EU erhebt schwere Vorwürfe gegen Amazon
Die EU-Kommission wirft dem Online-Riesen vor, seine Marktmacht auszunutzen und Daten von unabhängigen Händlern zu missbrauchen.
Dem Online-Riesen Amazon droht eine Milliardenstrafe. Die EU-Kommission wirft dem Konzern Verstöße gegen Wettbewerbsregeln der Union vor. Amazon soll seine Marktmacht illegal ausgenutzt haben. Das Unternehmen bestreitet das.
(dpa) Der weltgrößte Online-Händler Amazon muss eine milliardenschwere Wettbewerbsstrafe der EU fürchten. Nach dem vorläufigen Ergebnis von Untersuchungen der EU-Kommission missbraucht das amerikanische Unternehmen seine Marktmacht und verstößt damit gegen Kartellvorschriften.
Amazon wird vorgeworfen, nicht-öffentliche Geschäftsdaten von unabhängigen Händlern systematisch für das eigene Einzelhandelsgeschäft zu nutzen. Das Unternehmen baue damit seine beherrschende Stellung im Bereich der Marktplatz-Dienste in Frankreich und Deutschland aus und vermeide die normalen Geschäftsrisiken, die mit dem Wettbewerb im Einzelhandel verbunden seien.
Amazon hat nun die Möglichkeit, sich zu den Beschwerdepunkten zu äußern. Bleiben die Wettbewerbshüter danach bei ihrer Einschätzung, könnte auf den Konzern eine milliardenschwere Strafzahlung zukommen. Wenn Unternehmen gegen die Wettbewerbsvorschriften der EU verstoßen, riskieren sie Geldbußen in Höhe von bis zu zehn Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes. Die Erlöse von Amazon beliefen sich 2019 auf rund 280,5 Milliarden US-Dollar (237,6 Milliarden Euro).
Der Konzern wies am Dienstag die Vorwürfe aus Brüssel zurück: „Amazon macht weniger als ein Prozent des weltweiten Einzelhandels aus – und es gibt in jedem Land, in dem wir tätig sind, größere Einzelhändler“. Kein Unternehmen kümmere sich mehr um kleine Händler oder habe in den vergangenen zwanzig Jahren mehr für ihre Unterstützung getan als Amazon. „Es gibt mehr als 150 000 europäische Händler, die in unseren Stores verkaufen. Sie erwirtschaften jährlich mehrere zehn Milliarden Euro Umsatz und haben Hunderttausende von Arbeitsplätzen geschaffen.“
Die Europäer sind aber nicht die ersten, die das Geschäftsgebaren von Amazon kritisch beäugen. Ende Juli musste Konzern-Chef Jeff Bezos vor einem Senatsausschuss in den USA erscheinen. Dort wurde Bezos mit Fragen dazu überschüttet, ob Amazon Daten von Händlern nutze, die Waren auf der Plattform des Konzerns verkaufen, um ihnen mit eigenen Angeboten Konkurrenz zu machen. Der Amazon-Chef sagte, es gebe zwar interne Vorschriften dagegen, er könne aber nicht garantieren, dass sie nie verletzt worden seien.
Die Wettbewerbshüter der EU hatten im Juli 2019 eine Untersuchung wegen möglicherweise illegaler Geschäftspraktiken eingeleitet. Dabei gehen sie vor allem der Frage nach, ob der Konzern auf unfaire Weise mit anderen Händlern konkurriert, die seine Plattform nutzen. Dies ist möglich, weil Amazon nicht nur selbst als Einzelhändler Waren verkauft, sondern seine Internetseite auch als Plattform für andere Händler zur Verfügung stellt.
Zu den Beschwerdepunkten schreibt die EU-Kommission nun, die Ergebnisse der Untersuchung zeigten, dass den Mitarbeitern des Einzelhandelsgeschäfts von Amazon sehr große Mengen nicht-öffentlicher Verkäuferdaten zur Verfügung stünden, „die direkt in die automatisierten Systeme des Geschäfts fließen, wo sie aggregiert und genutzt werden, um Endkundenangebote und strategische Geschäftsentscheidungen von Amazon auszutarieren“. Dies sei zum Nachteil der anderen Verkäufer auf dem Marktplatz.
Amazon könne so beispielsweise seine Angebote auf diejenigen Produkte einer Kategorie konzentrieren, die sich am besten verkauften und seine Angebote auf der Grundlage nicht-öffentlicher Daten konkurrierender Verkäufer anpassen.
Unabhängig von den oben genannten Vorwürfen will die Kommission weiter prüfen, ob Amazon seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, um eigene Einzelhandelsangebote und die Angebote von Marktplatz-Verkäufern, die die Logistik- und Zustellungsdienste des Unternehmens nutzen („Versand-durch-Amazon“), bevorzugt zu behandeln.
237,6 Mrd. Euro Umsatz erwirtschaftete Amazon im vergangenen Jahr.
Quelle: Amazon