Gecoverte Songs mit eigener Note
Anny Hwang und Greg Cohen überzeugen bei Resonanzen-Festival als Duo und Solisten.
Eine „Reise zu Elementen und Planeten, zu Märchen und Legenden“versprach Anny Hwang. Vor allem aber wurde es ein Ausflug zu den (frühen) Schnittstellen von E-Musik und Jazz: Die klassische Pianistin ließ sich von dem kalifornischen Kontrabassisten Greg Cohen aus der Reserve locken und eroberte mit ihm im Duo ungewohntes amerikanisches Blue Note-Terrain. So geschehen am Freitag im gut besuchten Pingussonbau im Rahmen des Resonanzen-Festivals.
Cohen, Fachbereichsleiter Bass am Jazz-Institut Berlin, wo auch die in Dudweiler aufgewachsene Anny Hwang seit zehn Jahren wohnt, ist ohnehin ein Wanderer zwischen den Welten. Jazz, Rock, Klassik, Big BandSwing und Country Music. Hwang, „Superbotschafterin des Saarlandes“, macht sich zwar für interdisziplinäres Arbeiten stark, aber „Greg pusht mich, Neues zu probieren“, verriet sie dem Publikum: „Zusammen machen wir unser Ding.“Was bedeutet, Klassik und Blue Notes in eigenen Duo-Bearbeitungen zusammen zu führen.
Ehrensache, dass die auskunftsfreudigen Solisten hier auch alleine agierten, um in ihrem Metier zu glänzen. So begeisterte Hwang mit einer fabelhaft plastischen Interpretation von Franz Liszts H-Moll-Ballade „Hero und Leander“, die angeblich auf Schillers gleichnamigem dramatischem Gedicht über zwei unglückliche Liebende der griechischen Mythologie beruht. Belegt ist dies nicht, aber so, wie Hwang es spielte, konnte man direkt vor sich sehen, wie Leander nachts die unheilvoll brausenden Wogen des Hellespont durchschwimmt, im Dunkeln die Orientierung verliert und in tiefen Strudeln den Tod findet, worauf sich auch Hero entleibt. Bei allem Virtuosendonner verwandelte Hwang diese Tragödie in ein vor prä-impressionistischer Farbenpracht geradezu berstendes Klanggemälde – da passte es stilistisch wie inhaltlich, dass Hwang und Cohen den Abend mit Maurice Ravels „Jeux d‘eau“eröffnet hatten.
Mit dem amerikanischen Vaudevilleund Broadway-Songwriter John Frederick Coots steuerte das Konzert dann mit viel Spielwitz in jazzigere Gewässer und dockte bei einem amerikanischen Zeitgenossen Liszts, dem Komponisten Louis Moreau Gottschalk aus New Orleans, an: Hier gab‘s kreolische Rhythmen, einen mal perkussiv peitschenden, mal mit beseeltem Bogen gestrichenen Kontrabass und glitzernde Pianotöne zu bewundern. Bluesig und groovy ging‘s bei Cohens Solo „Indian Summer“des in Deutschland aufgewachsenen Tin Pan Alley-Komponisten Victor Herbert zu, und bei „Frozen Caldera“aus Cohens eigener Feder spielten beide so exakt parallele Läufe, dass sie wahrlich wie in Eis gemeißelt schienen.
Mit Gershwins temperamentvoll funkelnder „Rhapsody in Blue“bogen die zwei ins Finale und gaben als Zugabe eine selbst geschriebene Nummer über einen aus der Nachbarwohnung ausgebüxten Skorpion. Dieses unheilvoll lauernde Stück, im Spannungsbereich zwischen Neuer und Improvisierter Musik, war von der Tonsprache das modernste des Abends. Riesenapplaus.