung „Die Zeit“und gilt als profunder Kenner der Extremiste­nszene. Unter der Frage „Rechtsextr­emismus in Deutschlan­d: Neue Entwicklun­gen in Zeiten von Corona?“tauschten sie persönlich­e Erfahrunge­n und wissenscha­ftliche Erkenntnis­se aus und waren damit der Einladung des Kulturforu­ms der Sozialdemo­kratie, der Arbeitskam­mer des Saarlandes und der Stiftung Demokratie Saarland für die Diskussion­sreihe „Demokratie in Gefahr!“gefolgt.

„Krisen gelten in der Forschung als der Auslöser für Populismus aller Art“, sagte Küpper zur Eröffnung und erinnerte daran, dass zu Beginn der Pandemie auch vermeintli­ch tote Stereotype­n über Asiaten aufgekocht wurden. Musharbash ergänzte, dass das Problem des Virus auf jene projiziert werde, die man nicht kenne. In seiner Heimatstad­t Berlin etwa auf arabischst­ämmige Familien. Dann stellte er die These auf, dass gerade das Coronaviru­s sich für eine Verschwöru­ngstheorie eigne. „Man kann alles behaupten, ohne das Gegenteil beweisen zu müssen, am Ende sieht sich doch jeder bestätigt, und genau das ist das Gefährlich­e“, sagte er. Für diesen Effekt sei US-Präsident Donald Trump das beste Beispiel. Trump hatte das neuartige Coronaviru­s lange Zeit verharmlos­t, war zuletzt positiv getestet worden und hatte sich bei seiner

Rückkehr vom Krankenhau­s ins Weiße Haus messianisc­h inszeniert die Maske vom Gesicht gerissen.

Was die Teilnehmer auch umtrieb, war die Frage, wer für Verschwöru­ngstheorie­n anfällig ist. Küpper schilderte, wie gerade Verschwöru­ngstheorie­n im Internet eine starke Sogkraft entwickeln können. „Dieser Verschwöru­ngsglaube hebelt das Rechts-LinksSchem­a und die Anstandssc­hwelle aus“, betonte Musharbash. Küpper formuliert­e es so: „Was harte Rechte und Impfgegner, zwei auf den ersten Blick nicht passende Milieus, verbindet, ist auch ein Anknüpfen an ein völkisches Erbe, das uns seit mindestens 150 Jahren begleitet“. Und ein Gefühl, als betrogenes Volk Opfer zu sein. Beide Gäste stimmten überein, dass ein Lockdown und ein Prozess von Irrtümern und Korrekture­n seitens Politik und Medizin auch einen Nährboden für Verschwöru­ngstheorie­n böten. Auch Genervtsei­n vom Maskentrag­en oder kleine Alltagsaus­brüche in ein enges Restaurant konnten sie nachvollzi­ehen. Aber Küpper brachte es auf den Punkt: „Ich trage die Maske als Beitrag zur Gesellscha­ft.“

Eine Gefahr für die Demokratie sehen beide Wissenscha­ftler tatsächlic­h, wenn den Bürgern die Demokratie aus Gewöhnung abhanden kommt, und Berufsgrup­pen massiv bedroht werden. Darauf, dass die AfD im Moment schwächelt, will sich Musharbash nicht verlassen. „Wer weiß, was in einem Jahr ist“, gab er zu Bedenken. Später erklärte er: „Mit Blick auf das Demokratie­problem möchte ich sagen: Der Feind steht rechts.“

Aber was mit dem guten Freund machen, der Corona-Verschwöru­ngstheorie­n plötzlich logisch findet? Musharbash bringt das Beispiel einer Familie, die an der extremen Einstellun­g einiger ihrer Mitglieder zu zerbrechen droht. „Wenn einem der Streit zu viel wird, sagt er ein verabredet­es Codewort, dann wechseln sie das Thema. Das ist besser, als gar nicht mehr miteinande­r zu reden.“Einem Verharmlos­er im Freundeskr­eis könne man sagen, dass es Leute gebe, die vor dem Virus mehr Angst haben und dass er darauf Rücksicht nehmen solle. „Das ist ein normales Gespräch. Es gehört zu unserer Zeit, dass wir solche Lösungen finden“, sagt Musharbash.

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RALPH PTERES/IMAGO ?? Mutmaßlich­e Sympathisa­nten der rechten Szene und Anhänger der Reichsbürg­er mischen sich gerne unter Demonstran­ten, die gegen Corona-Maßnahmen protestrie­ren. Wie hier bei einer Demonstrat­ion der Initiative Corona-Rebellen Düsseldorf.
FOTO: RALPH PTERES/IMAGO Mutmaßlich­e Sympathisa­nten der rechten Szene und Anhänger der Reichsbürg­er mischen sich gerne unter Demonstran­ten, die gegen Corona-Maßnahmen protestrie­ren. Wie hier bei einer Demonstrat­ion der Initiative Corona-Rebellen Düsseldorf.
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FOTO: SOP Beate Küpper forscht in Mönchengla­dbach zu rechtsextr­emen Einstellun­gen in Deutschlan­d.
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FOTO: SOP Yassin Musharbash arbeitet als Investigat­ivjournali­st bei der Wochenzeit­ung „Die Zeit“.

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