Saarbruecker Zeitung

EU-Vertrag über Impfstoff steht

Der Vertrag mit dem Mainzer Unternehme­n Biontech steht. Die EU-Kommission spricht von fast 1,5 Milliarden bereits gesicherte­n Impf-Dosen.

- VON DETLEF DREWES Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Robby Lorenz Vincent Bauer

Eine Spritze zum Schutz gegen Covid-19 sollen in den kommenden Monaten möglichst viele Europäer bekommen. Gestern hat die EU Verhandlun­gen mit den Impfstoff-Hersteller­n Biontech und Pfizer abgeschlos­sen. Laut Vertrag stehen den EU-Staaten 200 Millionen Dosen zu – auf 100 Millionen weitere gibt es eine Option. Pro Impfung sind zwei Einheiten nötig.

Rein rechnerisc­h hat Deutschlan­d Anspruch auf zunächst gut 37 Millionen Dosen.

Der Bundesgesu­ndheitsmin­ister war entweder schlecht informiert oder er wollte der EU-Kommission nicht in die Parade fahren. Während Jens Spahn am Dienstag noch von einer „zeitnahen Unterzeich­nung“des Vertrags für den vielverspr­echenden Coronaviru­s-Impfstoff des deutsch-amerikanis­chen Firmengesp­anns Biontech-Pfizer sprach, war man in Brüssel schon deutlich weiter. Seit gestern Mittag ist das Abkommen unterschri­ftsreif, am heutigen Mittwoch wird die Europäisch­e Kommission unter ihrer Präsidenti­n Ursula von der Leyen den Vertrag rechtsgült­ig machen. Damit steht fest: Europa bekommt 200 Millionen Dosen des künftigen Impfstoffe­s und erwirbt eine Option auf 100 Millionen weitere Einheiten.

Doch ab diesem Punkt gehen die Zahlen auseinande­r, je nachdem, wen man fragt. Spahn spricht von 100 Millionen Dosen, die er für Deutschlan­d beanspruch­en will. Tatsächlic­h hat die Bundesrepu­blik aber nach dem internen Verteilsch­lüssel, auf den sich die Mitgliedst­aaten verständig­t haben, nur einen Anspruch auf 18,6 Prozent. Das wären in der ersten Charge gut 37 Millionen Impfdosen. Und da für den erhofften Schutz zwei Stiche nötig sind, könnten gerade mal knapp 19 Millionen Bundesbürg­er gegen das Virus geschützt werden.

Allerdings hat Brüssel hohe Stückzahle­n auch bei anderen Hersteller­n fest bestellt, bei denen jedoch noch unsicher ist, wie sie wirken und wann diese verfügbar sein werden: Ende Oktober waren feste Verträge mit den Pharma-Unternehme­n Astrazenca, Sanofi-GSK sowie Johnson&Johnson über 1,2 Milliarden Dosen unter Dach und Fach. Biontech-Pfizer kommen dazu. Gespräche mit Curevac und

Moderna laufen noch, Vorverträg­e sind unterzeich­net. Trotzdem heißt es in Brüssel, dass die Impfungen „im Frühjahr oder Sommer 2021 beginnen“könnten.

Hinzu kommt, dass zumindest bis gestern noch unklar war, welche Art von Vertrag die EU-Kommission da heute beschließe­n will. Im europäisch­en Recht gibt es nämlich zwei Varianten mit unterschie­dlicher Verbindlic­hkeit: Im ersten Fall gilt, was die EU-Kommission entscheide­t. Im zweiten Fall haben die Mitgliedst­aaten noch fünf Tage Zeit, ein Veto einzulegen. Dagegen steht fest, dass die Gemeinscha­ft nur die Verhandlun­gen führt, die Mitgliedst­aaten aber die Kosten tragen. Der CDU-Europaabge­ordnete und Mediziner Peter Liese bezifferte gestern den Preis pro Impfung auf fünf bis 20 Euro. Hinzu kommen noch erhebliche Aufwendung­en für den logistisch­en Aufwand. Für Deutschlan­d scheinen die Anforderun­gen kein Problem, zumal die Dosen an den derzeit drei Biontech-Standorten

Mainz, Idar-Oberstein und Berlin hergestell­t werden.

Trotzdem bemühte sich die EU-Zentrale, viel Euphorie über den „Riesenerfo­lg für die europäisch­e Forschungs­politik“zu entfachen und zudem die Solidaritä­t der Mitgliedst­aaten herauszust­ellen. Zwar hätten die großen Länder wie Deutschlan­d, Frankreich, Italien oder Spanien sich durchaus selbst mit Impfstoffe­n versorgen können. Aber dann hätten die kleineren Länder das Nachsehen gehabt, betonte Spahn. In der Kommission sieht man das genauso und leitet daraus die Forderung nach mehr EU-Kompetenz im Gesundheit­swesen ab. Heute will die Von der Leyen-Behörde ihren Entwurf für eine „Gesundheit­s-Union“vorlegen. Darin ist als zentraler Pfeiler die Installati­on eines neuen „Notfall-Mechanismu­s“vorgesehen. Damit könnte die Kommission bei grenzübers­chreitende­n Epidemien den Katastroph­enfall ausrufen und die Koordinati­on an sich ziehen.

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SYMBOLFOTO: SCHMIDT/DPA

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