Der Wintersport kämpft um seine Zukunft
Am Wochenende beginnt in Sölden der alpine Ski-Weltcup. Die Saison ist geprägt von ungemeinen Herausforderungen.
(sid) Die Reise ins Ungewisse beginnt zumindest an einem bekannten Ort. Das österreichische Sölden ist wie in jedem Jahr Schauplatz der ersten Weltcup-Rennen der alpinen Ski-Rennläufer – und doch wird am kommenden Wochenende alles anders sein. Im nicht mehr so ewigen Eis des Rettenbachgletschers findet ein Lackmustest statt: In Zeiten von Corona und damit drohender Absagen steht nicht weniger als die Zukunft des gesamten Wintersports auf dem Prüfstand.
Dabei geht es in diesem WM-Winter nicht um den Sport an sich, nicht um Sieger oder Besiegte. „Die Fokussierung muss darauf liegen, dass überhaupt etwas stattfinden kann. Wenn wir nicht präsent sind, gehen 80 Prozent der Verbände pleite. Dann ist der Wintersport tot“, sagt Wolfgang Maier, Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV ). Daher seien internationale wie nationale Verbände erst mal geradezu „davon getrieben, dass irgendwie etwas stattfinden kann“.
Die Angst ist verständlich: Ohne Rennen gibt’s kein Geld von Sponsoren oder vom Fernsehen. Für den DSV hieße dies: Finden gar keine Weltcup-Wettbewerbe statt, fehlen ihm 93 Prozent seiner Einnahmen. Nur sieben Prozent des Etats in Höhe von fast 37 Millionen Euro sind durch öffentliche Gelder gedeckt. Für den DSV ist es daher überlebenswichtig, dass seine zehn Weltcups bei Alpinen und Nordischen stattfinden – nur so kann er trotz Corona Einnahmen generieren.
Sölden ist nun der erste Ort, der die Corona-Richtlinien des Internationalen Ski-Verbandes (FIS) ebenso umsetzen muss wie die Vorgaben lokaler, regionaler und nationaler Behörden. Die Hygiene-Maßnahmen werden rigoros sein, alle Gruppen sollen strikt getrennt werden. „Es wird ein Testlauf werden“, sagt Maier. Er erwartet eine Antwort auf die Frage, „ob und wie wir danach in die Saison starten können“. So richtig los geht es ja erst im Dezember.
Logistisch wird der Weltcup-Winter ein Albtraum werden. Das gilt allein schon für die verpflichtenden Tests, die nicht älter als 72 Stunden sein dürfen. Sportler und Betreuer reisen freilich praktisch permanent umher und passieren dabei in der Regel auch Ländergrenzen. „Der DSV“, versichert Maier, „wird die gesetzlichen Vorgaben erfüllen, sofern das in seiner Macht steht.“Das hört sich allerdings wesentlich einfacher an, als es in der Realität ist.
Damit die Tests immer und an jedem Ort auf dem neuesten Stand sind, will der DSV mit einem Dienstleister zusammenarbeiten. Dieser würde die von den Athleten und ihren Betreuern selbst mitgeführten Testkits von einem Kurier abholen lassen, etwa im Hotel. Die Proben würden dann umgehend in ein zertifiziertes Labor im jeweiligen Land transportiert und dort untersucht. „Anders gehts wohl nicht“, sagt Maier. Allerdings: Das kostet den DSV
1,2 Millionen Euro für den Winter.
Der Aufwand scheint dennoch kaum zu bewältigen, zumal es auch noch Europacup-, (drittklassige) FIS- und Nachwuchs-Wettbewerbe gibt. Wer gerade wo getestet werden muss oder wo gerade welche Bestimmungen gelten, ist nicht nebenher zu klären. „Wir werden nicht drumherum kommen, jemanden abzustellen oder einzustellen“, sagt Maier: „Wir brauchen eine Person, die da den Überblick behält.“