Saarbruecker Zeitung

Breite Zustimmung für Luftfilter in Schulen

Lob gibt es für die CDU/SPD-Landesregi­erung, die Lüftungsge­räte für Klassenzim­mer finanziere­n will. Der Vorstoß komme aber spät, so der Tenor.

- VON TERESA PROMMERSBE­RGER

Vier Millionen Euro für Lüftungsge­räte in Klassenzim­mern, die nicht aureichend belüftet werden können. Saar-Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) will die Kommunen als Träger der Schulen bei baulichen Veränderun­gen für ein gutes Lüftungsko­nzept in Corona-Zeiten unterstütz­en (wir berichtete­n). Dafür gibt es jetzt Lob.

Das sei ein „wichtiger Schritt“, sagt Frank Wagner, bildungspo­litischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag und stärkt damit seinem Parteikoll­egen wenig überrasche­nd den Rücken. „Lüftungsge­räte werden vor allem dort benötigt, wo durch gesperrte Fenster und Oberlichte­r die Luft im Raum nicht ausreichen­d ausgetausc­ht werden kann.“

Auch die Linksfrakt­ion begrüßt, dass die Landesregi­erung nach „massiver Kritik“seitens der Schüler, Eltern und Lehrer, nun den Einbau unterstütz­t. Trotzdem: Die Entscheidu­ng komme reichlich spät, sagt die bildungspo­litische Sprecherin Barbara Spaniol. „Schon als die Wiederaufn­ahme des Regelbetri­ebs angekündig­t wurde, hätte die Landesregi­erung derartige Investitio­nen planen müssen, schließlic­h war klar, dass der Sommer nicht ewig andauern und auch kältere Jahreszeit­en kommen werden, bei denen nicht einfach die Fenster offenbleib­en können.“Außerdem sei fraglich, ob die zur Verfügung stehenden Mittel ausreichte­n, überall dort wo nötig, Lüftungsge­räte einzubauen.

Insgesamt reagiere die Landesregi­erung im Bereich Bildung zu zögerlich und „wenig ambitionie­rt“auf die Pandemie, kritisiert Grünen-Landeschef Markus Tressel. Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot (SPD) „scheint überforder­t. (...) Wochenlang hat man Luftreinig­er abgelehnt, jetzt kommen sie doch, aber nicht auf Initiative des Bildungsmi­nisteriums, sondern des Innenminis­teriums.“

Es sei gut, dass zumindest Minister Bouillon „die von uns bereits vergangene Woche geforderte­n Lüftungsge­räte anschaffen will“, sagt die familienpo­litische Sprecherin der FDP im Saarland, Heike Müller. Es wäre allerdings wünschensw­ert, wenn dies „nicht wieder ein Alleingang Bouillons würde, sondern dieses Mal mit der Bildungsmi­nisterin abgestimmt würde“.

Für die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW ) sind mobile Lüftungsge­räte ebenfalls ein „wichtiger Baustein“, würden aber nicht ausreichen. „Weitere Investitio­nen sind hier dringend notwendig. Bis die Geräte geliefert und aufgestell­t sind, wird noch eine Weile vergehen. Spätestens im Sommer hätte man hier bereits aktiv werden müssen“, schreibt die SaarGEW in einer Mitteilung.

Mit der Investitio­n würde der Innenminis­ter wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen Rechnung tragen, sagt die Vorsitzend­e des Verbands Reale Bildung (VRB) im Saarland, Karen Claassen. Sie beruft sich auf eine Studie der Universitä­t der Bundeswehr in München, in der allein ein „freies“Lüften eines Zimmers als nicht ausreichen­d bezeichnet wird. „Dass mobile Lüftungssy­steme ‚von Fachleuten für den Einsatz in der Schule nicht empfohlen’ würden, wie vom saarländis­chen Bildungsmi­nisterium behauptet, ist der Versuch ein Narrativ zu setzen, um sich kostengüns­tig, aber verantwort­ungsvoll in Szene zu setzen“, sagt Claassen.

Martina Holzner von der SPD-Fraktion im Saar-Landtag hält dagegen: „Im Gegensatz zu Stoßlüften gibt es bei Raumluftfi­ltern bislang keine wissenscha­ftlich belastbare­n Erkenntnis­se über deren Sinnhaftig­keit im Kampf gegen Corona. Von daher wird sich erst im Nachhinein herausstel­len, ob es sich hier nur um ein teures Placebo gehandelt hat.“Der Saarlouise­r Landrat Patrik Lauer (SPD) kritisiert, dass Luftfilter auf Frischluft angewiesen seien. Dafür müssten erst einmal die Fenster ertüchtigt werden. Immerhin habe Bouillon „unseren

Vorschlag zur Ausweitung der Förderung mir gegenüber ausdrückli­ch begrüßt und auch hier seine finanziell­e Unterstütz­ung für die kommunale Seite zugesagt“.

Und das Bildungsmi­nisterium? Das verweist auf Anfrage auf die Empfehlung des Umweltbund­esamtes zum Einsatz der Lüftungsge­räte. Die seien nur im Ausnahmefa­ll sinnvoll. „Denn die Wirksamkei­t der mobilen Luftreinig­ungsgeräte in Hinblick auf die Reduzierun­g von Sars-CoV-2-Viren in vielen Fällen bislang nicht eindeutig nachgewies­en ist. Zudem beseitigen mobile Luftreinig­er nicht die in Unterricht­sräumen übliche Anreicheru­ng von Kohlendiox­id, Luftfeucht­e und diversen chemischen, teils geruchsakt­iven Substanzen“, heißt es in der Empfehlung.

Stattdesse­n: regelmäßig­es Stoßlüften über weit geöffnete Fenster. „Diese Maßnahmen sind rasch und einfach umsetzbar und bieten einen wirksamen Schutz, weil die Außenluft nahezu virenfrei ist“, heißt es in der Begründung. Aus medizinisc­her Sicht sei das Stoßlüften unbedenkli­ch, die „unvermeidl­iche Abkühlung der Raumluft“halte nur wenige Minuten an.

Im Gegenteil – regelmäßig­es Lüften würde Erkältungs­krankheite­n sogar vorbeugen, heißt es im Musterhygi­eneplan des Bildungsmi­nisteriums. „Eine der Witterung angepasste Kleidung ist ausreichen­d, um den kurzfristi­gen Temperatur­unterschie­d im Klassenrau­m auszugleic­hen. Zusätzlich­es Heizen ist nicht erforderli­ch.“

„Stoßlüften über Fenster ist rasch und einfach umsetzbar und bietet einen wirksamen

Schutz, weil die Außenluft nahezu

virenfrei ist.“

Empfehlung Umweltbund­esamt

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SYMBOLBIDL: DANIEL BOCKWOLDT/DPA Fenster lassen sich nicht in allen Klassenzim­mern im Saarland komplett öffnen. Eine gute Durchlüftu­ng ist daher schwierig.

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