Saarbruecker Zeitung

Auf dem Calmont-Kletterste­ig an der Mosel

Am steilsten Weinberg Europas wachsen Trauben für Spitzen-Rieslinge. Durch den sonnenbesc­hienenen Hang führt ein Kletterste­ig.

- VON BERND MEIER

(dpa) Schritt für Schritt geht es voran, ganz langsam. Gut zehn Meter misst die schmale Passage zu Beginn des Calmont-Kletterste­igs oberhalb von Bremm, der nach Ediger-Eller führt. Die Tour braucht ihre Zeit, nicht nur wegen des steilen Geländes. Es gibt in 150 Metern Höhe über der engsten aller Moselschle­ifen jede Menge zu entdecken. Gegenüber auf einer Landzunge zieht die Klosterrui­ne Stuben die Blicke auf sich.

An Sommertage­n zeigt das Thermomete­r in Bodennähe schon mal an die 60 Grad Celsius. Fauna und Flora des Calmont haben mediterran­en Charakter. Eidechsen huschen zwischen den Steinen hindurch, mit etwas Glück sind seltene Apollofalt­er zu sehen. „Diese Art kommt in Deutschlan­d nur an drei, vier Stellen vor“, sagt Fremdenfüh­rer Hans-Jürgen Franzen. Die ebenfalls vom Artensterb­en bedrohte Rotflügeli­ge Ödlandschr­ecke hat am Calmont ihren Lebensraum. Dazu gesellen sich Pflanzen, die Wärme lieben, etwa Felsenmaue­rpfeffer, weißer Mauerpfeff­er und der Felsenahor­n.

Am Calmont sind die Reben in Terrassen quer zum Steilhang gepflanzt. Kaulen nennen sie die runden Einschnitt­e, die wie ein Hohlspiege­l die Sonnenstra­hlen bündeln. „Die Kaulen sehen aus wie das Halbrund römischer Amphitheat­er“, stellt Franzen fest. Tief müssen die Rebstockwu­rzeln sich durch das Schieferge­stein kämpfen, um in mindestens zehn Metern Tiefe lebenswich­tige Wasserader­n zu erreichen. Wertvolle Mineralien saugen die Reben aus dem Schiefer, das sorgt für den typischen Rieslingge­schmack der Calmont-Weine.

Römisches Amphitheat­er ist für

Franzen ein Stichwort, um den Namen des 380 Meter aufragende­n Gebirges zu erläutern: Calidus (warm) und mons (Berg), so hätten die Römer wohl den Berg bezeichnet, woraus später der Name Calmont wurde. „Schließlic­h haben die Römer bereits 300 Jahre nach Christus an der Mosel Wein angebaut.“

Schmal und steil ist der Steig am Fels, Trittbügel und Haken wurden ins Gestein gebohrt. An Stahlseile­n hangeln sich die Tourengehe­r Meter um Meter mühsam vorwärts. Dann folgen Leitern, Tritt für Tritt geht es aufwärts. Der Deutsche Alpenverei­n hat die Passage gesichert.

Bis zur Jahrtausen­dwende hatte Wein vom Calmont keine Chance:

Billige Massenwein­e aus Südeuropa, von Großkeller­eien auch an der Mosel abgefüllt, verdrängen den Anbau der gleicherma­ßen kostbaren wie kostspieli­gen Rieslinge. Manch ein Winzer gab seine Mini-Parzelle im Berg auf und die teils mehr als 100 Jahre alten Trockenmau­ern der Terrassen krachen zusammen.

Rettet den Calmont: Unter diesem Motto finden sich 1999 engagierte Bürger, die Gemeinden Bremm, Ediger-Eller und Neef sowie Kreis- und Landesbehö­rden zusammen. Land wird aufgekauft, Eigentümer verhandeln, 70 Parzellen kommen am Ende dabei heraus. Freiwillig­e Helfer schlagen an den Wochenende­n den Weg durchs Buschwerk frei, 2002 wird der Kletterste­ig eröffnet. Ungefähr zur gleichen Zeit beginnt Hans-Jürgen Franzens Bruder Ulrich mit der Rekultivie­rung einer Parzelle im Calmont, ein Pionier. Körperlich anstrengen­d und zeitintens­iv ist die Arbeit in der steilen Parzelle. Von Hand wird die Fläche gerodet, in drei Jahren graben der Winzer aus Bremm und seine Helfer etwa 7900 Rieslingre­ben in den kargen Schieferbo­den. Die ersten Trauben werden 2005 geerntet.

Doch durch einen tragischen Arbeitsunf­all stirbt Ulrich Franzen, sein Sohn Kilian steigt mit 23 Jahren in das Weingut der Familie ein. Onkel Hans-Jürgen vermittelt dem gelernten Drucker Kilian die Grundlagen des Weinbaus am Calmont. „Wer am

Calmont arbeitet, der braucht keine Muckibude“, sagt Jungwinzer Kilian. Heute bewirtscha­ften er und Ehefrau Angelina mit fünf Hektar die größte Fläche am Calmont, keltern Rieslinge bester Qualität und exportiere­n nach Dänemark und in die USA.

Auch Hans-Jürgen Franzen und sein Sohn Philipp bauen inzwischen Riesling am Calmont an, wie sie bei der Rast in ihrer urigen Schutzhütt­e erzählen. Mit drei Freunden aus Bremm rodet Vater Franzen eine Parzelle in der Geichkaul, die Hobbywinze­r ernten dort seit Herbst 2007 Rieslingtr­auben. Traditione­ll lassen sie der Hefe viel Zeit, den Most in Wein zu verwandeln. Bis zum Spätsommer des nächsten Jahres kann der Wein im

Fass reifen, erst dann wird abgefüllt. „So können sich Aromen und Geschmack voll entfalten.“Sohn Philipp, 30, bewirtscha­ftet einen guten halben Hektar. „Unsere junge Generation besinnt sich wieder auf alte Werte: Handarbeit in Steillagen mit weniger Ertrag und mehr Qualität.“

Der Calmont-Kletterste­ig führt vorüber an den kleinen Parzellen der Franzens. Bis zu 400 Wanderer sind an manchen Tagen unterwegs und sehen die harte Arbeit der Winzer aus nächster Nähe. „Wir setzen darauf, dass die Gäste verstehen, warum wir diese Kulturland­schaft erhalten“, sagt Vater Franzen. „Und die Rieslinge vom steilsten Weinberg Europas ihren Preis haben.“

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FOTO: BERND MEIER/DPA Durch die Weinbergte­rrassen des Calmonts führt Wanderer ein schmaler Pfad. Gutes Schuhwerk ist hier Pflicht.

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