Saarbruecker Zeitung

Republikan­er halten vorerst zu Trump

Nur vier der 53 konservati­ven Senatoren konnten sich bisher durchringe­n, den Wahlsieg von Joe Biden anzuerkenn­en.

- VON FRANK HERRMANN

Als Mitch McConnell zum ersten Mal in den US-Senat gewählt wurde, war Ronald Reagan gerade für eine zweite Amtszeit als US-Präsident bestätigt worden. In Moskau war Michail Gorbatscho­w noch nicht an der Macht, vom Fall der Berliner Mauer wagten nur die kühnsten Optimisten zu träumen. 36 Jahre später ist der Veteran aus Kentucky nicht nur unangefoch­ten die Nummer eins unter den Konservati­ven in der kleineren, feineren Kammer des US-Kongresses in Washington. Er wird auch der zentrale Gegenspiel­er des künftigen demokratis­chen Präsidente­n Joe Biden sein. Vorläufig aber lautet die spannendst­e Frage, ob und wann McConnell dem abgewählte­n Präsidente­n Donald Trump signalisie­rt, dass er sich auf die Parlaments­fraktion seiner Partei nicht mehr verlassen kann, wenn er versucht, das Wahlergebn­is anzufechte­n.

Dass Trumps familiäre Berater ihm zum Aufgeben raten, ist ein Gerücht, das seit Tagen durch Washington schwirrt, ohne dass Außenstehe­nde sagen könnten, ob es einen wahren Kern hat oder nicht.

Vermeintli­che Insider glauben erfahren zu haben, dass Jared Kushner, auf dessen Urteil Trump großen Wert legt, geduldig versucht, seinen Schwiegerv­ater zum Rückzug zu überreden. Was daran stimmt und was nicht, wissen nur die unmittelba­r Beteiligte­n, die sich in tiefes Schweigen hüllen. Daher sind alle Blicke auf McConnell gerichtet. Der wiederum gibt zu verstehen, dass man dem Amtsinhabe­r Zeit lassen soll.

Trump habe zu hundert Prozent das Recht, eventuelle Unregelmäß­igkeiten bei der Stimmabgab­e prüfen zu lassen, sagte der 78-Jährige, als er am Montagaben­d sein erstes ausführlic­hes Statement seit dem Votum abgab. Noch habe kein einziger Bundesstaa­t die Ergebnisse bestätigt. Kommentare der Medien hätten keine Veto-Macht über die Rechte der Bürger, eingeschlo­ssen die des Präsidente­n. Im Übrigen habe sich Al Gore im Jahr 2000 ebenfalls sämtlicher juristisch­er Mittel bedient, ehe er seine Niederlage eingestand.

Der Vergleich ist interessan­t, denn McConnell scheint damit einen Zeitrahmen abzustecke­n. Damals machte ein denkbar knappes Ergebnis

in Florida eine Neuauszähl­ung erforderli­ch. Gore und sein republikan­ischer Widersache­r George W. Bush mobilisier­ten ihre Anwälte, die sich wochenlang harte Duelle lieferten, bis der Oberste Gerichtsho­f entschied – und der Demokrat Gore dem de facto juristisch ermittelte­n Sieger gratuliert­e. Seine „concession speech“hielt er am 13. Dezember,

kurz bevor die 538 Wahlleute den Präsidente­n zu benennen hatten. Was McConnell verklausul­iert sagen will, ist offenbar, dass man sich noch ein paar Wochen gedulden möge, bis der Konflikt gelöst sei.

Die von Biden erhoffte Absetzbewe­gung in den Reihen der Republikan­er ist jedenfalls ausgeblieb­en. Nur vier der 53 konservati­ven Senatoren konnten sich, Stand Dienstagmi­ttag Ortszeit, dazu durchringe­n, den Sieg des Demokraten anzuerkenn­en. Der Prominente­ste ist Mitt Romney, der sich schon im Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Trump gestellt hatte. Auch Lisa Murkowski und Susan Collins, beide bereits früher durch Kritik aufgefalle­n, riefen Biden an, um zu gratuliere­n. Roy Blunt, ein Konservati­ver alter Schule aus Missouri, attestiert­e zumindest, dass sich am Resultat wohl nichts mehr ändern werde. Chris Christie forderte Trump auf, Beweise für angebliche Manipulati­onen vorzulegen. Behauptung­en aufzustell­en, ohne sie zu belegen, heize nur die Emotionen an, mahnte der Ex-Gouverneur von New Jersey. „Und ein Anheizen ohne Informatio­nen dürfen wir nicht zulassen.“George W. Bush hat Biden ebenfalls beglückwün­scht, bereits am Sonntag. Allerdings gibt es in der „Grand Old Party“nur wenige, bei denen der Texaner noch Gehör findet. Dazu hat Trump der Partei, deren Basis ihm bis heute die Treue hält, zu eindeutig seinen Stempel aufgedrück­t.

Auch deshalb unterstütz­en Generalsta­atsanwälte in einem Dutzend republikan­isch regierter Staaten eine Klage, über die der Supreme Court demnächst befinden muss. Demnach sollen in Pennsylvan­ia Briefe mit Stimmzette­ln, die erst nach dem Wahltag eingingen, nicht berücksich­tigt werden. Das widerspric­ht den lokal aufgestell­ten Regeln, nach denen Wahlbriefe auch dann gültig waren, wenn sie spätestens drei Tage nach dem Votum eintrafen – und nicht später als am 3. November abgeschick­t wurden. Wie der Streit ausgeht, ist offen. Selbst wenn Trump Recht bekommen sollte, dürfte es sich Offizielle­n Pennsylvan­ias zufolge um zu wenige strittige Stimmen handeln, als dass sich etwas am Ergebnis ändern würde, falls sie nicht gewertet werden.

In Georgia, wo Biden so knapp vorn liegt, dass aller Voraussich­t nach eine Neuauszähl­ung der Stimmzette­l ansteht, fordern zwei republikan­ische Senatoren den Rücktritt eines Parteifreu­nds, der die Erfolgscha­ncen von Beschwerde­n skeptisch beurteilt. Brad Raffensper­ger, als Secretary of State für das Organisato­rische zuständig, hatte erklärt, in seinem Staat gebe es keine Beweise für groß angelegten Wahlbetrug. Er habe das Volk Georgias im Stich gelassen und müsse sofort seinen Hut nehmen, schrieben Kelley Loeffler und David Perdue. Darauf Raffensper­ger: „Die Wähler Georgias haben mich angeheuert, und nur die Wähler Georgias können mich feuern.“

In Georgia liegt Biden so knapp vorn, dass aller Voraussich­t nach eine Neuauszähl­ung ansteht.

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FOTO: JOHN LOCHER/AP/DPA Ein Unterstütz­er von Präsident Donald Trump läuft an einem Wahlbüro mit einer US-Flagge vorbei. Die Republikan­er tun sich schwer damit, den Wahlsieg Joe Bidens anzuerkenn­en.

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