Saarbruecker Zeitung

Das Modernste hier ist die Heizung

Mit Freude am Dekorative­n gebaut: Die evangelisc­he Kirche Karlsbrunn ist ein Wahrzeiche­n im Warndtwald.

- VON WALTER FAAS Produktion dieser Seite: Michaela Heinze Oliver Spettel

Was hat die Evangelisc­he Kirche Karlsbrunn mit dem Scheinries­en „Tur Tur“aus dem Roman „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivf­ührer“zu tun? Pfarrer Horst Gaevert kann es schlüssig erklären. Zunächst: Der Besucher, der sich Karlsbrunn von oben, etwa dem stillgeleg­ten Bergwerk Warndt, nähert, wähnt die Kirche im Tal. Ganz anders von unten, aus der Perspektiv­e des gegenüberl­iegenden Jagdschlös­schens: Von hier aus betrachtet steht die Kirche auf dem Berg.

Heinrich Schmidt, Fahrsteige­r, Landwirt und einer von seinerzeit nur drei Katholisch­en in Karlsbrunn, hatte die Parzelle am Ende des 19. Jahrhunder­ts mit den Worten „Wenn auf meinem Acker ein Gotteshaus gebaut werden soll, dann will ich dafür keine Bezahlung haben“, unentgeltl­ich überlassen. Und weil der mit einem Spitzhelm bewehrte Kirchturm direkt an den Eingangsbe­reich des Langhauses angebaut ist, und weil der Fußweg zum Ensemble steil ist, ergibt sich von unten der Eindruck einer großen Burg Gottes. „Der sich rasch relativier­t. Innen erleben wir eine kleine überschaub­are Dorfkirche mit anheimelnd­em Charakter“, kommt Pfarrer Gaevert auf das Bild des Scheinries­en Tur Tur, der aus der Nähe immer kleiner wird, zurück.

Als in der Mitte des 19. Jahrhunder­ts, der Industrial­isierung wegen, die Zahl der evangelisc­hen Christen im Warndt stetig stieg, entstand der Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus. Mit der Planung wurde der renommiert­e Architekt Heinrich Güth (der auch die Saarbrücke­r Johanneski­rche konzipiert hat) beauftragt. Der Spatenstic­h erfolgte am 7. April 1896. Der Grundstein vom 7. Juni 1896 ist bis heute neben dem Zugang zur Sakristei erhalten. Bereits am 12. August 1897 konnte die Kirche dann geweiht werden.

Die Außenmauer­n mit hellem und farbreinem Material aus lothringis­chen Steinbrüch­en passen gut in die waldreiche Gegend. Der neugotisch gestaltete Innenraum mit vierachsig­em Langhaus, Tonnengewö­lbe und fünfseitig­em polygonale­m Chor bietet, einschließ­lich seiner Eichenempo­re, 220 Sitzplätze. Im Chor, der durch zwei Stufen und einen Triumphbog­en vom Langhaus getrennt ist, steht mittig der helle Altar. Dahinter stehen die Worte „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde“zu lesen. Darüber befinden sich drei schlanke Kirchenfen­ster mit filigranen Blütenmust­ern. Das mittlere Fenster zeigt – zentral – Christus, darüber den Hirsch als Hinweis auf das ausgedehnt­e Jagdrevier des Warndtwald­es. Am Triumphbog­en ist seitlich die sehenswert­e, aus Eiche geschnitzt­e, Kanzel angebracht. Darüber hinaus werden in der Karlsbrunn­er Kirche die Glocke der früheren Großrossel­er Kapelle, die Turmuhr von 1897, barocke Grabsteine sowie ein die Völkervers­tändigung anmahnende­s Holzkreuz aus der Forbacher Friedenski­rche aufbewahrt. „Unsere Orgel ist 50 Jahre älter als die Kirche selbst“sagt Pfarrer Gaevert, und weist darauf hin, dass die Orgel, erbaut 1849, in den Warndt kam mit der Bedingung der Vorbesitze­rin, der Evangelisc­h-Reformiert­en Kirchengem­einde im nordrhein-westfälisc­hen Heiligenha­us, „… dass sie irgendeine­r armen Gemeinde, die noch keine Orgel hat, unentgeltl­ich überlassen werde“. Sie erklang am 11. September zum ersten Mal in Karlsbrunn. „Da sie regelmäßig gewartet wird, tut sie bis heute brav ihren Dienst“, sagt Küsterin Gertrud Herth.

Erst vor wenigen Tagen wurde in der Evangelisc­hen Kirche Karlsbrunn ein wichtiger Bauabschni­tt erfolgreic­h zu Ende geführt, die Renovierun­g der Heizungsan­lage, der Elektrik und die nötige Reparatur der Kirchturmu­hr. Liane Tilly-Balz, zuständige Baukirchme­isterin, fasst das Ergebnis zusammen: „Wir haben jetzt hier eine der ältesten Kirchen in der Region mit der modernsten Heizung.“Anteil am Erfolg hatten auch die Küsterin Gertrud Herth mit ihrem Mann Adolf und dem Hausmeiste­r Roman Herth, die den Vorschlag gemacht hatten, zwei Bankreihen von vorne nach hinten zu versetzen: „Auf diese Weise konnten wir beim Umbau der Belüftung vorne wertvolle Fliesen erhalten und haben eine zusätzlich­e Fläche für Gemeindeak­tivitäten gewonnen, ohne Sitzplätze einzubüßen“, lobt die Baukirchme­isterin.

Damit die Karlsbrunn­er Kirche weiterhin Wahrzeiche­n des (früheren) Bundessieg­ers „Unser Dorf soll schöner werden“bleibt, darum kümmert sich auch die „Stiftung zur Förderung der ehemaligen Evangelisc­hen Kirchengem­einde Karlsbrunn“um den Vorsitzend­en Heinrich Bayer mit Spenden. Bayer: „Uns liegt besonders der Erhalt dieser Kirche und des alten denkmalges­chützten Friedhofes in unmittelba­rer Nachbarsch­aft am Herzen.“

Auf der Seite Momente stellt die Saarbrücke­r Zeitung im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorben­er vor.

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Die evangelisc­he Kirche Karlsbrunn erweckt von außen den Eindruck einer großen Burg Gottes, innen ist sie heimelig wie eine kleine Dorfkirche. Dekorative Details ziehen die Blicke auf sich.
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FOTOS: WALTER FAAS
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