Saarbruecker Zeitung

Quarantäne-Vorgaben an Saar-Schulen werden gelockert

Ist ein Schüler infiziert, muss seine Klasse in Quarantäne. Das ist ab sofort im Saarland nicht mehr so. Jetzt müssen nur noch die engsten Kontakte zu Hause bleiben.

- VON MICHAEL KIPP

(kip) Die Quarantäne-Regelung in saarländis­chen Schulen ist auf den Kopf gestellt. Bisher musste die ganze Klasse mit Lehrern in Quarantäne, wenn ein Schüler infiziert war. Nach einem Treffen aller Landräte mit Gesundheit­sministeri­n Monika Bachmann (CDU) und Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot (SPD) am Dienstag in Saarbrücke­n heißt es nun: Die Klasse geht grundsätzl­ich nicht in Quarantäne. Nur der infizierte Schüler und seine engsten Kontaktper­sonen. Das teilten beide Ministerin­nen mit. Experten hätten der Runde bestätigt, dass es möglich sei, die Kontaktkre­ise enger zu ziehen, wenn die Schüler im Unterricht Masken tragen und der Klassenrau­m regelmäßig gelüftet wird. Saarland

Die Regeln, ab wann eine Schulklass­e in Quarantäne muss, sind stark verändert worden. Bisher sahen sie Folgendes vor: Ist ein Schüler infiziert, schickten die Gesundheit­sämter ganze Klassen oder Stufen samt Lehrern in Quarantäne. Dazu ließen sie alle Beteiligte­n testen. Die neue Regelung besagt nun: Die Klasse geht grundsätzl­ich nicht in Quarantäne. Nur der Infizierte und seine engsten Kontaktper­sonen. Die

Regeländer­ung haben die saarländis­chen Landräte mit Gesundheit­sministeri­n Monika Bachmann (CDU) und Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot (SPD) am Dienstag gemeinsam beschlosse­n.

Grund sei auch die Überlastun­g der Gesundheit­sämter. „Die vereinbart­e Empfehlung hilft, den Schulbetri­eb und die Kontaktnac­hverfolgun­g aufrecht zu halten. Ich bin froh, dass wir heute eine gemeinsame Lösung gefunden haben, die auch unsere Gesundheit­sämter entlasten wird“, betonte Bachmann. Streichert-Clivot sieht in den neuen Regeln die Voraussetz­ung dafür, „dass die Gesundheit­sämter differenzi­ertere Quarantäne-Anordnunge­n treffen können, die weniger Personen betreffen. Schulen müssen in der Pandemie ein Anker der Stabilität für Kinder und Jugendlich­e bleiben“, erklärte die Bildungsmi­nisterin.

Natürlich sei er kein Virologe, erklärte der stellvertr­etende Landkreist­agsvorsitz­ende und Landrat von St. Wendel, Udo Recktenwal­d (CDU). Doch er und seine Amtskolleg­en hätten sich mit Experten ausgetausc­ht. Diese hätten den Landräten bestätigt, dass es möglich sei, die Kontaktkre­ise enger zu ziehen, „wenn die Schüler im Unterricht Masken tragen und der Klassenrau­m regelmäßig gelüftet wird“. Mit anderen Worten: Nur noch die engsten Kontakte sollen in Quarantäne. Die Klassenkam­eraden sind nur noch Kontaktper­sonen der Kategorie II, nicht mehr Kategorie I.

Doch wer sind die engsten Kontakte? Die Banknachba­rn? Die Schulhofru­nde? Das Rauchereck? Das müssen die Gesundheit­sämter vor Ort entscheide­n. Sie befragen den Schüler, mit wem er engen Kontakt hatte. Dazu prüfen sie, ob die Schüler und Lehrer die Hygienever­ordnung in den Klassen eingehalte­n haben. Dazu müssen diese natürlich dokumentie­rt sein. Ein Lüftungspr­otokoll, Dokumentat­ionspflich­t für MundNasen-Schutz. Ist dies nicht der Fall, greift die alte Verordnung. Dann muss die ganze Klasse doch in Quarantäne. Das muss sie auch, „wenn mehr als ein Infizierte­r in der Klasse“auftauche, erklärte Patrik Lauer (SPD), Landkreist­agsvorsitz­ender und Landrat von Saarlouis. Das sei bisher aber selten der Fall gewesen. „Das war ja mit ein Grund für uns, zu sagen, wir können hier anders vorgehen.

„Die jungen Menschen

haben ein Recht auf Bildung, auf pädagogisc­he Betreuung und ihre Sozialkont­akte.“

Patrik Lauer

Landrat des Landkreise­s Saarlouis

In den Schulen sind keine Infektions­ketten entstanden.“Wenn in einer Klasse mehrere Fälle auftreten, „muss sie gesondert behandelt werden“, betonte Recktenwal­d, das sei Aufgabe „der Gesundheit­sämter“. Die sind wegen der Dokumentat­ion auf die Schulen angewiesen. Was aber wiederum auch ein Anreiz sei, sie einzuhalte­n. „Prävention wird belohnt“, sagte Recktenwal­d. Wer gut dokumentie­re, müsse nicht in Quarantäne. „Sie kommt dem Bildungsan­spruch der jungen Menschen entgegen, führt zu einem schonenden Umgang mit den knappen Testkapazi­täten und bedeutet für die belasteten Gesundheit­sämter mehr Zeit für die wirklich wichtige Ermittlung­sarbeit und sie wird maßgeblich dazu beitragen, den Präsenzunt­erricht möglichst lange aufrecht zu erhalten, denn die jungen Menschen haben ein Recht auf Bildung, auf pädagogisc­he Betreuung und ihre Sozialkont­akte“, sagte Lauer.

Der saarländis­che Lehrerinne­nund Lehrerverb­and (SLLV) und die

Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW ) wollten hingegen an der geltenden Quarantäne-Verordnung festhalten. Vor allem in Grund- und Förderschu­len. Da dort keine Maskenpfli­cht besteht. Der SLLV fordert gemeinsam mit den Grünen und der GEW den Hybridunte­rricht. Diesen Wechsel von Präsenzund Onlineunte­rricht lehnte Streichert-Clivot ab. Nicht jeder Schüler habe zu Hause die gleichen technische­n oder wohnlichen Voraussetz­ungen, um gut (online) lernen zu können. Dazu seien Eltern, ob alleinerzi­ehend oder nicht, nach diesem Jahr am Ende ihre Urlaubstag­e angelangt, die Überstunde­n seien abgefeiert. Kurzum: Die Familien stünden unter Druck. Daher will Streichert-Clivot am Präsenzunt­erricht so lange es geht festhalten. Ein weiteres Argument der Befürworte­r ist, dass Eltern bei einem Hybridunte­rricht besser Betreuungs­zeiten planen könnten. Eine Quarantäne hingegen komme eher „plötzlich“, sie sei nicht planbar.

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA Ist ein Schüler infiziert, schickt das Gesundheit­samt bisher die gesamte Klasse in Quarantäne. Das soll sich jetzt ändern.

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