Das Modernste hier ist die Heizung
Mit Freude am Dekorativen gebaut: Die evangelische Kirche Karlsbrunn ist ein Wahrzeichen im Warndtwald.
Was hat die Evangelische Kirche Karlsbrunn mit dem Scheinriesen „Tur Tur“aus dem Roman „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“zu tun? Pfarrer Horst Gaevert kann es schlüssig erklären. Zunächst: Der Besucher, der sich Karlsbrunn von oben, etwa dem stillgelegten Bergwerk Warndt, nähert, wähnt die Kirche im Tal. Ganz anders von unten, aus der Perspektive des gegenüberliegenden Jagdschlösschens: Von hier aus betrachtet steht die Kirche auf dem Berg.
Heinrich Schmidt, Fahrsteiger, Landwirt und einer von seinerzeit nur drei Katholischen in Karlsbrunn, hatte die Parzelle am Ende des 19. Jahrhunderts mit den Worten „Wenn auf meinem Acker ein Gotteshaus gebaut werden soll, dann will ich dafür keine Bezahlung haben“, unentgeltlich überlassen. Und weil der mit einem Spitzhelm bewehrte Kirchturm direkt an den Eingangsbereich des Langhauses angebaut ist, und weil der Fußweg zum Ensemble steil ist, ergibt sich von unten der Eindruck einer großen Burg Gottes. „Der sich rasch relativiert. Innen erleben wir eine kleine überschaubare Dorfkirche mit anheimelndem Charakter“, kommt Pfarrer Gaevert auf das Bild des Scheinriesen Tur Tur, der aus der Nähe immer kleiner wird, zurück.
Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts, der Industrialisierung wegen, die Zahl der evangelischen Christen im Warndt stetig stieg, entstand der Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus. Mit der Planung wurde der renommierte Architekt Heinrich Güth (der auch die Saarbrücker Johanneskirche konzipiert hat) beauftragt. Der Spatenstich erfolgte am 7. April 1896. Der Grundstein vom 7. Juni 1896 ist bis heute neben dem Zugang zur Sakristei erhalten. Bereits am 12. August 1897 konnte die Kirche dann geweiht werden.
Die Außenmauern mit hellem und farbreinem Material aus lothringischen Steinbrüchen passen gut in die waldreiche Gegend. Der neugotisch gestaltete Innenraum mit vierachsigem Langhaus, Tonnengewölbe und fünfseitigem polygonalem Chor bietet, einschließlich seiner Eichenempore, 220 Sitzplätze. Im Chor, der durch zwei Stufen und einen Triumphbogen vom Langhaus getrennt ist, steht mittig der helle Altar. Dahinter stehen die Worte „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde“zu lesen. Darüber befinden sich drei schlanke Kirchenfenster mit filigranen Blütenmustern. Das mittlere Fenster zeigt – zentral – Christus, darüber den Hirsch als Hinweis auf das ausgedehnte Jagdrevier des Warndtwaldes. Am Triumphbogen ist seitlich die sehenswerte, aus Eiche geschnitzte, Kanzel angebracht. Darüber hinaus werden in der Karlsbrunner Kirche die Glocke der früheren Großrosseler Kapelle, die Turmuhr von 1897, barocke Grabsteine sowie ein die Völkerverständigung anmahnendes Holzkreuz aus der Forbacher Friedenskirche aufbewahrt. „Unsere Orgel ist 50 Jahre älter als die Kirche selbst“sagt Pfarrer Gaevert, und weist darauf hin, dass die Orgel, erbaut 1849, in den Warndt kam mit der Bedingung der Vorbesitzerin, der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde im nordrhein-westfälischen Heiligenhaus, „… dass sie irgendeiner armen Gemeinde, die noch keine Orgel hat, unentgeltlich überlassen werde“. Sie erklang am 11. September zum ersten Mal in Karlsbrunn. „Da sie regelmäßig gewartet wird, tut sie bis heute brav ihren Dienst“, sagt Küsterin Gertrud Herth.
Erst vor wenigen Tagen wurde in der Evangelischen Kirche Karlsbrunn ein wichtiger Bauabschnitt erfolgreich zu Ende geführt, die Renovierung der Heizungsanlage, der Elektrik und die nötige Reparatur der Kirchturmuhr. Liane Tilly-Balz, zuständige Baukirchmeisterin, fasst das Ergebnis zusammen: „Wir haben jetzt hier eine der ältesten Kirchen in der Region mit der modernsten Heizung.“Anteil am Erfolg hatten auch die Küsterin Gertrud Herth mit ihrem Mann Adolf und dem Hausmeister Roman Herth, die den Vorschlag gemacht hatten, zwei Bankreihen von vorne nach hinten zu versetzen: „Auf diese Weise konnten wir beim Umbau der Belüftung vorne wertvolle Fliesen erhalten und haben eine zusätzliche Fläche für Gemeindeaktivitäten gewonnen, ohne Sitzplätze einzubüßen“, lobt die Baukirchmeisterin.
Damit die Karlsbrunner Kirche weiterhin Wahrzeichen des (früheren) Bundessiegers „Unser Dorf soll schöner werden“bleibt, darum kümmert sich auch die „Stiftung zur Förderung der ehemaligen Evangelischen Kirchengemeinde Karlsbrunn“um den Vorsitzenden Heinrich Bayer mit Spenden. Bayer: „Uns liegt besonders der Erhalt dieser Kirche und des alten denkmalgeschützten Friedhofes in unmittelbarer Nachbarschaft am Herzen.“
Auf der Seite Momente stellt die Saarbrücker Zeitung im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor.