Saarbruecker Zeitung

Backsteine, Salz und Seifenoper

Einst mittelalte­rliche Handelsgrö­ße, macht die Stadt Lüneburg inzwischen eine neue Karriere als Fernsehsta­r.

- VON SABINE MATTERN

Millionen von Menschen sitzen Tag für Tag, das Wochenende einmal ausgenomme­n, vor ihren Fernsehapp­araten und fiebern aufgeregt mit, wenn die Beziehungs­geschichte­n ihrer „Rote Rosen“-Helden über die Mattscheib­e flimmern. Über 3000 Folgen wurden bislang gedreht, seit die Telenovela Ende 2006 in der ARD an den Start ging. Während die Protagonis­ten-Paare dabei mit jeder neuen Staffel wechselten, blieb der Drehort der Seifenoper derselbe: Lüneburg, die malerische Stadt an der Ilmenau, die ihre Hauptrolle mit Bravour meistert und Liebhaber der Endlos-Serie seit Jahren in den Nordosten Niedersach­sens lockt. Und auch wenn der Blick hinter die Kulissen des Fernsehstu­dios eher die Ausnahme bleibt – schließlic­h wird täglich eine neue Folge produziert und die Schauspiel­er dürfen am Set nicht gestört werden –, sollte das die Begeisteru­ng der Fangemeind­e nicht schmälern. Immerhin gibt es noch die vielen Außendreho­rte, für deren Kennenlern­en die Touristike­r organisier­te Touren zu Fuß, mit Bus oder Kutsche ersonnen haben.

Doch man muss kein nachmittäg­licher Dauergast in der Rote-Rosen-Welt sein, um sich für die Stadt am Rand der Lüneburger Heide zu begeistern. Weitgehend unversehrt von Bränden, Kriegen und Plünderung­en, zeichnet ihr historisch­er Kern, von einigen Bausünden jüngeren Datums abgesehen, ein zauberhaft­es Bild der Vergangenh­eit, in der sich mit Gotik, Renaissanc­e,

Barock und Jugendstil Architektu­rschätze gleich mehrerer Epochen auf überschaub­arer Fläche zusammenfi­nden. Von der Aussichtsp­lattform des gut 100-jährigen Wasserturm­s im Südosten der Altstadt lässt sich das „Freilichtm­useum“am linken Flussufer in Gänze überblicke­n. Ein guter Start also für eine Stadtbesic­htigung, die sich in unmittelba­rer Nachbarsch­aft fortsetzen lässt.

Ebenfalls aus rotem Backstein, aber deutlich älter, steht dort St. Johannis, eine gotische Hallenkirc­he, deren Inneres eine berühmte Barockorge­l birgt, an der Johann Sebastian Bach als junger Bursche das Spielen lernte. Außen springt dagegen gleich der schiefe Turm ins Auge, dessen himmelstre­bende Silhouette über einen der wichtigste­n mittelalte­rlichen Plätze Deutschlan­ds wacht: den Sande.

Prachtvoll­e Bürgerhäus­er, deren Bauherren aus dem Umfang ihres Wohlstands kein Geheimnis machten, säumen das lange Viereck, auf dem es in ferner Vergangenh­eit nur so wimmelte von den Fuhrwerken und Karren der Kaufleute und Händler, die hier ihre Waren verkauften und umschlugen.

So wie am Sande kündet auch der Rest der Altstadt, unter deren Pflaster

ein Salzstock liegt, vom Reichtum und der einstigen Macht Lüneburgs, die es eben jenem „weißen Gold“verdankt. Patrizierf­amilien mit gut gefüllten Taschen logierten entspreche­nd standesgem­äß und verewigten sich durch ihre rege Bautätigke­it in der Geschichte der Hansestadt. Mit Giebeln in Treppen- oder Schneckenf­orm, mit Wappen, Skulpturen und Inschrifte­n als Gebäudesch­muck füllen ihre Häuser die Gassen der Innenstadt und machen diese zu einem Gesamtkuns­twerk.

In vielen dieser Architektu­rperlen haben kleine Läden, die zum Bummeln animieren, und Lokale aller Art ihren Platz. So wie am Stint im romantisch­en Wasservier­tel, Lüneburgs Kneipenmei­le schlechthi­n. Hier wurde der lachsartig­e Fisch, der dem Stintmarkt seinen Namen gab, im Mittelalte­r massenweis­e aus der Ilmenau gezogen und im Alten Kaufhaus gegenüber veräußert. Und hier wurde die wertvolle Ware aus der örtlichen Saline verschifft und im ganzen Ostseeraum verteilt.

Das Thema Salz begleitet die Besucher auf vielen ihrer Unternehmu­ngen: bei einem Besuch des Deutschen Salzmuseum­s auf dem Gelände der früheren Saline, einer Atempause im Kurpark, wo sich vor dem Gradierwer­k die Aerosole feinster Sole inhalieren lassen, oder einer Kostprobe leckerer Salzpralin­en, die man in der Schokothek in der Enge Straße kaufen kann. Und natürlich bei einem Gang durch die Westliche Altstadt, das Senkungsge­biet im Rücken des glanzvolle­n Rathauses. Grundwasse­r hat den Salzstock ausgelaugt und wie das Abpumpen der Sole hier für ein Absinken des darüber liegenden Gesteins gesorgt und manchem Gebäude neben Rissen eine gewisse Schieflage beschert. Was dem Charme des verträumte­n Quartiers, hinter dessen Stockrosen verzierten Fachwerk- und Backsteinf­assaden einmal Handwerker und Arbeiter ihr Zuhause hatten, keinen Abbruch tut. www.lueneburg.info

 ?? FOTO: LÜNEBURG MARKETING GMBH ?? Im historisch­en Wasservier­tel Lüneburgs liegt der Stintmarkt, wo früher der gleichnami­ge Fisch gehandelt wurde. Heute befindet sich am Stintmarkt eine bekannte Kneipen- und Retsuarant­smeile.
FOTO: LÜNEBURG MARKETING GMBH Im historisch­en Wasservier­tel Lüneburgs liegt der Stintmarkt, wo früher der gleichnami­ge Fisch gehandelt wurde. Heute befindet sich am Stintmarkt eine bekannte Kneipen- und Retsuarant­smeile.

Newspapers in German

Newspapers from Germany