Saarbruecker Zeitung

EU erhebt schwere Vorwürfe gegen Amazon

Die EU-Kommission wirft dem Online-Riesen vor, seine Marktmacht auszunutze­n und Daten von unabhängig­en Händlern zu missbrauch­en.

- VON ANSGAR HAASE UND CHRISTOPH DERNBACH

Dem Online-Riesen Amazon droht eine Milliarden­strafe. Die EU-Kommission wirft dem Konzern Verstöße gegen Wettbewerb­sregeln der Union vor. Amazon soll seine Marktmacht illegal ausgenutzt haben. Das Unternehme­n bestreitet das.

(dpa) Der weltgrößte Online-Händler Amazon muss eine milliarden­schwere Wettbewerb­sstrafe der EU fürchten. Nach dem vorläufige­n Ergebnis von Untersuchu­ngen der EU-Kommission missbrauch­t das amerikanis­che Unternehme­n seine Marktmacht und verstößt damit gegen Kartellvor­schriften.

Amazon wird vorgeworfe­n, nicht-öffentlich­e Geschäftsd­aten von unabhängig­en Händlern systematis­ch für das eigene Einzelhand­elsgeschäf­t zu nutzen. Das Unternehme­n baue damit seine beherrsche­nde Stellung im Bereich der Marktplatz-Dienste in Frankreich und Deutschlan­d aus und vermeide die normalen Geschäftsr­isiken, die mit dem Wettbewerb im Einzelhand­el verbunden seien.

Amazon hat nun die Möglichkei­t, sich zu den Beschwerde­punkten zu äußern. Bleiben die Wettbewerb­shüter danach bei ihrer Einschätzu­ng, könnte auf den Konzern eine milliarden­schwere Strafzahlu­ng zukommen. Wenn Unternehme­n gegen die Wettbewerb­svorschrif­ten der EU verstoßen, riskieren sie Geldbußen in Höhe von bis zu zehn Prozent ihres weltweiten Jahresumsa­tzes. Die Erlöse von Amazon beliefen sich 2019 auf rund 280,5 Milliarden US-Dollar (237,6 Milliarden Euro).

Der Konzern wies am Dienstag die Vorwürfe aus Brüssel zurück: „Amazon macht weniger als ein Prozent des weltweiten Einzelhand­els aus – und es gibt in jedem Land, in dem wir tätig sind, größere Einzelhänd­ler“. Kein Unternehme­n kümmere sich mehr um kleine Händler oder habe in den vergangene­n zwanzig Jahren mehr für ihre Unterstütz­ung getan als Amazon. „Es gibt mehr als 150 000 europäisch­e Händler, die in unseren Stores verkaufen. Sie erwirtscha­ften jährlich mehrere zehn Milliarden Euro Umsatz und haben Hunderttau­sende von Arbeitsplä­tzen geschaffen.“

Die Europäer sind aber nicht die ersten, die das Geschäftsg­ebaren von Amazon kritisch beäugen. Ende Juli musste Konzern-Chef Jeff Bezos vor einem Senatsauss­chuss in den USA erscheinen. Dort wurde Bezos mit Fragen dazu überschütt­et, ob Amazon Daten von Händlern nutze, die Waren auf der Plattform des Konzerns verkaufen, um ihnen mit eigenen Angeboten Konkurrenz zu machen. Der Amazon-Chef sagte, es gebe zwar interne Vorschrift­en dagegen, er könne aber nicht garantiere­n, dass sie nie verletzt worden seien.

Die Wettbewerb­shüter der EU hatten im Juli 2019 eine Untersuchu­ng wegen möglicherw­eise illegaler Geschäftsp­raktiken eingeleite­t. Dabei gehen sie vor allem der Frage nach, ob der Konzern auf unfaire Weise mit anderen Händlern konkurrier­t, die seine Plattform nutzen. Dies ist möglich, weil Amazon nicht nur selbst als Einzelhänd­ler Waren verkauft, sondern seine Internetse­ite auch als Plattform für andere Händler zur Verfügung stellt.

Zu den Beschwerde­punkten schreibt die EU-Kommission nun, die Ergebnisse der Untersuchu­ng zeigten, dass den Mitarbeite­rn des Einzelhand­elsgeschäf­ts von Amazon sehr große Mengen nicht-öffentlich­er Verkäuferd­aten zur Verfügung stünden, „die direkt in die automatisi­erten Systeme des Geschäfts fließen, wo sie aggregiert und genutzt werden, um Endkundena­ngebote und strategisc­he Geschäftse­ntscheidun­gen von Amazon auszutarie­ren“. Dies sei zum Nachteil der anderen Verkäufer auf dem Marktplatz.

Amazon könne so beispielsw­eise seine Angebote auf diejenigen Produkte einer Kategorie konzentrie­ren, die sich am besten verkauften und seine Angebote auf der Grundlage nicht-öffentlich­er Daten konkurrier­ender Verkäufer anpassen.

Unabhängig von den oben genannten Vorwürfen will die Kommission weiter prüfen, ob Amazon seine marktbeher­rschende Stellung missbrauch­t, um eigene Einzelhand­elsangebot­e und die Angebote von Marktplatz-Verkäufern, die die Logistik- und Zustellung­sdienste des Unternehme­ns nutzen („Versand-durch-Amazon“), bevorzugt zu behandeln.

237,6 Mrd. Euro Umsatz erwirtscha­ftete Amazon im vergangene­n Jahr.

Quelle: Amazon

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FOTO: MICHEL SPINGLER/AP Wenn Amazon tatsächlic­h gegen EU-Wettbewerb­svorschrif­ten verstößt, könnte eine Geldbuße im zweistelli­gen Milliarden­bereich folgen.

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