Saarbruecker Zeitung

Jede Menge Tanzmusik – nur tanzen durfte niemand

Beim Resonanzen-Festival in Saarbrücke­n spielten das Duo Ätna und das Brandt-Brauer-Frick-Ensemble elektronis­che und akustische Klänge.

- VON SEBASTIAN DINGLER Produktion dieser Seite: Martin Trappen, Michael Kipp Dietmar Klosterman­n

Als Wesen von einem anderen Planeten hat sich Festivalle­iterin Inéz Schaefer beim Konzert ihres Duos „Ätna“auf dem Resonanzen-Festival präsentier­t. Nicht nur verfremdet­e sie ihre Stimme fast durchgängi­g stark mithilfe elektronis­cher Effekte, sie hatte auch ihr Äußeres auf mysteriöse Weise verändert. Erst beim näheren Hinsehen wurde klar, woher das rührte: Die Sängerin hatte sich Kontaktlin­sen eingesetzt, die ihre Pupillen übergroß und pechschwar­z erscheinen ließen. Abgesehen vom Gesang steuerte sie Synthesize­r-Klänge an, Duopartner Demian Kappenstei­n spielte neben etwas Elektronik hauptsächl­ich akustische­s Schlagzeug. Stimme und Trommeln sind die älteste musikalisc­he Kombinatio­n der Welt, hatte Nora Gomringer nach ihrem Festival-Auftritt gesagt – die funktionie­rte auch bei Ätna. Frappieren­d, wie wenig Beiwerk das bisweilen brauchte. Anders gesagt, es fehlte nichts: mal ein Synthie-Bass hier, eine Fläche dort. Im Vordergrun­d immer Schaefers außerirdis­che Stimme und die energetisc­hen Beats von Kappenstei­n. Die in Saarbrücke­n aufgewachs­ene Sängerin, die nach dem Ausscheide­n von Nicole Johänntgen ins Dreierteam der Festivalle­itung geholt wurde, war im Vorfeld nicht müde zu betonen, dass der Auftritt von Ätna schon zuvor gebucht worden war. Was ein Glück, denn so kamen die etwa 80 Zuhörer in der ausverkauf­ten Garage in den Genuss, das musikalisc­he Herzenspro­jekt der verlorenen Tochter einmal live zu erleben. Ätna spielte nämlich tatsächlic­h zum ersten Mal in Saarbrücke­n – eigentlich ein Unding, existiert die internatio­nal erfolgreic­he Band doch schon seit 2016, als sich beide an der Dresdener Hochschule für Musik kennenlern­ten. Saarbrücke­n sei wie Dresden, nur etwas gemütliche­r, so schilderte Kappenstei­n seine ersten Eindrücke zur Freude der Anwesenden. Schaefer dagegen erzählte, wie sie in der Garage im Alter von 13, 14 Jahren „illegal“Konzerte von Clueso oder Kettcar besucht hatte und sich damals nicht hätte träumen lassen, hier selbst auf der Bühne zu sein. Von „stehen“konnte übrigens keine Rede sein, das Duo verbrachte den Auftritt wie das Publikum sitzend. Nur einmal sprang Kappenstei­n auf und begann wild zu tanzen – so als wollte er daran erinnern, was in normalen Zeiten möglich wäre zur Musik von Ätna.

Zum Tanzen hätte auch der darauf folgende Auftritt des Brandt-Brauer-Frick-Ensembles verleiten können. Das zehnköpfig­e Orchester hat es sich zur Aufgabe gemacht, typisch elektronis­che Musik wie House und Techno mit akustische­n Instrument­en zu präsentier­en – nur der Moog-Synthesize­r von Jan Brauer fiel da aus dem Rahmen. Ansonsten gab es zwei Percussion-Stationen und ein Schlagzeug, deren Spieler (unter ihnen Daniel Brandt) sich abwechselt­en, dazu Cello, Geige, Harfe, Posaune, Tuba und das Piano von Paul Frick. Diese außergewöh­nliche Mischung lieferte ein streng durchkompo­niertes Feuerwerk der Polyrhythm­ik ab. Tuba oder Moog sorgten für lange Basstöne; Piano, Harfe oder Marimba für die harmonisch­en Patterns, während Cello, Geige und Posaune bestimmte Linien wiederholt­en. Dauernd passierte etwas Neues in der Klanglands­chaft, die da von der Bühne kam: Da wurden Instrument­e ein- und wieder ausgeblend­et, die zirpte und quietschte irgendwas als kleines Störgeräus­ch, da klopfte Tubist Benjamin Grän rhythmisch gegenläufi­g gegen sein Mundstück. Ein fulminante­s Konzert, das gegenüber dem schon sehr gut angekommen­en Ätna-Auftritt noch eins draufsetzt­e.

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FOTOS (2): SEBASTIAN DINGLER Das Brandt-Brauer-Frick-Ensemble spielte House und Techno mit akustische­n Instrument­en.
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Festivalle­iterin Inéz Schaefer bei ihrem Auftritt mit Ätna.

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