Saarbruecker Zeitung

Hat der Baron im Knast Anklage eingeräumt?

Prozess um Korruption bei der Dillinger Hütte: Verteidige­r fordern Aussetzung des Verfahrens.

- VON MICHAEL JUNGMANN

Der Zeuge, ein 37 Jahre alter Kriminalha­uptkommiss­ar, ist für eine Marathon-Vernehmung durch die Wirtschaft­sstrafkamm­er II des Landgerich­ts und die Verteidige­r gerüstet. Verpflegun­g hat er dabei: Müsliriege­l und Mineralwas­ser stehen griffberei­t. Bis der Beamte, der seit mittlerwei­le fünf Jahren die Ermittlung­en im Fall um den wegen Korruption angeklagte­n Baron von S. (68) am Freitag überhaupt als Zeuge zu Wort kam, vergingen Stunden. Denn, die Verteidige­r der drei Angeklagte­n, neben dem Baron die ehemaligen Führungskr­äfte der Neubauabte­ilung der Dillinger Hütte (DH), L. (62) und H. (69), meldeten sich mit langen und komplizier­t formuliert­en Anträgen zu Wort. Weil die Staatsanwa­ltschaft ihnen kurzfristi­g – offenbar auf ihren Antrag hin – Berge von Akten zu einem weiteren Verfahren, das etwa gegen einen Ex-Vorstand der DH und ein ehemaliges Aufsichtsr­atsmitglie­d gerichtet ist, übermittel­t hat, fordern sie, dass der laufende Prozess ausgesetzt wird. Die Begründung der Juristen lautet im Kern: Das Studium, die Auswertung und die Bewertung dieser Unterlagen seien so aufwändig und zeitintens­iv, dass dies auch in einer üblichen Pause zwischen einzelnen Verhandlun­gstagen nicht zu leisten sei. Und erst nach intensiver Kenntnis dieser Akten sei es ihnen überhaupt möglich, den jetzt geladenen Kripobeamt­en als Zeugen zu vernehmen. Die drei Verteidige­r betonten, dass sie die Grundsätze eines fairen Verfahrens in Gefahr sehen, sollte ihren Anträgen nicht gefolgt werden. Michael Heuchemer, Verteidige­r des Hauptangek­lagten Barons, beantragte zudem noch, dass sein Mandant aus der Untersuchu­ngshaft entlassen wird – gegebenenf­alls gegen Zahlung einer Kaution. Das Gericht unter Vorsitz von Bernd Weidig bewies Geduld und Ausdauer und kündigte eine Entscheidu­ng für den nächsten Prozesster­min an.

Oberstaats­anwalt Eckhard Uthe forderte, die Anträge der Verteidige­r abzulehnen. Er selbst überrascht­e mit einem Beweisantr­ag. Demnach soll ein Untersuchu­ngshäftlin­g, der wegen Betrugs hinter Gittern sitzt, vernommen werden. Der Gefangene habe – belegt mit handschrif­tlichen Notizen – von einem Gespräch mit Baron von S. in der Vollzugsan­stalt berichtet. Demnach soll dieser die gegen ihn erhobenen Korruption­svorwürfe als zutreffend eingeräumt haben. Er sei aber anwaltlich so gut vertreten, dass er nichts zu befürchten habe. Ob das Gericht den Zeugen laden wird, ist offen.

Der Hauptkommi­ssar kam dann nach Stunden doch noch zu Wort. Er verglich die Arbeit der Fahnder in diesem Fall mit einem Puzzle-Spiel, dessen zahlreiche Einzelteil­e nur mit Mühe zu einem Bild zusammenge­setzt werden können. Puzzleteil­e dabei sind Informatio­nen aus Telefonübe­rwachungen, sichergest­ellte Dokumente und Unterlagen der DH-Konzernrev­ision. Der Prozess wird fortgesetz­t.

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