Trance-artiger Sog im Dämmerlicht
Ammonites bunte Lichter tanzen zu den Klängen des Jazz-Trompeters Nils Petter Molvaer.
(kek) Eine spiralförmige Achterbahn aus Neonröhren in rhythmisch pulsierendem Lichtund Farbenrausch – so sieht die Konstruktion für die Lichtinstallation Ammonite aus, die während des Resonanzen-Festivals schon mehrfach zu bewundern war. Geschaffen wurde sie 2017 von dem Brüsseler Collectif Scale, um Konzerte visuell zu veredeln: Ammonite reagiert auf Musik und macht so jeden Auftritt zum Genre-überschreitenden Gesamtkunstwerk.
Am Samstag begleitete das Lichtspektakel nun das ausverkaufte Solo des hoch gehandelten norwegischen Jazz-Trompeters Nils Petter Molvaer, der als Pionier der Fusion akustischer und elektronischer Klangerzeugung gilt. In der düsteren Johanneskirche verschwand der 60-jährige Klangforscher schier in den Schwaden einer Nebelmaschine, die den Altarraum in ein dunstig unwirkliches Dämmerlicht tauchten: In diesem fantastischen Tempel konnte Ammonite seine volle Wirkung entfalten. Irgendwie schien die Kälte im Raum (wegen der Corona-Regeln durfte nicht geheizt werden) die surreale Atmosphäre noch zu verstärken, und auch der ausgeprägte Hall des Gotteshauses machte sich in dieser Hinsicht ausnahmsweise einmal positiv bemerkbar. Dabei nutzte Molvaer schon diverse Soundeffekte, um den bemerkenswert flauschigen Ton seiner schwärenden Trompete überdimensional aufzuplustern beziehungsweise zu verfremden und in die mal sphärische, mal eher perkussive Klangkulisse einzubetten. Selbst wenn die diffus wabernden Beats sich verdichteten, schärfer, härter und rauher wurden, herrschte doch meist eine - typisch skandinavisch - introvertierte Grundstimmung.
So hockte Molvaer oft passiv vornüber gebeugt, kontemplativ den Sounds nachlauschend, die er zuvor mittels Laptop entfacht hatte. In diesem Trance-artigen Sog mischten sich nordische Naturempfindung und asiatische Klangphilosophie mit weiteren weltmusikalischen Einflüssen und urbanen Grooves: Mal schien man in der afrikanischen Steppe Zeuge archaischer Rituale und beschwörender Voodoo-Kults zu werden, dann wieder kippte die Stimmung mit Orgelklängen ins weihevoll Sakrale. Und Ammonites bunte Lichter tanzten dazu, in Intensität und Tempo angepasst. Mal wogten sie sanft und fließend, mal hüpften sie als quirlige einzelne Punkte, explodierten wie ein Feuerwerk.
Als Zugabe nach all diesen Trompeten-Fantasien spielte Molvaer zum Kontrast eine reduzierte Version von Ehden Ahbez‘ melancholischem Jazzstandard „Nature Boy“, in die leider einige Konzertbesucher respektlos hinein lärmten.
Co-Festivalleiter Sebastian Studnitzky zeigte sich mit dem Verlauf von Resonanzen trotz kurzfristiger Corona-bedingter Absagen und räumlicher Umdisponierungen „sehr glücklich“: „Das Festival war schon eine krasse Nummer! Die Musiker waren froh, dass sie wieder spielen durften.“