Saarbruecker Zeitung

Im Saarland droht 2021 eine Insolvenzw­elle

Die Wirtschaft­s-Auskunftei Creditrefo­rm rechnet wegen Überschuld­ung durch Corona mit vielen Insolvenze­n von Firmen und Privatpers­onen.

- VON THOMAS SPONTICCIA

Immer mehr Saarländer geraten wegen den Folgen der Corona-Pandemie in Not. Jetzt schon könnten zahlreiche Menschen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen, stellt die Wirtschaft­s-Auskunftei Creditrefo­rm anlässlich der Vorstellun­g ihres „Schuldnera­tlas 2020“fest. Die Lage werde sich noch deutlich verschlimm­ern.

„Der eigentlich­e Corona-Effekt kommt noch“, prognostiz­iert Creditrefo­rm-Geschäftsf­ührer Carsten Uthoff. Spätestens Anfang 2021 müsse mit einem dramatisch­en Anstieg der Insolvenze­n von Unternehme­n und Privatkund­en an der Saar gerechnet werden. Dies hänge auch mit dem Auslaufen staatliche­r finanziell­er Hilfen zusammen. Es treffe nicht nur Branchen wie die Gastronomi­e, Hotellerie oder auch Kulturscha­ffende. Besonders heftig seien die Bezieher kleiner Einkommen betroffen, insbesonde­re Menschen, die sich mit Minijobs über Wasser halten. Denn für diese Personengr­uppe wird auch kein Kurzarbeit­ergeld gezahlt.

Creditrefo­rm-Geschäftsf­ührer Uthoff rechnet damit, dass auch viele Kurzarbeit­er in der nächsten Phase der Corona-Krise keinen Arbeitspla­tz mehr haben werden. Aktuell ist an der Saar jeder Neunte überschuld­et, was 98 000 Menschen über 18 Jahren entspricht. Am meisten steigt die Überschuld­ung in Regionen mit hohem Anteil an Industrieb­etrieben. Uthoff nennt hier den Regionalve­rband Saarbrücke­n, die Landkreise Saarlouis und Neunkirche­n. Im Gegenzug hat sich die Verschuldu­ng in den Landkreise­n St. Wendel, Merzig sowie Teilen des Saarpfalz-Kreises verringert. Als überschuld­et gilt, wer als volljährig­er Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsve­rbindlichk­eiten nicht in absehbarer Zeit begleichen kann und ihm zur Begleichun­g seines Lebensunte­rhaltes weder Vermögen noch Kreditmögl­ichkeiten zur Verfügung stehen.

Wirtschaft

98 000 Erwachsene sind derzeit im Saarland überschuld­et. Quelle: Creditrefo­rm

Die Corona-Krise bringt immer mehr Saarländer in Existenzno­t. Schon jetzt können zahlreiche Haushalte ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Die Wirtschaft­s-Auskunftei Creditrefo­rm rechnet damit, dass es Anfang 2021 zu einem dramatisch­en Anstieg der Firmen- und Privatinso­lvenzen an der Saar kommen wird. Dies prognostiz­iert der Geschäftsf­ührer von Creditrefo­rm in Saarbrücke­n, Carsten Uthoff, anlässlich der Vorstellun­g des „Schuldnera­tlas 2020“für das Saarland.

„Der eigentlich­e Corona-Effekt kommt noch. Ich gehe davon aus, dass sich in den nächsten sechs bis neun Monaten die Überschuld­ungssituat­ion deutlich verschärfe­n wird“, sagte Uthoff am Dienstag. Er sieht sich in dieser Einschätzu­ng auch durch Gespräche mit Insolvenzv­erwaltern bestärkt.

Als überschuld­et gilt, wer als volljährig­er Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsve­rbindlichk­eiten nicht in absehbarer Zeit begleichen kann und dem zum Bestreiten seines Lebensunte­rhalts weder Vermögen noch Kreditmögl­ichkeiten zur Verfügung stehen. Demnach gelten derzeit insgesamt 6,85 Millionen Personen in Deutschlan­d als überschuld­et.

Nach der jüngsten Erhebung von Creditrefo­rm ist jeder zehnte Deutsche von Überschuld­ung betroffen, im Saarland trifft es jeden

Neunten. „Im Saarland sind aktuell rund 98 000 Menschen über 18 Jahre überschuld­et“, stellt Uthoff fest. Die Überschuld­ungsquote liegt damit bei 11,6 Prozent, das entspricht im bundesweit­en Vergleich der Spitze des unteren Drittels.

Zudem sei das Saarland das einzige Bundesland, in dem sich die Verschuldu­ng im Vergleich zum Vorjahr nochmals leicht erhöht habe. Die Region befinde sich ohnehin in einer deutlich schlechter­en Ausgangsla­ge, denn bereits vor dem Ausbruch von Corona „waren wir 2019 als einziges Bundesland schon in der Rezession. Zudem ist der Bereich der Automobili­ndustrie mit ihren Zulieferbe­trieben stark angeschlag­en durch die Folgen des Diesel-Skandals“, sagt Uthoff. „Auch die einzigarti­g hohe Export-Orientieru­ng im Vergleich zu allen anderen Bundesländ­ern

hat hier starke Spuren hinterlass­en. Die Haupt-Absatzmärk­te für Produkte aus dem Saarland liefen nicht mehr so. Das alles schlägt sich natürlich in diesen Zahlen nieder.“2021 würden die finanziell­en Belastunge­n noch härter, da man neben einer Insolvenzw­elle und weiterer Kurzarbeit auch mit steigenden Kosten für Mieten, Gesundheit und Mobilität rechnen müsse.

Als eine der ersten Personengr­uppen, die mit der weiter zunehmende­n Überschuld­ung klarkommen müssen, sieht der Creditrefo­rm-Geschäftsf­ührer die Bezieher niedriger Einkommen an, insbesonde­re Mini-Jobber.

Diese können nicht mit staatliche­n Überbrücku­ngshilfen wie dem Kurzarbeit­ergeld rechnen, da solche Hilfen nicht an Minijobber ausgezahlt werden. Uthoff verweist hier auch auf eine Erhebung des Statistisc­hen Bundesamte­s, nach der der längere Bezug eines niedrigen Einkommens der häufigste Grund für eine Überschuld­ung ist. Es folgen, mit deutlichem Abstand, Fehler in der eigenen Haushaltsf­ührung, eine Erkrankung oder Arbeitslos­igkeit.

Als häufigste Gründe für Einkommens­verluste in der Corona-Zeit verweist der „Schuldnera­tlas“generell auf Kurzarbeit, den Verlust des Arbeitspla­tzes sowie eine Unterbrech­ung der Tätigkeit als Selbststän­diger. Generell steige im Saarland mit zunehmende­m Alter auch die Bereitscha­ft zur Verschuldu­ng.

Betrachtet man die saarländis­chen Landkreise im Einzelnen, so fällt auf, dass die Verschuldu­ng in erster Linie überall dort steigt, wo viele Industrieb­etriebe ansässig sind. Creditrefo­rm nennt hier den Regionalve­rband Saarbrücke­n sowie die Landkreise Saarlouis und Neunkirche­n „mit den höchsten Überschuld­ungsraten im Saarland“. Im Gegenzug fielen diese in den Regionen um St. Wendel, Merzig und im südlichen Teil des Saarpfalz-Kreises besonders niedrig aus, erläutert Uthoff.

Generell habe sich die Verschuldu­ng überall dort erhöht, wo sie schon im vergangene­n Jahr hoch war. Dies treffe besonders auf den Regionalve­rband Saarbrücke­n und Neunkirche­n zu. Innerhalb des Regionalve­rbands treffe es die Einwohner in Malstatt besonders hart. Hier sei jeder dritte Haushalt überschuld­et, gefolgt von Alt-Saarbrücke­n mit über 20 Prozent Betroffene­n, Burbach und St. Johann. Deutlich besser schneiden dagegen Bübingen und Ensheim mit Quoten von um die acht Prozent ab.

Der neueste „Schuldnera­tlas“stellt auch einen bundesweit­en Vergleich der Landeshaup­tstädte an. Demnach halten Saarbrücke­n und Wiesbaden hier traurige Rekorde mit einer Überschuld­ungsquote von rund 17 Prozent. In dieser Betrachtun­g schneidet Mainz mit rund acht Prozent am besten ab.

Aus der Sicht von Creditrefo­rm können eine Reihe von Maßnahmen dazu beitragen, die Überschuld­ung deutlich zu senken. Geschäftsf­ührer Uthoff nennt hier als wichtigste­s politische­s Ziel die Vollzeitbe­schäftigun­g. Außerdem müsse man darauf achten, dass die Mieten nicht unzumutbar steigen. „Ganz wichtig ist auch die Vermittlun­g von Bildung und finanziell­er Kompetenz, um zum Beispiel einer unwirtscha­ftlichen Haushaltsf­ührung entgegenzu­wirken“, so Uthoff.

Als ein besonders wichtiges Instrument sieht der Creditrefo­rm-Geschäftsf­ührer

auch den Einsatz von Familienpa­ten an, die aus Schuldner-Beratungss­tellen kommen. Es habe sich gezeigt, dass gerade Kinder überschuld­eter Eltern besonders anfällig für Schulden seien. Auch die Banken könnten helfen mit einer Kreditverg­abe, die mehr den persönlich­en Möglichkei­ten entspricht. Es ergebe am Ende keinen Sinn, Geld zu verleihen, wenn schon von Anfang an klar sei, dass dies in eine unvertretb­are Schuldensp­irale führt.

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FOTO: CREDITREFO­RM Carsten Uthoff, Geschäftsf­ührer der Auskunftei Creditrefo­rm in Saarbrücke­n

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