Jede Menge Tanzmusik – nur tanzen durfte niemand
Beim Resonanzen-Festival in Saarbrücken spielten das Duo Ätna und das Brandt-Brauer-Frick-Ensemble elektronische und akustische Klänge.
Als Wesen von einem anderen Planeten hat sich Festivalleiterin Inéz Schaefer beim Konzert ihres Duos „Ätna“auf dem Resonanzen-Festival präsentiert. Nicht nur verfremdete sie ihre Stimme fast durchgängig stark mithilfe elektronischer Effekte, sie hatte auch ihr Äußeres auf mysteriöse Weise verändert. Erst beim näheren Hinsehen wurde klar, woher das rührte: Die Sängerin hatte sich Kontaktlinsen eingesetzt, die ihre Pupillen übergroß und pechschwarz erscheinen ließen. Abgesehen vom Gesang steuerte sie Synthesizer-Klänge an, Duopartner Demian Kappenstein spielte neben etwas Elektronik hauptsächlich akustisches Schlagzeug. Stimme und Trommeln sind die älteste musikalische Kombination der Welt, hatte Nora Gomringer nach ihrem Festival-Auftritt gesagt – die funktionierte auch bei Ätna. Frappierend, wie wenig Beiwerk das bisweilen brauchte. Anders gesagt, es fehlte nichts: mal ein Synthie-Bass hier, eine Fläche dort. Im Vordergrund immer Schaefers außerirdische Stimme und die energetischen Beats von Kappenstein. Die in Saarbrücken aufgewachsene Sängerin, die nach dem Ausscheiden von Nicole Johänntgen ins Dreierteam der Festivalleitung geholt wurde, war im Vorfeld nicht müde zu betonen, dass der Auftritt von Ätna schon zuvor gebucht worden war. Was ein Glück, denn so kamen die etwa 80 Zuhörer in der ausverkauften Garage in den Genuss, das musikalische Herzensprojekt der verlorenen Tochter einmal live zu erleben. Ätna spielte nämlich tatsächlich zum ersten Mal in Saarbrücken – eigentlich ein Unding, existiert die international erfolgreiche Band doch schon seit 2016, als sich beide an der Dresdener Hochschule für Musik kennenlernten. Saarbrücken sei wie Dresden, nur etwas gemütlicher, so schilderte Kappenstein seine ersten Eindrücke zur Freude der Anwesenden. Schaefer dagegen erzählte, wie sie in der Garage im Alter von 13, 14 Jahren „illegal“Konzerte von Clueso oder Kettcar besucht hatte und sich damals nicht hätte träumen lassen, hier selbst auf der Bühne zu sein. Von „stehen“konnte übrigens keine Rede sein, das Duo verbrachte den Auftritt wie das Publikum sitzend. Nur einmal sprang Kappenstein auf und begann wild zu tanzen – so als wollte er daran erinnern, was in normalen Zeiten möglich wäre zur Musik von Ätna.
Zum Tanzen hätte auch der darauf folgende Auftritt des Brandt-Brauer-Frick-Ensembles verleiten können. Das zehnköpfige Orchester hat es sich zur Aufgabe gemacht, typisch elektronische Musik wie House und Techno mit akustischen Instrumenten zu präsentieren – nur der Moog-Synthesizer von Jan Brauer fiel da aus dem Rahmen. Ansonsten gab es zwei Percussion-Stationen und ein Schlagzeug, deren Spieler (unter ihnen Daniel Brandt) sich abwechselten, dazu Cello, Geige, Harfe, Posaune, Tuba und das Piano von Paul Frick. Diese außergewöhnliche Mischung lieferte ein streng durchkomponiertes Feuerwerk der Polyrhythmik ab. Tuba oder Moog sorgten für lange Basstöne; Piano, Harfe oder Marimba für die harmonischen Patterns, während Cello, Geige und Posaune bestimmte Linien wiederholten. Dauernd passierte etwas Neues in der Klanglandschaft, die da von der Bühne kam: Da wurden Instrumente ein- und wieder ausgeblendet, die zirpte und quietschte irgendwas als kleines Störgeräusch, da klopfte Tubist Benjamin Grän rhythmisch gegenläufig gegen sein Mundstück. Ein fulminantes Konzert, das gegenüber dem schon sehr gut angekommenen Ätna-Auftritt noch eins draufsetzte.