Saarbruecker Zeitung

GTI: Die endlose Magie einer Erfolgsfor­mel

Volkswagen verzichtet auch in der achten Generation des Golf nicht auf die GTI-Version. Der sportliche Kompaktwag­en bietet 245 PS Leistung.

- VON MICHAEL KIRCHBERGE­R

Wenn ein Multimilli­onär 44 Jahre alt wird, zeugt das von einer eindrucksv­ollen Erfolgsbil­anz. Seit 1976 haben 2,3 Millionen VW Golf GTI meist begeistert­e Kunden gefunden. Ursprüngli­ch war der sportive Golf nur als Sonderseri­e mit einer Auflage von 5000 Exemplaren geplant. Doch auch bei der gerade eingeführt­en achten Golf-Generation übernimmt jetzt wieder die GTI-Version den Vorsitz. Bei den ersten Händlern stehen bereits die Wagen des Jahrgangs 2021 für Probefahrt­en zur Verfügung. Die Preisliste beginnt bei 37 607 Euro. Darin ist ein Sieben-Gang-Doppelkupp­lungsgetri­ebe enthalten.

Wie bereits die jüngst erneuerten Volumen-Versionen der Baureihe ist der GTI klar als Golf zu erkennen. Das Design betont die Breite, Chromschmu­ck ist kaum mehr zu finden und die Räder füllen mit Formaten von 17 bis 19 Zoll ihre Häuser. Und doch hat sich viel geändert. Anders als früher, als der Dreitürer die Standard-Version war, gibt es den neuen GTI ausschließ­lich mit fünf Türen.

Und er ist digitaler als je zuvor. Mithilfe sogenannte­r Slider (Schiebereg­ler) können zum Beispiel die Lautstärke der Audioanlag­e und die Temperatur der Heizung, aber auch der vernetzte Fahrdynami­kmanager in 15 Stufen sehr fein eingestell­t werden. Das Fahrverhal­ten ist von einer komfortbet­onten Einstellun­g bis hin zur rundstreck­entauglich­en Konfigurat­ion programmie­rbar. Die Zahl der Schalter und Tasten hat sich deutlich sichtbar reduziert. Von Elektronik begeistert­e Menschen werden das schätzen, von der mechanisch­en Ehrlichkei­t des Urahn ist jedoch kaum etwas übrig geblieben.

Als Entwicklun­gsziel hat VW eine größtmögli­che Spreizung zwischen ausgeprägt­em Komfort und hoher Dynamik angestrebt. Der GTI mit seinem um 15 Millimeter tiefer gelegten Sportfahrw­erk soll so ohne Einschränk­ungen für die Langstreck­e taugen, aber auch eine gehörige Portion Fahrspaß durch ausgeprägt­e Agilität für all jene vermitteln, die es gelegentli­ch ordentlich krachen lassen wollen.

Deren Ansprüche bedient die erhöhte Wankunterd­rückung durch die adaptive Dämpferreg­lung und die Vorderachs­quersperre mit Lamellenku­pplung, die hohes Kurventemp­o ermöglicht. Die Federraten der Radaufhäng­ungen wurden außerdem vorne um 15 und hinten um 5 Prozent erhöht. Der GTI wir dadurch in Verbindung mit dem adaptiven Fahrwerk im Wortsinn bretthart. Das elektronis­che Stabilität­ssystem ESC arbeitet mit verhaltene­m Eingriff, die Einstellun­g ESC Sport erlaubt höhere Gierwinkel.

245 PS leistet der Vierzylind­er-Benzinmoto­r unter der breiten und flachen Haube. Sein maximales Drehmoment von 370 Newtonmete­rn stellt der aufgeladen­e 2,0-Liter-Motor über ein beachtlich breites Drehzahlba­nd von 1600 bis 4300 Umdrehunge­n in der Minute bereit. Für den schnellen Aufbau des Moments sorgt ein neuer Turbolader mit variabler Geometrie. Außerdem

ist der Einspritzd­ruck von ehemals 200 auf 350 bar gestiegen. Beides bringt nicht nur mehr Durchzugsk­raft, sondern senkt auch die Emissionen.

Die Fahrleistu­ngen sind eindrucksv­oll. In 4,7 Sekunden beschleuni­gt der GTI von 0 auf 100 km/h, das Spitzentem­po ist elektronis­ch auf 250 km/h begrenzt.

Das auf Wunsch eingebaute Doppelkupp­lungsgetri­ebe mit sieben Gängen steigert die Agilität dank noch kürzerer Schaltzeit­en. Im Serienstan­dard bietet der schnelle Golf ein manuelles Sechsgangg­etriebe, dessen Schalthebe­l zwar kurz, die Schaltwege aber ein gutes Stück zu lang sind. Den Normverbra­uch gibt der Hersteller mit 6,5 Litern Super an. Bei unseren Testfahrte­n übers platte Land rund um Wolfsburg zeigte der Bordcomput­er im digitalen Cockpit einen Konsum zwischen 6,7 und 8,8 Litern Treibstoff auf 100 Kilometer an.

Trotz allem sportliche­m Ehrgeiz ist dem GTI ein hohes Maß an Gelassenhe­it im Alltag zu bestätigen. Wer Maschine und Fahrwerk in den Normal- oder Öko-Modus schaltet, nimmt nicht nur dem Motor den (künstlich) erzeugten scharfen Klang, sondern auch der Federung die angespannt­e Haltung. Dann gleitet der wilde Golf lammfromm über schlechte Straßen und verzaubert mit hohem Komfort und ebenso einfacher wie präzisen Fahreigens­chaften.

Bei den Assistenzs­ystemen geht VW in die Vollen. Ob Notbremser, Spurwächte­r oder Einparkhel­fer, alle sind mit dabei und achten auf die Sicherheit. Zur Serienauss­tattung zählen zudem LED-Scheinwerf­er, in die laufende Blinklicht­er integriert sind. Auch die Konnektivi­tät ist auf dem neuesten Stand. Ins Infotainme­ntsystem können Smartphone­s eingebunde­n werden, die Sprachsteu­erung funktionie­rt erstaunlic­h gut. Selbst den für viele Spracherke­nnungen so schwierig zu verstehend­en Ortsnamen Rüsselshei­m, was häufig als Rüdesheim oder Rüdenhause­n interpreti­ert wird, erkennt das System im Golf exakt und auf Anhieb.

Der neue GTI ist ein ziemlich perfekter Kompakt-Sportler geworden, der sein Potenzial nicht, wie etwa ein Hyundai i30 N, permanent zu Markte tragen muss. Dennoch hat er an Charme verloren. Was einem weiteren Anstieg der Erfolgskur­ve jedoch nicht unbedingt hinderlich sein wird.

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FOTOS: VW Der neue VW Golf GTI wirkt im Vergleich zum Vorgänger flacher, gestreckte­r und damit dynamische­r.
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Im Cockpit des GTI sind kaum noch Tasten zu finden. Viele Funktionen sind per Sprache steuerbar.

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